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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Was ist denn eigentlich „normal“?

Normal ist nur Version (b) - und sie ist zugleich stabil
„Normal“ zu sein bedeutet, in einem stabilen Zustand zu sein. Was „stabil“ ist, muss allerdings definiert werden.

Die Soziologie kann keine für uns gültigen Antworten geben

Oh, ein Satz vorab: Soziologinnen und Soziologen reden gerne über „das Normale“. Doch wenn sie es tun, sprechen sie von „der Gesellschaft“ und damit auch vom Vergleich „unseres“ Normalbegriffs mit dem Normalbegriff der Massen (1).

„(Es gilt) … dass Normalitätsbehauptungen und -begehren immer das politische Problem der Normalisierung mit sich bringen. Egal, in welche Richtung es geht: Es gibt immer einen Konformitätsdruck.“

Wer hat die Antwort, was "normal" ist?

Der Normalzustand als stabiler Zustand? Das gilt nur, wenn wir uns darüber klar sind, was „stabil“ ist. Und bevor ihr dazu ins Lexikon schaut und statische Begriffe wie „haltbar“ oder „widerstandsfähig“ findet, will ich euch sagen, dass ein System nicht stabil ist, wenn es zu starr ist.

Im Jargon der Regelungstechnik spricht man von asymptotisch Stabilität, etwa so (2):

Ein System, welches asymptotisch Stabil ist, kehrt nach Anregung von selbst wieder in den Anfangszustand zurück.
Vereinfachung: Wie ist das, wenn etwas "normal" ist?

Wem das zu kompliziert ist: Es geht dabei um Systeme, die sich selbst regulieren. Dazu gehören nahezu alle Lebewesen und manches andere System. Man sagt auch, dass es sich dabei um „dynamische“ Systeme handelt.

Noch einfacher: Stell dir eine Kugel vor, die am Boden einer Suppenschüssel liegt. Die Suppenschüssel ist das System, die Kugel die Normalität. Solange sie starr auf dem Boden verharrt, interessiert dies niemanden und das System „lebt“ nicht.

Sobald eine Kraft auf die Suppenschüssel ausgeübt wird – also etwa, wenn du sie auf dem Tisch schubst – wird die Kugel angeregt, sich zu bewegen. Man kann sagen: „Es passiert jetzt etwas“. Bei Säugetieren, Menschen und vielen Maschinen gehört das zu den „normalen Prozessen“. Die Kugel wird nach einigen Bewegungen wieder in die Mitte der Schüssel zurückfallen. In der Natur „wartet“ sie darauf, erneut angestoßen zu werden.

Die Suppenschüssel, die Kugel darin und deine Normalität

In vielen Situationen gibt es mehr als eine geringe Verlagerung der Kugel. Sie wird beispielsweise in der Mitte kreisen, bis fast zum Rand hochsteigen oder längere Zeit benötigen, um wieder in den „Normalzustand“ zurückzufallen. Und dennoch ist dieser Zustand in jeder Hinsicht „stabil“ und „normal“ – denn es ist ja die Aufgabe der Kugel, wieder zurückzufallen.

Im wirklichen Leben fällt die Kugel nicht oder jedenfalls äußert selten aus der Suppenschüssel heraus. Sie tanzt dann aber verdächtig nahe am Rand und unser „System“ merkt, dass wir etwas tun müssen, um die Normalität wiederherzustellen.

Das alles sagt noch nicht viel über „unsere Normalität“ aus. Denn die ist für jedes menschliche Wesen anders. Für nahezu alle Geistesarbeiter, insbesondere für die kreative unter ihnen, ist die Kugel ständig in Bewegung und läuft kurz unter dem Rand der Suppenschüssel im Kreis. Das bedeutet für sie „normal zu sein“. Für andere ist es normal, dass die Kugel sich wenig bewegt, ja, sie geraten sogar in Panik, wenn sie bemerken, dass sich Kleinigkeiten verändern.

Halten wir fest: Wir können für uns selbst definieren, was „normal“ für uns ist. Wenn wir das gleiche „für andere“ tun, so begeben wir uns in Gefahr, Fehlurteile abzugeben oder gar Menschen zu verletzen.

(1) Paula-Irene Villa Braslavsky In Deutschlandfunk Kultur
(2) Definition Stabilität.

