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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Meine Begegnungen mit Extremisten - und eine Warnung

In meiner „eigentlichen“ Heimatstadt, also der Stadt, in der geboren wurde und aufwuchs, waren die extremsten Menschen, denen ich begegnete, überwiegend weltfremde Gestalten und Sektierer aus beiden christlichen Religionen. Weil meine Eltern nicht religiös waren, wuchs ich weitgehend frei von den Einflüssen dieser Extremisten auf.

Es gab allerdings eine Art „versteckten Extremismus“ unter den Menschen, die dem Einfluss des „guten Bürgertums“ nachtrauerten. Hinzu kamen solche, die „Zucht und Ordnung“ hochhielten - sozusagen die Nazi-Ideale ohne sich selber als ehemaliger Nazi verdächtig zu machen. Jetzt, so vermute ich, sind die letzten verkappten Alt-Nazis verstorben, die ich noch aus meiner Jugend kenne.

Später, in meiner neuen süddeutschen Umgebung, lernte ich eine größere Variationsbreite von Extremisten (und Extremistinnen) kennen. Einige hatten einen eigenartigen Werdegang: Klosterschule, Sozialismus, Esoterik. Oder erst Klosterschule, dann Sektierer(in) und schließlich Aktionsfeministin. Oder irgendeine andere Kombination, an deren Anfang der Glaube und an deren Ende die Ideologie stand.

Vom "bösen Holländer Michel" und dem guten Glasmännlein

Diese Ideologie saß tief im Herzen mancher Schwaben, und möglicherweise sitzt sie immer noch dort. Wann immer ich zugab, im Vertrieb eines Wirtschaftsunternehmens tätig zu sein, traten Zeichen der Ablehnung auf. Erst später erklärte mir jemand, dass sich der Schwabe im Herzen immer mit dem braven Glasmännlein identifiziert, das nichts als Gutes tut. Wer in der „Wirtschaft tätig“ war, galt hingegen als Verkörperung des „Holländer Michels“, der dem armen Glasmännlein die Butter vom Brot nehmen wollte. Oder gleich das Herz rauben.

Das alles ist schon lange her. Doch ich habe damals gelernt, dass ich Extremisten nicht trauen durfte. Nicht den extremen Eiferern unter den Katholiken, nicht den Evangelikalen, nicht den Sozialisten, Marxisten und Kommunisten, nicht den „neuen Rechtsparteien“ und auch nicht den anderen Extremisten, die glaubten, mit einer einzigen Idee die Welt retten zu können.

Und bis heute traue ich den Extremisten nicht, auch wenn sie inzwischen „Kreide gefressen“ haben und sich angeblich für Friede, Freiheit und Wohlgefallen einsetzen.

Parolen änder sich - Extremisten bleiben, was sie sind

Dieser Tage sehe ich sie häufig – die Menschen, die eine Parole vor sich hertragen. Sie dürfen das, denn sie leben derzeit in einem liberalen Staat, der ihnen dies ermöglicht. Aber das heißt nicht, dass wir ihnen folgen sollten, denn die Parolen ändern sich – aber der Ungeist des Extremismus bleibt.

Schulen für das 21. Jahrhundert?

Der Name Rudolf Steiner wäre mir wohl nie bekannt geworden, wenn ich nicht jahrelang in Baden-Württemberg gelebt hätte. Das Land ist voller „alternativer“ Wahrheiten, Ideologien, Psycho-Sekten, sonstigem Sektierertum und anderen Erfahrungen, die mit der „Wissenschaft“ nichts zu tun haben.

Doch in gewissen Gegenden Württembergs kommt man weder an den Pietisten noch an den „Anthroposophen“ vorbei.

Die Anthroposophen betreiben unter anderem Schulen, die sie „Freie Waldorfschulen“ nennen. Sie entsandten aus der Idee, für die Kinder der Arbeiter(innen) der Waldorf-Astoria Zigarettenfabrik eine besondere Schule zu schaffen. Im Grunde eine ausgezeichnete Idee, zumal Steiner die Werte der Französischen Revolution einbrachte: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Das Übersinnliche in der Schule - ziemlich überflüssig

Zugleich wurden allerdings auch allerlei sogenannte „übersinnliche“ Elemente in die anthroposophische Lehre eingebracht. Dabei ging es den Anhängern Steiners kaum anders als den Anhängern C.G. Jungs: Die Wissenschaft geriet immer mehr in den Hintergrund, die Esoterik deutlicher in den Vordergrund.

