Skip to content
Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Männer müssen sich ändern – warum eigentlich?

Aus allen Ecken tönt mir entgegen: Männer müssen sich ändern. Nicht nur aus den Kreisen der üblichen Verdächtigen, seien es nun Gender-Protagonisten (und -innen), sozialistische Fanatiker oder Extremfeministinnen.

Nur der totalitäre Staat kann Menschen zwingen, sich zu ändern

Kaum jemand bemerkt, dass sich Gruppen nicht bewegen lassen wir Marionetten – es sei denn im totalitären Staat.

Wollen wir das eigentlich? Können es Frauen wollen? Niemand glaubt, dass alle Frauen in der liberalen Gesellschaft gleichgeschaltet sind. Also sind es die Männer? Diejenigen, bei denen es nötig wäre, nun den Schalter umzulegen? Ich vergaß „Diverse“ – wer aus der LGBTQ*-Gemeinschaft glaubt ernsthaft, dass alle Mitglieder „über einen Kamm geschoren werden wollen“?

Leben mit Widersprüchen ist eher die Regel als die Ausnahme

In der heutigen Zeit sind wir alle, also Frauen, Männer, Diverse und auch alle anders Definierten, wechselnden, teils widersprüchlichen Strömungen ausgesetzt. Das ist ein Teil des Zeitgeistes, der für die meisten unvermeidlich ist. Denn wer am „wirklichen“ Leben teilhaben will, trifft auf alle Extreme und alles, was zwischen diesen Extremen liegt. Und er, sie oder wer-auch-immer wird lernen, darauf angemessen zu reagieren – oder das eigene Versagen in Kauf zu nehmen. Nur sehr wenige Angehörigen der genannten Gruppen können sich leisten, sich über alles hinwegzusetzen.

Das alle sind Fakten. Das alle ist Leben.

Ja, Männer müssen sich gegebenenfalls ändern. Und Frauen. Und Diverse. Und Contentschreiber wie auch Gas- und Wasserinstallateure (m/f/d). Anpassung ist ein immerwährender Prozess.

Alles viral – oder Fliegen können nicht irren

Hauptsache, du machst genügend Lärm ...
Wer populär werden will, kann lange darauf hoffen, „entdeckt“ zu werden. Und fast jede(r) lernt früher oder später: Träume weiter, Cinderella, aber so wird das nichts. Manchmal „helfen“ die normalen Medien nach: Du giltst als „irgendwie kompetent“ (Philosoph klingt gut, Professor wirkt besser). Aber bis du zur „Talkshow“ eingeladen wirst, musst du schon etliche Hürden genommen haben.

Ja, das kennen wir seit Jahren. Und nichts gegen die Leute, die es tun. Eher schon gegen die Lobhudler, die sich von akademischen Titeln und populistischen Themen blenden lassen.

Soweit die Vergangenheit und die „ältere“ Gegenwart.

Ohne Tricks geht nix - Zaubermittel soziale Medien

Kommen wir mal zurück zu Cinderella. Ohne Tricks geht nix, und wer kein Buch schreiben kann, sieht vielleicht wenigstens gut aus. Oder er/sie kennt ein Zaubermittel, das den Namen und das besondere Talent rasant verbreitet.

Wir alle kennen es: Es sind die sozialen Medien. Du musst etwas herausschreien, und ein paar Leute dazu verleiten, dich dabei zu unterstützen. Es kann etwas „echt Soziales“ sein, ein wahrhaftiges Anliegen oder eine kühne Behauptung.

Wenn du es geschafft hast, dann ist dein Anliegen, dein edler Gedanke oder dein Gehirnfurz „viral“ geworden. Das heißt, dein Name oder dein Anliegen verbreitet sich so schnell wie ein Virus – und möglicherweise füllt sich auch noch deine Kasse dabei. Kein schlechter Nebeneffekt, nicht wahr?

