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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Alles viral – oder Fliegen können nicht irren

Hauptsache, du machst genügend Lärm ...
Wer populär werden will, kann lange darauf hoffen, „entdeckt“ zu werden. Und fast jede(r) lernt früher oder später: Träume weiter, Cinderella, aber so wird das nichts. Manchmal „helfen“ die normalen Medien nach: Du giltst als „irgendwie kompetent“ (Philosoph klingt gut, Professor wirkt besser). Aber bis du zur „Talkshow“ eingeladen wirst, musst du schon etliche Hürden genommen haben.

Ja, das kennen wir seit Jahren. Und nichts gegen die Leute, die es tun. Eher schon gegen die Lobhudler, die sich von akademischen Titeln und populistischen Themen blenden lassen.

Soweit die Vergangenheit und die „ältere“ Gegenwart.

Ohne Tricks geht nix - Zaubermittel soziale Medien

Kommen wir mal zurück zu Cinderella. Ohne Tricks geht nix, und wer kein Buch schreiben kann, sieht vielleicht wenigstens gut aus. Oder er/sie kennt ein Zaubermittel, das den Namen und das besondere Talent rasant verbreitet.

Wir alle kennen es: Es sind die sozialen Medien. Du musst etwas herausschreien, und ein paar Leute dazu verleiten, dich dabei zu unterstützen. Es kann etwas „echt Soziales“ sein, ein wahrhaftiges Anliegen oder eine kühne Behauptung.

Wenn du es geschafft hast, dann ist dein Anliegen, dein edler Gedanke oder dein Gehirnfurz „viral“ geworden. Das heißt, dein Name oder dein Anliegen verbreitet sich so schnell wie ein Virus – und möglicherweise füllt sich auch noch deine Kasse dabei. Kein schlechter Nebeneffekt, nicht wahr?

Ja, und nun? Auch das alte Imperium, die Boulevardpresse, die Frauenzeitschriften, die „Privatsender“ und sogar die öffentlich-rechtlichen Sender sind ja nicht weg. Sie gibt es noch – und also greifen sie auf, was sie in den sozialen Medien finden. Und dadurch hören dann auch noch Leute über 50 davon. „Es stand doch in der Zeitung“ höre ich dann oft oder „das kam doch auch im Fernsehen“.

Ja … einstmals gab es einen Spruch, der nicht wahr ist und dennoch das widerspiegelt, was da geschieht:

Esst Sch… - Millionen Fliegen können nicht irren.

Und Millionen Menschen in sozialen Netzwerken können sich auch nicht irren, nicht wahr? Ob etwas stimmt oder nicht – Hauptsache, es geht „viral“ durch die ganze Welt, auch wenn die Inhalte zum Himmel stinken.

Ach, übrigens: Wusstet ihr, was ein „Bird Test“ ist? Der ging neulich auch angeblich viral.

Foto: Sehpferd Archiv © 2023

Warum hier dann und wann ein Kaninchen schreibt

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Dieses Tier weiß mehr - es ist näher an den Graswurzeln
alls ihr mein kleines, feines und wie ich meine überaus liberales Magazin häufig lest, dann fragt ihr euch vielleicht, was denn hier das Kaninchen tut. Es kommt sehr selten aus seiner Erdhöhle – doch das beantwortet eure Frage nicht, oder?

In der Literatur finden wir das Kaninchen jederzeit wieder. Etwa in „Mein Freund Harvey“ von Mary Chase – ursprünglich als „The White Rabbit“ bekannt. Und ganz selbstverständlich dann, wenn neugierige junge Damen „hinunter ins Kaninchenloch“ hopsen, so wie Alice. Und natürlich wuselt es in „Watership Down“ herum, einem Buch, indem die Kaninchen sozusagen „unter sich“ sind.

Kommen wir also zu meinem schreibenden Kaninchen. Niemand erwartet, dass ein solches Tier perfekt ist. Es muss ja, anders als wir klugen Menschen, die Dinge erst einmal erschnuppern. Die meisten Kaninchen sind etwas ängstlich und ständig zur Flucht bereit – das ist der Hauptgrund für die Tatsache, dass sie wirklich äußerst selten Schriftsteller werden.

Fassen wir das alles zusammen, dann müsste jedem klar werden, dass wir mehr auf Kaninchen hören müssten, weil sie die Nase näher an den Graswurzeln haben.

Und deshalb – ja wirklich, nur deshalb taucht hier ab und an das Kaninchen auf.

Das Sagbare

Sagbar soll sein, was einen Wert hervorbringt, also was erwähnenswert ist oder ganz einfach wichtig zu wissen ist. Ein möglicher anderer Ausdruck dafür wäre „erklärbar“. Etwas, das sich mit Worten erfassen lässt, das ist „sagbar“.

Dummerweise ist das Wort in die Gosse gefallen, dort, wo man alles für „sagbar“ hält, was inzwischen völlig wertlos ist. Die Literatur ist auch nicht besser – sie sollte wissen, was sagbar ist und nicht vom hohen Ross herunter nach Fremdwörtern suchen, um dies zu sagen: Es gibt nichts Unsagbares.

Das Sagbare, das Unsagbare und das Unsägliche

Wir verlassen jetzt den hyperintellektuellen Teil unseres Landes und wenden uns den Graswurzeln zu. Dort wird das Sagbare vom Unsagbaren abgesondert wie das Eiweiß von dem Dotter. Sagbar ist demnach, was jemand mit eigenen Worten beschreiben kann, also möglichst etwas, wovon er etwas versteht. Um es noch zu erwähnen: Manchmal sagt jemand etwas unter erröten oder sonst wie schamhaft, weil das Sagbare für ihn unsäglich ist.

Das Unsagbare hingegen ist fast bedeutungsgleich mit dem Unsäglichen, dem Ungeheuerlichen oder dem „Fremden“. Es gibt einige angeblich bedeutungsgleiche Wörter für „unsäglich“, aber die meisten weisen darauf hin, dass diese Wörter etwas ausdrücken sollen, was sich nicht ausdrücken lässt. Beispiele wären „entsetzlich“, „unbeschreiblich“ oder „ungeheuerlich“.

Gute Beispiele?

Wer gute Beispiele für die Anwendung von „unsagbar“ oder „unsäglich“ sucht, findet sie fast ausschließlich in alten Lexika, so wie hier:

Das träge Leben des Mannes wechselt mit den größten Strapazen: Er durchzieht die Wüste unter den unsäglichsten Entbehrungen Hunderte von Meilen weit und erträgt Hunger, Durst und die Sonnenglut mit stetem Gleichmut.

Oder:

Der unsagbare Mystizismus der Atmosphäre eines Ankleidezimmers.

Was zu sagen bleibt

Die unsägliche Mühe, die ich mir auferlegte, um das Sagbare und das Unsagbare zu erklären – hat sie sich gelohnt?

Das, liebe Leserinnen und Leser, überlasse ich nun ganz euch.

Quellen: Grimms Lexikon, Retrolib und weitere Quellen.