Im Laufe der Jahre lernte ich im Schwabenland und in Baden junge Menschen kennen, die Naturwissenschaftler wurden, obwohl sie durch Waldorfschulen gegangen waren. Ja, es waren sogar einige IT-Mitarbeiter dabei. Das wieder wertete ich als Beweis für die These, dass Menschen wegen, trotz oder unabhängig von der Ausbildung das wurden, was sie wirklich wollten. Und eben auch, dass der Einfluss der Schule sich schneller in Luft auflöste, als den Lehrern und Lehrerinnen lieb sein konnte.

Mehr Privatschulen - an sich keine schlechte Idee

In einer anderen Debatte wurde mir kürzlich bewusst, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die Privatschulen von vorn herein ablehnen. Da ist zu kurz gedacht: Das öffentliche Schulsystem ist in Deutschland nicht mehr in der Lage, die Bildung zu vermitteln, die im 21. Jahrhundert gebraucht wird. Insbesondere sensible junge Menschen und solche mit Begabungen, die dem Lehrplan der Schulen nicht entsprechen, werden hier vernachlässigt. Zudem wird offenbar nicht mehr „wirklich gelehrt“. Sucht man nach Gründen, wird ständig der „Schwarze Peter“ hin- und hergeschoben, aber nichts an den Grundlagen verändert. Heißt: Man sucht „Schuldige“, bemüht sich aber nicht um „Lösungen“.

Also werden wir in Zukunft immer mehr Privatschulen benötigen - solche mit musischen Anspruch, aber auch solche mit dem Schwerpunkt „Naturwissenschaften“. Dies wieder wirft viel Licht auf Ideologien und religiöse Inhalte, die von manchen dieser Schulen vertreten werden.

Deutschland hat Schulen - aber vermitteln sie auch Bildung?

Manchen wir uns klar: Deutschland hat wenig Rohstoffe und immer weniger Industriebetriebe, in denen „einfache Arbeiten“ angeboten werden. Solche ein Land braucht Menschen, die ihre höchstmöglichen geistigen Begabungen entwickeln können. Das könnten und müssten alle Schulen leisten, aber sie tun es nicht alle - was inzwischen offenkundig ist. Und nein, ich habe die Lösungen nicht. Gefragt sind diejenigen, die zuständig sind.

Was ich sagen kann: Weniger Ideologie und mehr Hinwendung zum 21. Jahrhundert und seinen Herausforderungen - das wäre mal ein Anfang.

Tendenziell gottlos?

Die neue Kirche, so lese ich, sei tendenziell gottlos. Das könnte ja stimmen – aber nur dann, wenn man sich anmaßt, Gott selbst zu kennen. Ich lese weiter, auch die neue Ethik sei gottlos, und wenn ich genau hinsehe, dann ist es die moderne Psychologie auch.

Eigentlich geht mich das Ganze nichts an: Ich bin kein Katholik. Und als solcher bin ich nicht an Dogmen gebunden. Und doch befremdet mich, wie selbstherrlich die Katholische Kirche (wieder einmal) daherkommt.

Am Beispiel der Ethik: Sie wird von Menschen gelebt. Übrigens ebenso wie die Psyche, die auch den Menschen gehört. Wir, also die Menschen, schaffen die Regeln für die Ethik, in der wir leben wollen und können. Und zwar erstaunlicherweise Humanisten, Buddhisten, Hindus, Juden und eben auch Christen. Niemand spricht den Katholiken das Recht ab, nach eigenen Ethikregeln zu leben Aber ich erinnere daran, dass die Religion, der auch Christen anhängen, ursprünglich aus dem Orient kommt. Das gesamte „Alte Testament“ spiegelt den vorderen Orient uns seine Maßstäbe wider. Dann kamen die Wanderprediger, dann ihre Verkünder („Apostel“) und erst am Ende dieser Kette stand die „Katholische Kirche“.