Ja, und nun? Auch das alte Imperium, die Boulevardpresse, die Frauenzeitschriften, die „Privatsender“ und sogar die öffentlich-rechtlichen Sender sind ja nicht weg. Sie gibt es noch – und also greifen sie auf, was sie in den sozialen Medien finden. Und dadurch hören dann auch noch Leute über 50 davon. „Es stand doch in der Zeitung“ höre ich dann oft oder „das kam doch auch im Fernsehen“.

Ja … einstmals gab es einen Spruch, der nicht wahr ist und dennoch das widerspiegelt, was da geschieht:

Esst Sch… - Millionen Fliegen können nicht irren.

Und Millionen Menschen in sozialen Netzwerken können sich auch nicht irren, nicht wahr? Ob etwas stimmt oder nicht – Hauptsache, es geht „viral“ durch die ganze Welt, auch wenn die Inhalte zum Himmel stinken.

Ach, übrigens: Wusstet ihr, was ein „Bird Test“ ist? Der ging neulich auch angeblich viral.

Foto: Sehpferd Archiv © 2023

Das Sagbare

Sagbar soll sein, was einen Wert hervorbringt, also was erwähnenswert ist oder ganz einfach wichtig zu wissen ist. Ein möglicher anderer Ausdruck dafür wäre „erklärbar“. Etwas, das sich mit Worten erfassen lässt, das ist „sagbar“.

Dummerweise ist das Wort in die Gosse gefallen, dort, wo man alles für „sagbar“ hält, was inzwischen völlig wertlos ist. Die Literatur ist auch nicht besser – sie sollte wissen, was sagbar ist und nicht vom hohen Ross herunter nach Fremdwörtern suchen, um dies zu sagen: Es gibt nichts Unsagbares.

Das Sagbare, das Unsagbare und das Unsägliche

Wir verlassen jetzt den hyperintellektuellen Teil unseres Landes und wenden uns den Graswurzeln zu. Dort wird das Sagbare vom Unsagbaren abgesondert wie das Eiweiß von dem Dotter. Sagbar ist demnach, was jemand mit eigenen Worten beschreiben kann, also möglichst etwas, wovon er etwas versteht. Um es noch zu erwähnen: Manchmal sagt jemand etwas unter erröten oder sonst wie schamhaft, weil das Sagbare für ihn unsäglich ist.

Das Unsagbare hingegen ist fast bedeutungsgleich mit dem Unsäglichen, dem Ungeheuerlichen oder dem „Fremden“. Es gibt einige angeblich bedeutungsgleiche Wörter für „unsäglich“, aber die meisten weisen darauf hin, dass diese Wörter etwas ausdrücken sollen, was sich nicht ausdrücken lässt. Beispiele wären „entsetzlich“, „unbeschreiblich“ oder „ungeheuerlich“.

Gute Beispiele?

Wer gute Beispiele für die Anwendung von „unsagbar“ oder „unsäglich“ sucht, findet sie fast ausschließlich in alten Lexika, so wie hier:

Das träge Leben des Mannes wechselt mit den größten Strapazen: Er durchzieht die Wüste unter den unsäglichsten Entbehrungen Hunderte von Meilen weit und erträgt Hunger, Durst und die Sonnenglut mit stetem Gleichmut.

Oder:

Der unsagbare Mystizismus der Atmosphäre eines Ankleidezimmers.

Was zu sagen bleibt

Die unsägliche Mühe, die ich mir auferlegte, um das Sagbare und das Unsagbare zu erklären – hat sie sich gelohnt?

Das, liebe Leserinnen und Leser, überlasse ich nun ganz euch.

Quellen: Grimms Lexikon, Retrolib und weitere Quellen.

Themenstaubsauger und Themengebläse

Jeden Morgen geht die Sonne auf „in des Blätterwalds“ wundersamer Runde. Das Themengebläse wird angeworfen, und etwas wird wichtig. Was da aufgewirbelt wird, ist fast gleichgültig. Man sah eine Riesenstaubwolke, die nach drei Tagen wieder zerfiel, nicht mehr. Ist sie aus dem Blick der Redakteure verschwunden, ebbt das Interesse schnell ab. Ach so? Ja, darüber hatten wir berichtet – auf gehts zum nächsten Thema. Irgendein Hirsch hebt immer mal wieder sein mächtiges Geweih und röhrt, dass die Nadeln zittern.