Die deutsche Presse - auf wen hört sie im Ukraine-Krieg?

Die deutschen Kommentatoren üben weiterhin eine „begleitende Kriegsberichterstattung“ zur Ukraine ein. Doch was auch immer sie sagen: Wolodimir Selenski ist allenthalben durchzuhören, solange es nicht um eine Beendigung des Krieges geht. Die Tatsache, dass es jetzt und in einer absehbaren Zeit keine Pläne für einen realistischen Friedensschluss gibt, ist offenkundig.

Die deutsche Presse hat eine merkwürdige Meinung, die kaum noch von jemandem in der Bevölkerung geteilt wird. Vor allem die Kolumnisten schreiben munter drauflos, geradezu so, als seinen sie nicht ferne Beobachter, sondern Feldherren vor Ort. Vor allem deshalb kritisiert die NZZ (Benedict Neff) über deutsche Kolumnisten:

Die Ukraine könne den Krieg gegen die russische Invasionsarmee gewinnen, liest man in den Zeitungen. Nach über drei Monaten Krieg haben sich die russischen Soldaten allerdings im Osten des Landes festgesetzt. Ist die Berichterstattung westlicher Medien zu stark von Wunschdenken geprägt?

Eine Lösung hat niemand: nicht Selenski (Zelensky), nicht der Westen, nicht die USA und nicht die EU. Viel zu früh wird über die „Zeit danach“ geredet - weil noch niemand weiß, wie diese Zeit aussehen wird. Die Hektik, mit der über eine Aufnahme der Ukraine in die EU gefordert und betrieben wird, befremdet. Wie wird das Land aussehen, falls es tatsächlich zu einem dauerhaften Friedensschluss kommen sollte? Was, wenn die Ukraine eine Krisenregion bleibt? Haben wir nicht gerade genug Probleme in der EU?

Drei Tatsachen sind weitgehend unumstritten:

1. Wir sollen und müssen humanitäre Hilfe leisten.
2. Wir müssen jede Möglichkeit, einen Frieden herzustellen aufgreifen, wann immer sich die Gelegenheit ergibt.
3. Die NATO muss gestärkt werden, um ihre heutigen Außengrenzen zu schützen.


Alles andere kann, darf und soll diskutiert werden. Der Kommentator der NZZ weiß so gut wie jeder andere, dass die Ukraine jetzt Rückhalt benötigt, bezweifelt aber, dass dort vorrangig „westliche Werte verteidigt“ werden. Doch er mahnt an, dass unsere (deutschen) Medien deshalb noch lange nicht „die ukrainische Kommunikationsstrategie mittragen müssten.“ Genau die ist es nämlich, die mittlerweile verwirrt und selbst sehr gutwillige Menschen ermüdet und befremdet.

Sieben Vorwürfe, dazu Widersprüche und Gegenpositionen

Drama-Königin oder Opfer von Gaslighting?
Kürzlich las ich von einigen „Vorwürfe die genutzt würden, um Frauen zu verwirren“. Der Autor nannte jeweils einige Antworten auf diese Vorwürfe, die sie entkräften sollten. Doch: Was wäre, wenn die Vorwürfe zuträfen?

Oder anders gesagt: Wer jemand anderem einen Vorwurf macht, hatte ja möglicherweise einen Grund. Und vielleicht war es nicht einmal ein Vorwurf, sondern eher ein Hinweis. Schließlich, so meine jedenfalls ich, ist es besser, über Verhaltensweisen zu reden, als sie einfach hinzunehmen.

1. Du dramatisierst die Dinge

Widerspruch:

Ich dramatisiere die Dinge nicht. Ich sage dir nur deutlich, wie ich darüber denke.

Gegenposition:

Du neigst wirklich dazu, alles zu dramatisieren, und nervst damit Leute, die sich eigentlich gar nicht damit beschäftigen wollten.

2. Du bis zu empfindlich

Widerspruch:

Ich bin nicht empfindlich, ich zeige dir nur meine Gefühle.

Gegenposition:

Du versuchst ständig, andere mit deinen Gefühlen zu manipulieren, und zwingst sie damit, auf dich Rücksicht zu nehmen.

3. Du bildest es dir nur ein

Widerspruch:

Ich folge nur meinen eigenen Instinkten und Wahrnehmungen.