Was also soll die Diskussion um den „richtigen Weg?“ Er würde ja bedeuten, dass es jemanden gibt, der weiß, welcher Weg richtig ist. Gerade Letzteres wird bezweifelt. Es sind immer Menschen, die sich anmaßen, den richtigen Weg zu kennen, und sie schieben ihre jeweilige Auffassung wie ein Schutzschild vor sich her.

Wer wollte diesen Menschen noch folgen?

Selbsttäuschung

Was haben manche Gurus gemeinsam mit Finanzberatern, Ratgeberautoren, Sektengründern und sogar Betrügern?

Die Antwort ist ernüchternd:

Sie täuschen sich in sich selbst, indem sie andere täuschen. Und der Erfolg, andere zu täuschen, verstärkt ihre Selbsttäuschung.

Die meisten (sicher nicht alle) wollen zu Anfang gute Menschen sein. Sie glaubten an die Prinzipien, die sie irgendwo aufgegriffen haben. Sie wollten das Beste geben, was sie hatten, und wussten doch, dass die Sache einen Haken hat.

Denn das, was sie rieten oder taten, funktionierte entweder nur für kurze Zeit oder bei sehr wenigen Menschen. Nach einiger Zeit ahnten oder wussten sie, was sie mit ihrem Rat anrichten würden. Aber sie blieben dabei. Sie wollten um jeden Preis gute Menschen bleiben, die nur immer das Beste gegeben haben.

Die System wackeln - und die Grundlagen sind oft windig

Geld, Macht und Erfolg sind die Angebote, manchmal auch Glück und Liebe. Beim Geld wird am deutlichsten, dass die Konzepte wacklig, windig oder gar kriminell sind. Und dennoch werden immer wieder „verdeckte Schneeballsysteme“ angeboten und weitergetragen.

Beim Erfolg ist es ähnlich – aber die Verluste sind nicht so hoch. Wer Erfolgskonzepte verkauft, sieht sich oftmals als „Retter der Loser“. Das ist nicht schwer zu verstehen, denn die Schöpfer solcher Systeme fühlen sich als Verkünder geheimer Lehren, ähnlich wie Esoteriker und Religionsfanatiker. Sie müssen daran glauben, dass ihre Lehren funktionieren, denn sie haben nichts in der Hand, was dies belegen könnte.

Wie falsche Beweise konstruiert werden

All dies Leute werden dir jetzt sagen: „Oh doch, ich habe Beweise dafür….“ Sie werden die ein paar Namen nennen, und sie lügen dabei nicht einmal, sondern verfallen der Täuschung, die sie selber inszeniert haben. Ja, Herr X. oder Frau Y. konnten nach dem Buch, das man ihm/ihr sandte oder dem Kursus, den er/sie besuchte, einen Erfolg vorweisen. Nur ist keinesfalls sicher, auf dies auf die Methode zurückzuführen war, trotz der Methode wirkte oder ganz andere Ursachen hatte.

Bewiesen ist eigentlich nur: Wer sich bewusst ist, ein bestimmtes Problem zu haben, und sich sinnvoll damit beschäftigt, hat mehr Chancen, es auch zu lösen als jemand, der nichts daran tut.

Lösungen kommen von innen

Was wir oft vergessen, ist dies: Lösungen für Probleme kommen nicht von außen, sondern von innen. Und das auch nur, wenn man die eine oder andere Werkzeugkiste öffnet, die zu Lösungen führt.

Die Gurus und all die anderen, Pfarrer wie Lebensberater, wissen dies natürlich auch. Aber sie würden sich selbst und ihren „Überbau“ infrage stellen, wenn sie es zugeben würden. Und Selbsttäuschung ist das beste Mittel, um mit sich im Einklang zu bleiben.

Ich las einen Artikel der BBC von David Robson. Er enthält zahllose Facetten zur Selbsttäuschung und bietet wesentliche tiefere Einsichten.

