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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Der Konsens, die Kommunikation und das "Ja" zum Sex

Schwafeln über Frauen und Männer? Besserwisserei aus holden Kaffeekränzchen oder bierseligen Stammtischen? Belehrungen aus den Elfenbeintürmen? Wie ist es eigentlich wirklich mit dem „Ja zum Sex“?

Ein Artikel zum Thema „Sexualpädagogik“ erhellt, was wirklich fehlt: der Konsens. Und der muss ausgehandelt werden. Allein dies fällt Schweizern und Deutschen offenbar schwer. Ich höre schon die Empörung: „Die Moral (Ethik oder wie ihr es sonst nennt) steht doch fest, daran gibt es doch nichts zu verhandeln.“

Wer das sagt, lebt hinter dem Mond. Denn die „ehernen Regeln“ von damals gelten längst nicht mehr. Erst, wenn etwas ausgehandelt wurde, gilt es für beide (oder alle) Personen, die an etwas beteiligt sind.

Woran es fehlt, ist also die Fähigkeit, einen Konsens herzustellen. Man kann auch sagen: „Die Einsicht in den Sinn, eine Übereinstimmung zu finden“.

Ich zitiere dazu mal die Aussage einer Fachfrau (1):

Wenn du Konsens im Alltag umsetzen kannst, kannst du es eher in der Sexualität. Und darum musst du von dem Moment an, wo du anderen Menschen begegnest, Konsens lernen.

Das wird manchem Zeitgenossen schlecht über die Zunge gehen – obwohl es bereits täglich geschieht. Das Merkwürdige daran ist: Von „Konsens“ ist oft ausschließlich die Rede im Zusammenhang mit Sexualität. Dann geht es um das „Nein“, das „Ja“ oder die Kommunikation vor dem Sex schlechthin.

Mangel an Kenntnissen über Kommunikation schadet uns allen

Da sowieso kaum jemand weiß, was Kommunikation bedeutet, wird versucht, die Übereinkunft zu problematisieren: Das „Ja“ zum Sex muss irgendwo hinterlegt werden, der Sex muss also „verwaltet“ werden. Sodann muss jeder Einzelschritt bei komplexeren Sex-Ritualen mindestens verbal bestätigt werden. All dies stammt von Menschen, denen der Realitätsbezug abhandengekommen ist. Ein Begriff wie „Nur-Ja-heißt-Ja“ ist eine viel zu hölzerne Formulierung, wenn es um Emotionen geht. Allein durch diese formelhafte Ausdrucksweise wird verschleiert, dass „Konsens durch Kommunikation“ nicht bedeute „Ja“ zu sagen, sondern vor allem, damit auch „Ja, gerne“ zu meinen. Und das gilt nun wirklich nicht ausschließlich für Sex.

Das Magazin „Das Lamm“ (2) sagt dazu:

Nicht einmal der Lehrplan 21, der immerhin den Unterricht ab dem Kindergarten bis und mit der Sekundarschule in der Deutschschweiz vereinheitlichen sollte, sieht Konsens im Sexualkundeunterricht vor, geschweige denn im Unterricht überhaupt.

Das Ziel heißt eigentlich: "Verhandeln vor Handeln"

Das Fazit? Wissen, was man wirklich will, einen Ausdruck dafür zu finden und darüber zu kommunizieren, ist offenbar das Wichtigste. Und auch unser deutsches Ausbildungswesen muss sich darauf einstellen, „Verhandeln, vor Handeln“ als wichtiges Element des Zusammenlebens zu betrachten. Nachdem dies gesagt ist: Ich habe hier mehrfach das Wort „Konsens“ gebraucht, das eigentlich zu einer eher einfältigen Bildungsbürgersprache der Vergangenheit gehört. Im Grunde reicht völlig „sich einig zu sein“ oder „sich einig werden über…“. Und dazu ist eben eine Verhandlung nötig. Wer das begriffen hat, weiß eigentlich alles.

Beide Zitate aus "Das Lamm"

(1) von Linda Bär
(2) Redaktion Lamm.

Ein einfacher Gedanke zur Sexualkunde

Niemand fragt sich, in welchen Fachbereichen ethische Lebensgrundlagen noch behandelt werden außer in Ethik, denn ethische Grundsätze und Ansichten durchziehen natürlich auch das Denken in anderen Fächern. Und die Sexualität, die aus biologischer, ethischer, historischer, sozialer, erfahrener und gelebter Sexualität besteht?

Die wird in Bio und Ethik mal eben nebenbei unterrichtet, und sie wird dabei isoliert. Wenn sie denn überhaupt umfassen und vollständig behandelt wird, was wahrhaftig zu bezweifeln ist.

Kampagnen von rechtsgerichteten und klerikalen Wutbürgern, aber auch von der LGBT-Gemeinschaft beeinflussen das, was Journalisten zu wissen glauben. Doch was immer es da zu wissen gibt: Es muss ja auch gelehrt werden, und zum Lehren gehört neben einer gewissen Begabung und dem nötigen Kenntnisreichtum auch eine neutrale Sichtweise.