Gegenposition:

Du nimmst eine Form von „Realität“ wahr, die andere nicht teilen können und wollen. Aber nun müssen sie sich damit beschäftigen.

4. Du hast es falsch verstanden

Widerspruch:

Ich weiß, dass ich es genau richtig gehört und verstanden habe.

Gegenposition:

Du hast nur das verstanden, was du davon verstehen wolltest - aber nicht das, was wir wirklich besprochen haben.

5. Das ist doch kein Beinbruch

Widerspruch:

In meiner Lebenserfahrung ist es ein schwieriges Problem.

Gegenposition:

Du verkomplizierst alles, um andere zu zwingen, sich mit deinen Problemen zu beschäftigen.

6. Du hast zu hohe Ansprüche

Widerspruch:

Natürlich habe ich Ansprüche - wir alle haben sie.

Gegenposition:

Du hast Vorstellungen, die sich nicht verwirklichen lassen. Damit deine Realitätsflucht nicht auffällt, behauptest du, dass niemand deinen Ansprüchen genügt.

7. Du bist einfach nicht authentisch

Widerspruch:

Das kannst du gar nicht beurteilen - so wenig, wie du von mir weißt.

Gegenposition:

Jeder kann erkennen, dass du uns nur Rollen vorspielst. Aber niemand sagt es dir, weil niemand deinen Zorn aushält.


Was wirst du tun?

Wählst du den Widerspruch, dann könnte es sein, dass die Kommunikation beendet ist. Falls sie nicht endet, könnte ein Streitgespräch daraus werden, was ebenfalls unfruchtbar ist

Die Gegenposition wird nur jemand ruhig und gelassen vertreten, der dir zugetan ist und deine Reaktionen nicht fürchtet.

Was du immer tun kannst, ist gezielt nachzufragen. Also: „Wann oder bei welcher Gelegenheit hast du das festgestellt?“ „Wie äußert sich das aus deiner Sicht?“

Und mein Fazit?

Guter Rat ist teuer - und es könnte durchaus sein, dass dein Gegenüber recht hat mit dem, was er sagt. Es könnte aber auch dazu dienen, dich einzuschüchtern. Dann wird er dir aber auch kaum genau erklären, was er oder sie beobachtet hat.

Hinweis: Die in diesem Artikel verwendeten Vorwürfe wie auch die Widersprüche wurden völlig neu gefasst und ergänzt. Sie entsprechen nicht einem ähnlichen Artikel über "Gaslighting".

Selbsttäuschung

Was haben manche Gurus gemeinsam mit Finanzberatern, Ratgeberautoren, Sektengründern und sogar Betrügern?

Die Antwort ist ernüchternd:

Sie täuschen sich in sich selbst, indem sie andere täuschen. Und der Erfolg, andere zu täuschen, verstärkt ihre Selbsttäuschung.

Die meisten (sicher nicht alle) wollen zu Anfang gute Menschen sein. Sie glaubten an die Prinzipien, die sie irgendwo aufgegriffen haben. Sie wollten das Beste geben, was sie hatten, und wussten doch, dass die Sache einen Haken hat.

Denn das, was sie rieten oder taten, funktionierte entweder nur für kurze Zeit oder bei sehr wenigen Menschen. Nach einiger Zeit ahnten oder wussten sie, was sie mit ihrem Rat anrichten würden. Aber sie blieben dabei. Sie wollten um jeden Preis gute Menschen bleiben, die nur immer das Beste gegeben haben.

Die System wackeln - und die Grundlagen sind oft windig

Geld, Macht und Erfolg sind die Angebote, manchmal auch Glück und Liebe. Beim Geld wird am deutlichsten, dass die Konzepte wacklig, windig oder gar kriminell sind. Und dennoch werden immer wieder „verdeckte Schneeballsysteme“ angeboten und weitergetragen.

Beim Erfolg ist es ähnlich – aber die Verluste sind nicht so hoch. Wer Erfolgskonzepte verkauft, sieht sich oftmals als „Retter der Loser“. Das ist nicht schwer zu verstehen, denn die Schöpfer solcher Systeme fühlen sich als Verkünder geheimer Lehren, ähnlich wie Esoteriker und Religionsfanatiker. Sie müssen daran glauben, dass ihre Lehren funktionieren, denn sie haben nichts in der Hand, was dies belegen könnte.