Warum du in Wahrheit auf dich selbst angewiesen bist

Können in unsere Welt zwei Auflassungen zugleich richtig sein? Nein, sagen die Dogmatiker, die Kleriker und manche Wissenschaftler, wenn es ans „Eingemachte“ geht. Der Kern jeder Ideologie, auch wenn sie als „Religion“ oder „Wissenschaft“ markiert wird, scheint in Beton gegossen zu sein.

Die „ewigen“ Werte funktionieren nicht

Wir wissen, dass dies nicht uneingeschränkt funktioniert. Wir erleben es jeden Tag, gleich, ob wir uns Humanisten, Christen oder Sozialisten sind. Verharren wir im „Glauben“ an die ewigen Dogmen, dann ist es wahrscheinlich, zu scheitern. Also haben wir während unserer Entwicklung ein kleines oder auch größeres Netzwerk von Schlupflöchern entwickelt. Und ein Teil entstammt wahrhaftig der Natur, in deren System wir weiterhin eingebunden sind, solange es Menschen gibt.

Nur keine Natur – das Dilemma der „Geistesmenschen“

An dieser Stelle beginnen Dogmatiker, Ideologen und Kulturpäpste zu frösteln: „Die Natur? Die haben wir als Geistesmenschen doch längst überwunden?“ Nein, das haben wir nicht, denn wir können die Natur nicht überwinden, weil sie nach wie vor ein Teil von uns ist. Aber genau das wird von vielen sogenannten „Geisteswissenschaftlern“ bezweifelt. Nach ihrer Auffassung dürfen wir uns als fast alles deklarieren – außer, dass wir das Wesen der Natur in uns tragen. Das hat einen verborgenen Grund: Die Natur lehrt uns, dass wir uns situativ unterschiedlich verhalten müssen, um zu überleben.

Die „Psyche“ ist eine Verpackung mit Etikett

Die vielen Interpretationen der menschlichen Psyche, die uns ständig in neuen Verpackungen aufgetischt werden, sind in Wahrheit Konstruktionen, die aus Beobachtungen zusammengestellt wurden. Sie können selbstverständlich „richtig“ sein, solange wir die gleiche Sichtweise wie die Autoren haben. Nehmen wir mal Sigmund Freud. Nach ihm werden Erwachsene neurotisch, weil sie als Kind etwas erlebt haben, womit sie psychisch überfordert waren. Was Freud nicht sagt: Wie kann es sein, dass Erwachsen nicht neurotisch werden, die als Kind Ähnliches erlebt haben? Allein dieser Satz gilt unter Freudianern als Blasphemie.

Es ist nur ein Beispiel – wirklich. Alle psychologischen „Erkenntnisse“ haben einen gewissen Wahrheitsgehalt und zugleich einen Graubereich. Das Problem ist das Gleiche wie in der Religion: Die Dogmen gelten nicht für alle Zeiten, und sie können nicht das gesamte menschliche Handeln erklären.

Und was bedeutet das für DICH?

Letztlich heißt dies für dich:

1. Nimm nicht an, dass etwas richtig ist. Alles kann richtig oder falsch sie und ist abhängig von der Situation, in der du lebst und vom Ziel, dass du erreichen willst.
2. Setze deine Erfahrung und dein Selbstvertrauen ein, wann immer es dir möglich ist. Die meisten Menschen lernen anhand von Erfahrungen, was gut oder schlecht für sie ist.
3. Überprüfe jeden Rat und jede Theorie, die man dir übermittelt, auch wenn sie von einem „Fachmann“ (einer „Fachfrau“) kommt. Sollte der Rat falsch sein, zieht sich der Ratgeber schnell aus der Affäre. Du aber musst mit dem Ergebnis leben.

Da draußen wartet die Realität auf dich, und du weißt nie, was als Nächstes passiert. Also brauchst du Erfahrungen, wie du mit der jeweils nächsten Situation umgehen kannst.

Erinnerst du dich an die Eingangsfrage?

Sie lautete: „Können in unserer Welt zwei Auffassungen zugleich richtig sein?“

Ja, das können sie. Aber welchen Weg du gehen willst – das kannst nur du entscheiden.