Ist diese Sicht überhaupt gewährleistet, wenn Lehrer Ekel oder Scham empfinden? Der Bio-Lehrer kann sich nötigenfalls auf Empfängnis und Verhütung zurückziehen und dennoch behaupte, seinen Job gemacht zu haben. Der Ethiklehrer kann es nicht – er muss eigentlich Farbe bekennen, wie seine eigene Gesinnung aussieht. Ein homophober Ethiklehrer ist beispielsweise eigentlich unerträglich für eine Schule. Geschichtslehrer und Deutschlehrer zucken nur allzu oft die Schultern, obgleich sie dann und wann mit dem Thema konfrontiert werden.

Viel Licht fällt in diesem Zusammenhang immer auf die Eltern. Diejenigen, die dreist und verbohrt sind, gehen auf die Straße, weil sie sich vor dem Thema fürchten. Und diejenigen, die klug und mutig sind, reden mit ihren Kindern. Es ist ja so einfach, die Verantwortung für das Unangenehme und Unerwünschte auf die Schule abzuschieben. Doch für jeden Dialog, den die Schule mit den Schülern führt oder nicht führt, gibt es ersatzweise einen Dialog zwischen Eltern und Jugendlichen.

Lesen Sie dazu mehr in der LVZ.

Katholiken wettern gegen neue Sexualerziehung

Obgleich die Kirche eigentlich keinen Einfluss auf die Sexualkunde nehmen sollte, geschieht dies immer wieder - mal offiziös und mal hinter einer Maske. Und sie wendet sich gegen eine zeitgemäße, menschengerechte, liberale, vollständige und wahrheitsgemäße Sexualkunde.

Diesmal mischt sich die Publikation „Katholisches-Info“ ein. Neben dem allgemein bekannten, etwas lächerlichen Argument der „Indoktrination“ passt dem katholischen Journal allerdings die ganze Linie der Sexualaufklärung nicht, und sie wettert:

Dem hessischen Sexualerziehungskonzept liegt anscheinend ein reduktionistisches Menschenbild zugrunde. „Die Lehrplanvorgaben verführen dazu“, so die Autoren, „menschliche Sexualität auf die Frage nach der sexuellen Orientierung, der sexuellen Selbstbestimmung und der sexuellen Befriedigung als dem wichtigsten Maßstab für gelingende Sexualität zu reduzieren.


Welches Menschenbild?

Die Frage wäre natürlich, auf welches Menschenbild hin dabei erzogen werden soll. Zwar glaubt das katholische Magazin, dafür den Stein der Wiesen gefundene zu haben, in dem sich hinter einer wissenschaftlichen Stellungnahme versteckt. Doch was bedeutet die Stellungnahme? Die Wissenschaftler gehen vorsichtig-kritisch mit den neuen hessischen Reichlinien um, sagen aber lediglich:

(Der Lehrplan müsse )… perspektivenreicher, thematisch ausgewogener, sachlogisch strukturiert sowie fachlich und sprachlich korrekt den aktuellen und absehbaren Bedarf an Information und Erziehung bei heranwachsenden Kindern und Jugendlichen aufgreifen und abdecken.


Das lässt sich aus der Sicht eines Instituts leicht in die Welt hineinblasen, doch ist der Lehrplan nicht bereits ebenso perspektivenreich, wie er (aus kultureller Sicht) einseitig ist? Und was ist bitte „fachlich korrekt“? Ist es etwa „fachlich inkorrekt“, die Wahrheit zu sagen und Wunschvorstellungen über Sexualität zu verbreiten? Und reich es überhaupt, „fachlich korrekt“ zu sein? Muss nicht übergreifend unterrichtet werden? Würde ein Blick auf Kunst und Kultur nicht ein ganz anderes Menschenbild, zeigen als das, was ein Sexualwissenschaftler im Kopf hat? Nun ja, und sprachliche Korrektheit kann man zwar fordern, sie wird aber unter Jugendlichen nicht praktiziert – für sie ist „homosexuell“ männlich und lesbisch weiblich, und beide Worte werden eher als Schimpfworte verwendet: Das ist die Realität.

Gut, gut, die Redakteure sind eben rückwärtsgewandt, und selbst gewachsene Realitäten überzeugen sie nicht:

Geschlechtsspezifische Verhaltensweisen sind … unveränderlich und insofern gerade nicht dem gesellschaftlichen, kulturelle oder religiösen Wandel unterworfen, wie das Lehrplanthema es suggerieren will.


Ach ja, unveränderlich? Wer so etwas schreibt, lebt nicht in der Jetztzeit, und sein Geschichtsbewusstsein ist – milde ausgedrückt –leicht getrübt. Denn nicht der Lehrplan suggeriert den Wandel, die Geschichte schreibt ihn fort.

Und nicht zuletzt: Wie kann es nur sein, das ausrechnet den katholischen Autoren die Säugetier-Verwandschaft des Menschen immer dann einfällt, wenn es ihnen in den Kram passt? Dazu zitiere ich:

Mit dem für ein Geschlecht spezifischem Verhalten sind Fähigkeiten gemeint wie das männliche Zeugen oder das weibliche Empfangen sowie Schwangerschaft, Gebären und Stillen.