Wie falsche Beweise konstruiert werden

All dies Leute werden dir jetzt sagen: „Oh doch, ich habe Beweise dafür….“ Sie werden die ein paar Namen nennen, und sie lügen dabei nicht einmal, sondern verfallen der Täuschung, die sie selber inszeniert haben. Ja, Herr X. oder Frau Y. konnten nach dem Buch, das man ihm/ihr sandte oder dem Kursus, den er/sie besuchte, einen Erfolg vorweisen. Nur ist keinesfalls sicher, auf dies auf die Methode zurückzuführen war, trotz der Methode wirkte oder ganz andere Ursachen hatte.

Bewiesen ist eigentlich nur: Wer sich bewusst ist, ein bestimmtes Problem zu haben, und sich sinnvoll damit beschäftigt, hat mehr Chancen, es auch zu lösen als jemand, der nichts daran tut.

Lösungen kommen von innen

Was wir oft vergessen, ist dies: Lösungen für Probleme kommen nicht von außen, sondern von innen. Und das auch nur, wenn man die eine oder andere Werkzeugkiste öffnet, die zu Lösungen führt.

Die Gurus und all die anderen, Pfarrer wie Lebensberater, wissen dies natürlich auch. Aber sie würden sich selbst und ihren „Überbau“ infrage stellen, wenn sie es zugeben würden. Und Selbsttäuschung ist das beste Mittel, um mit sich im Einklang zu bleiben.

Ich las einen Artikel der BBC von David Robson. Er enthält zahllose Facetten zur Selbsttäuschung und bietet wesentliche tiefere Einsichten.

Der Zeitgeist lässt zu ...

Hast du dich mal gefragt, warum jede noch so geringfügige Abweichung von der vermeintlichen „Norm“ sofort ein Getöse im Blätterwald auslöst?

Eine Antwort wäre: Weil es „die Norm“ überhaupt nicht gibt und auch nie gab, sondern nur Konventionen. Man gab vor, sich an gewisse Modelle zu halten, und schwieg über das, was man im Innersten empfand. Das war jedenfalls bequemer, als sich ständig Fragen auszusetzen. Und das Getöse? Ach, wie interessant, wenn andere „anders“ sind - besonders für die lechzende Presse. Sie schiebt in den Vordergrund, was sie will. Ob es Empörung, Seufzen oder Genugtuung auslöst, es wird gelesen. Und ja, die Liebeszeitung ist auch nicht frei davon. Schließlich leben wir auch in dieser Zeit und nicht in einer anderen.

Das Anderssein ist jedem möglich

Menschen sind unterschiedlich. Und sie haben das Recht, sich unterschiedlich zu fühlen. In jeder Hinsicht und in jedem Bereich, solange sie niemandem damit schaden und nicht gegen Gesetze verstoßen.

Doch nun glauben viele, die das „Anderssein“ leben, sie müssten sich absolut einer Gruppe anschließen und sich auf diese Weise Gehör verschaffen. Und dann lese ich (von einer Sozialpsychologin) diesen Satz:

Der Zeitgeist als Argument für Presse und Wissenschaft?

Ich zitiere, welche Dimensionen der Zeitgeist inzwischen angenommen hat. Er schwebt über uns allen und man gibt ihm mehr Macht, als ihm zusteht, nämlich:

Der Zeitgeist lässt zu, dass man sich als Mitglied einer Minderheit Gehör verschafft und dadurch die Forschung antreibt, mehr Antworten auf die eigene Orientierung bekommt.

Aha, der Zeitgeist lässt es zu.

Hat man sich je gefragt, wie verlogen und „abnormal“ die „romantische Liebe“ ist? (Ja, hat man, aber äußerst selten). Und nun will man erforschen, wie es sich mit der „Aromantik“ verhält?

Müssen wir uns eigentlich alle dem Zeitgeist beugen? Welcher Zwang steht dahinter? Ist es ein neuer Wahn?

Ja, wenn es Sinn hätte. Aber ich habe die Wolken verschiedener „Zeitgeister“ und „Zeitidiotien“ an mir vorbeiziehen lassen und musste stets feststellen: Nach einiger Zeit waren Geist und Ungeist vergessen. Es gab neue Themen und neue Wichtigtuer.

Und deswegen: ich sch… auf den Zeitgeist. Wirklich.

(1) VICE und verschiedene andere Publikationen.