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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Irrtümer in der Psychoanalyse?

Kürzlich wurde ich gefragt, welche Erkenntnisse von Sigmund Freud falsch waren. Dabei stellt sich die Grundfrage, ob Freuds Theorien überhaupt etwas mit einer soliden Wissenschaft zu tun haben. Was letztlich heißt: Wir müssen all diese Erkenntnisse hinterfragen, und nicht nur, ob sie „richtig“ oder „falsch“ sind, sondern vor allem, welche Bedeutung sie haben. Denn wenngleich Sigmund Freud für einen Teil der Bevölkerung eine Art Halbgott ist, für Psychotherapeuten vielleicht gar die Grundlage einer Erklärung des Seins – dann ist seine Theorie dennoch nur ein Entwurf, und er darf selbstverständlich hinterfragt werden.

Der Knackpunkt vieler Theorien dieser und ähnlicher Art ist: „Kann ein einzelnes Ereignis während der Kindheit wirklich psychische Schäden auslösen, die mit Eigenmitteln (Selbstheilung, Kommunikation, gute soziale Kontakte) nicht mehr beseitigt werden können, sondern nur noch dadurch, dass sie (oft mühsam) wiederbelebt werden?“

Dabei stellen wir fest, dass die Psychotherapie das Pferd stets vom Schwanz aufzäumt. Hat ein Psychotherapeut festgestellt, dass die von Freud gefundene Methode hilft, dann glaubt er zu wissen, dass es dieses einzigartige Ereignis wirklich gibt und dass es die Ursache für die Störung ist.

Jeder logisch denkende Mensch würde sagen: Im Grunde müssten wir wissen, wie viele Menschen ähnliche Erlebnisse hatten und wie viel diese nicht selbst wieder tilgen konnten. Aber das wissen wir schon deshalb nicht, weil Menschen, die sich selbst wissend oder unwissend geholfen haben, nicht zu Therapeuten gehen.

Sigmund Freud – seine drei ICH-Brüder im Konflikt

Mancher hat auf der Schule etwas von Sigmund Freud gehört. Zeitströmung, Wahrheiten und Mythen wurden und werden dabei oftmals zu einem schier unauflösbaren Puzzle verwoben.

Dieser Artikel soll die Verdienste Freuds nicht schmälern, sondern aufklären, warum psychologische Modelle sinnvoll sein können oder eben auch nicht.

Freuds ICH-Theorien - kaum exakte Daten, aber viele Vorstellungen

Freuds Problem ist leicht zu analysieren: Über die Vorgänge im Fühlen und Denken der Menschen weiß man nichts wirklich Exaktes. Aus Beobachtungen geht jedoch seit Jahrhunderten eindeutig hervor, dass wie uns selbst als Individuum wahrnehmen können – man sagt deshalb heute auch, wir könnten unser „Selbst“ erkennen. In der englischen Ausgabe von Wikipedia finden wir die Komponenten des „Selbst“, in der deutschen Ausgabe fehlen sie. Das ICH, ein Teil des heutigen Selbst, nannte die Philosophen auch das EGO.

Was hat Freud nun getan? Auch er wusste nichts Exaktes, also nichts, was sich messen, wägen und zuverlässig bewerten ließ. Er beobachtete aber, wie das ICH (das EGO) von offenbar schlecht kontrollierbaren Gefühlen durchzogen wurde, und er nannte die Beeinflusser das „ES“ und das „Über-ICH“. Man kann sehr vereinfacht sagen, dass ein „ES“ derjenige Anteil ist ist, der sehr mit den Naturtrieben beeinflusst wird, während ein Über-Ich der Teil ist, der uns zur Ordnung ruft oder sonst wie „einordnet“. Bleibt das ICH, das durch bewusstes Denken beeinflusst wird.

Es dürfte klar sein, dass es solche isolierten „Instanzen“ nicht gibt, sondern dass Geist, Körper und Emotionen (und nicht zu vergessen die körpereigene Chemie) aus allen Komponenten des Seins ihr eigenes Süppchen kochen. Insofern ist das freudsche Modell für das Verständnis des Menschseins ziemlich untauglich.

Eric Berne fand eine Anwendungsmöglichkeit, die bis heute Bestand hat

Nun aber geschah etwas Erstaunliches: Das an sich unbrauchbare Bild der „ICH-Instanzen“ wurde von einem anderen Psychiater, Eric Berne, in ein tragfähiges, praktisch anwendbares Konzept gewandelt, das seither unter dem wissenschaftlichen Namen „Transaktionsanalyse“ weiterentwicklet wurde. Aus ihr gingen auch sehr einfache und verständliche Ansätze der Kommunikationstheorie hervor. Denn wenn man die Begriffe ohne Ehrfurcht und ohne Fremdwörter benutzt, wird schnell klar, wo das Potenzial dieser Methoden liegt.

Ein Beispiel sinnvoller Begriffe (nach Berne) :

Exteropsyche - Eltern-ICH (P)
Neopsyche – Erwachsenen-ICH (A)
Archeopsyche – Kindheits-ICH (CH)


Mit diesen Begriffen kann man relativ einfach lehren, aus welchem ICH-Zustand eine Person spricht und wie man darauf angemessen reagiert.

Auf diese Weise wird der Konflikt der ICH-Brüder im täglichen Leben abgebildet und er kann auch aufgelöst werden.

Und alles ist dennoch nur ein Modell

Trotz alledem beruhen diese Instanzen auch nur auf Modellen. Berne fand eine praktische Anwendung des freudschen Modells, indem er es entmystifizierte. Wie das Dreigestirn der ICHs wirklich funktioniert und ob noch andere Instanzen wirksam sind, kann dadurch jedoch nicht bewiesen werden.