Der Schlamm bleibt

Soweit, so gut. Falls es regnet, gibt es immer noch die zu Schlamm verkommenden Staubwolken der Politik: offene Fragen. Migration. Klima. Fachkräftemangel. Und natürlich, ob eine Partei nur konservativ oder schon rückwärtsgewandt ist (ja, die eine). Oder nur antikapitalistisch oder schon kommunistisch ist (die andere).

Und da lacht mich ein Kommentar von Alexander Kissler in der NZZ vom 23.10.2023 an, der sich mit dem „Bündnis Wagenknecht“ beschäftigt. Ein einziger Satz macht klar, was Sache ist:

Das «Bündnis Wagenknecht» ist bisher nur ein Themenstaubsauger für Unzufriedene ....

Nur: Ist das so neu? Haben nicht schon viele versucht, sich als „Staubsauger der Nation“ anzubieten?

Was, wenn der Staubsaugerbeutel platzt?

Ist doch ganz einfach: Man saugt alles weg. Und wenn es weg ist, ist es nicht mehr da. Ist ja ganz einfach. Nur blöd, wenn der Staubsaugerbeutel früher oder später platzt. Und die Staubwolke, die es dann gibt … ich mag nicht einmal daran denken. Aber ich huste jetzt schon.

Hinweis: In den Text wurde das Volkslied "Jeden Morgen geht die Sonne auf" mit dem Text von Hermann Claudius zitiert und auf den "Blätterwald" abgewandelt.

Diskussionskultur und die Grenzen des freien Worts

Ich lege nicht alles auf die Goldwaage, was auf einer Buchmesse gesagt wird. Und doch fiel mir ein Satz auf, den ich zunächst nur als Zwischenüberschrift kannte (das Original zitiere ich am Schluss):

Auch das freie Wort hat dort eine Grenze, wo es in einem Kontext Dinge relativiert.

Gesagt hat es offensichtlich der hessische Antisemitismusbeauftragte Uwe Becker – nach Vorfällen, die ich hier gar nicht erwähnen möchte. Es geht mir um das „freie Wort“ und sonst gar nichts, denn der Satz selber hatte es mir angetan.

Aus dem „bildungssprachlichen Rahmen“ herausgehoben, würde man etwa sagen:

„Das freie Wort hat eine Grenze, wenn es in einem Zusammenhang Meinungen oder Tatsachen in einem anderen Licht erscheinen lässt.“

Und damit bin ich bei meinem Thema - der Diskussionskultur.

Das freie Wort und die Veränderung der Sichtweise

Wenn das freie Wort nicht mehr gestattet ist, sobald dessen Inhalt etwas in „einem veränderten Licht“ erscheinen lässt – wozu sind dann Diskussionen noch nütze?

Jeder wird aus seinem Alltag wissen, dass es gerade die „Betrachtung in einem anderen Licht“ ist, die zu neuen, teils grundlegenden (und sehr positiven) Veränderungen geführt hat.

Relativieren heißt nicht wirklich, "den Wert herabsetzen"

Ich weiß natürlich, dass „relativieren“ in der Bildungssprache mehrere Bedeutungen hat. Denn es wird (leider) auch mit „in seinem Wert einschränken“ ins Deutsche übersetzt. Aber wann immer wir etwas „relativieren“ mussten, haben wir sie ja nichts „im Wert eingeschränkt“, sondern versucht, etwas in einem „anderen Licht darzustellen“.

Das lange Zitat, der Vollständigkeit halber

Was noch fehlt? Das verkürzte Zitat wurde schnell von Hand zu Hand und Feder zu Feder weitergegeben. Es fehlt also noch die Langversion (Zitat):

„Auch das freie Wort hat dort eine Grenze, wo es in einem Kontext Dinge relativiert, verharmlost und gleichsetzt, wo man sie nicht gleichsetzen kann“.

Es ging übrigens nicht um Dinge, sondern um Menschen, Meinungen und Ansichten.

Quelle (unter vielen) Börsenblatt.