„Manipulation“ steht zu Unrecht unter dem Verdacht, zum Teuflischen im Menschen zu gehören. Letztlich bedeutet das Wort nichts als
andere zu Beeinflussen. Gemeint ist aber oft etwas anderes: Nämlich
jemanden ohne dessen Wissen gegen seinen Willen zu beeinflussen mit dem Ziel, ihn kontrolliert für eigene Zwecke zu benutzen.
Oh – das kling in der Tat nach einem Elixier des Teufels, nicht wahr? Das wird die Selbstsucht und Böswilligkeit herausgestellt und der Gestank von Schwefel steigt auf.
Manipulation - ein Kunstgriff und nicht mehr
Die eigentliche Bedeutung des Wortes ist der „Kunstgriff“, später auch als „Kniff“ (Trick, Maßnahme) von Geschäftsleuten definiert, um Kunden zu beeinflussen. Dabei wird dem Begriff zunächst kein besonderer Wert beigemessen. Der Unterschied zwischen Manipulation und Beeinflussung wird später oft mühsam erläutert – und am Ende kommt doch nur heraus, dass Gleiches gemeint ist:
Jemanden in seiner Meinung oder seinen Gefühlen zu beeinflussen.
Die verwirrende Welt der Lexika
Die Psychologie versucht zunächst, den Begriff neutral zu erklären. So lesen wir im
„Dorsch“:
Manipulation. Handhabung, unscharfer Begriff für versch. Formen der Einflussnahme (Steuerung, Ausrichtung, Ausnützung).
Ähnlich bei Stangl:
Als Manipulation bezeichnet man in der Psychologie ganz allgemein die soziale Einflussnahme, die für die Betroffenen sowohl positiv wie negativ sein kann.
Eine völlig andere Darstellung finden wir bei der Bundeszentrale für politische Bildung:
Wenn ich will, dass andere Menschen etwas ganz Bestimmtes tun, versuche ich, sie so zu beeinflussen, dass sie nach meinem Willen handeln.
.
Eine weitaus extremere Meinung wird im Lexikon von „Spektrum“ vertreten:
Manipulation - gezielte Einflussnahme … auf Menschen, ohne deren Wissen und häufig gegen deren Willen … mit dem Ziel, ihn kontrolliert für eigene Zwecke zu benutzen. Dabei bleibt der Anschein von Entscheidungsfreiheit erhalten.
Der neutrale Standpunkt: Lehren heißt Beeinflussen
Wenn du eine Lehrkraft bist, ist es für dich vermutlich ganz selbstverständlich, dass du Tag für Tag Menschen beeinflussen kannst. Schließlich ist das zumindest Grund, warum du den Beruf ergriffen hast. Es wäre völlig unsinnig, zu behaupten, dass es sich dabei nicht um einen Versuch der Manipulation handelt. Er wird durch Lehren und Lernen bestimmt, und der Erfolg wird kontrolliert.
Ein wenig Ideologie verfälscht den Begriff der Einflussnahme
Wenn du dies soweit gelesen hast: Behauptet wird, dass emphatische (einfühlende) Menschen nicht manipulieren, weil sie „Gutes tun“. Deren Gegenteil, meist als ekspathisch bezeichnet, gilt als Eigenschaft der Manipulatoren. Dafür werden dann auch gleich die passenden Synonyme entpackt:
Emotionslos und gefühlskalt sollen sie sein.
Es ist an der Zeit, mit diesem Unsinn aufzuhören. Alle Menschen versuchen, sich einen bestimmten sozialen Rang zu erobern, und dazu gehört, Einfluss auf andere zu nehmen. Wer etwas lehren will, sollte dies aus Überzeugung tun, und genau diese Überzeugung ist damit verbunden, erfolgreich zu manipulieren.
Was wirklich zählt, ist der Schutz vor unerwünschter Manipulation
Wir Menschen benötigen zweierlei: Manipulation einerseits und den Schutz vor unerwünschte Manipulation andererseits. Wenn Lust, Liebe, Zuneigung oder Freundschaft in die Waagschale geworfen wird, um etwas ausschließlich Eigennütziges zu erreichen, müssen wir darauf vorbereitet sein.
Um den Zugriff auf unsere Psyche abzuwehren, sollten wir wissen, dass die Empathie anderer auch dazu dienen kann, uns zu verwirren. Und das gilt auch, wenn wir selbst so übertrieben emphatisch reagieren, dass wir andere damit „überfahren“. Das ist ein Grund mehr, Gefühle neutraler zu sehen und nicht in „positiv“ und „negativ“ aufspalten. Oder um es in einem Satz zu sagen:
Wir können nicht „nicht manipulieren“, aber wir können uns gegen
unerwünschte Manipulation schützen.
Bild: Aus einer historischen Illustration.
Zitate:
Meyers (ca. 1890),
Dorsch
Stangl
bpb junge politik.
spektrum der wissenschaft