Richtig, wie bei den Ratten, Katzen, Hunden und Affen. Unveränderlich. Oder wie war das mit dem "reduktionistischen" Menschenbild?

(1) Die Zitate stammen aus der oben verlinkten Quelle.

Was die Anti-Aufklärungs-Fraktion wirklich will

„Demo für alle“ und „besorgte Bürger“ verschleiern, wer wirklich hinter diesen Aktionen steht; die Rechtskonservativen im Volk, im Adel, im Klerus und in intellektuellen Kreisen vereinen sich zum Kulturkampf.

Ein Lieblingsgegner - sonst nichts als heiße Luft

Sie haben viele Gegner. Aber leider macht es ihnen einer besonders leicht: die Gender-Fraktion, die sich selbst als Wissenschaft begreift und die nicht wenige kritische Menschen als Ideologie ohne jede wissenschaftliche Grundlage ansehen. Fielen diese als Gegner weg, so würde sich bald herausstellen, dass der konservative Haufen, der da jetzt protestiert, nicht als heiße Luft im Gepäck hat.

Klar, dass man bei dieser Konstellation scharfe Worte finden kann und damit auch Eltern gegen die Schule aufbringt. Aber was steht dahinter?

Die Ideologie und was wirklich nötig ist

Im Grunde eben auch eine Ideologie, die mit Sexualkunde kaum etwas zu tun hat.. Die Sexualerziehung soll dazu dienen, das Wissen über die eigene Sexualität zu verbreiten. Aber auch, um die Jugendlichen dabei zu unterstützen, die eigene Sexualität als etwas Normales, Gutes und Wünschenswertes anzusehen. Und genau dagegen richtet sich die Kritik in Wahrheit.

Die Wahrheit? Da soll ein konservatives Weltbild zur Norm werden

Und was ist die Wahrheit? Man will das Bild einer Konservativen, weitestgehend auf einer christlichen Ehe basierenden Sexualität vermitteln, in der Frau und Mann „in Liebe und Verantwortung zum Gelingen des menschlichen Lebens beitragen.“ Nein, das ist nicht falsch – aber es ist ein abgehobenes, unrealistisches und konservatives Weltbild, das dem Jugendlichen für den Moment in dem er es hört, gar nichts nützt. Beklagt wird auch, das niemals von der „Selbstbeherrschung“ die Rede ist, die „zur Reifung der Sexualität dazugehört“. Das hieß früher „Kein Sex vor der Ehe“ und ist mit Sicherheit auch weiterhin so gemeint.

Das Prinzip, Lust, Zärtlichkeit, Liebe und Erotik als Energiequellen des Lebens zuzulassen, muss den Rechtskonservativen, ihren klerikalen Helfern und anderen Kämpfern so ein Dorn im Auge sein, dass sie dafür die gesamte Sexualerziehung infrage stellen.

Religiöses - Die Schöpfungsgeschichte kennt keine Enthaltsamkeit

Hat man den Menschen als ganzes Wesen, als ein wundervoll gelungenes Wesen aus der Schöpfungskraft und der Natur wirklich im Auge, wenn man so redet? Ich bin kein Katholik, aber ich glaube zu wissen, dass der Sexualität nichts Unreines anhaftet, und ich kann in der Genesis nachlesen, wie der Gott der Juden und Christen die Menschen erschaffen hat: Von Enthaltsamkeit hat er jedenfalls nichts gesagt.

Niemand darf dem Menschen sein Glück verwehren

Und aus der heutigen Sicht auf die Gesellschaft? Wer glücklich werden will, darf nicht mehr als nötig dabei eingeschränkt werden. Und die meisten Menschen werden auch dadurch glücklich, dass sie als Frau und Mann zusammenleben – ob mit oder ohne Trauschein. Und einige (viele sind es nicht) schwanken zwischen der Lust, die ihnen das eine oder das andere Geschlecht geben kann – und das müssen sie auch „dürfen dürfen“. Und manche schwanken nicht nur, sondern definieren sich sogar so. Und das muss eben nicht nur legal sein, sondern auch im Hirn der Massen seinen Platz finden, sonst grenzt man diese Personen aus der Gesellschaft aus. Und dabei habe ich noch nicht einmal im Ansatz von den relativ wenigen Homosexuellen eines Jahrgangs gesprochen.

Nein – das Streben nach Glück – und zwar so, wie es sich jeder selbst definiert – darf nicht unterdrückt werden. Wer glaubt, sein Glück als katholischer Priester zu finden, wird ja auch nicht beschimpft, weil er dadurch für Ehe und Familie nicht infrage kommt. Und niemand würde auf die Idee kommen, die Schule dafür verantwortlich zu machen.

Also: Wie wäre e es, ein bisschen auf dem Teppich zu bleiben und Sexualkunde, egal wie sie angelegt ist, als etwas ganz Normales anzusehen?

Hinweis: Grundlage der Kritik war ein Vortrag von Professor Manfred Spieker , einem heute 72-jährigen deutschen Sozialwissenschaftler.

Wie religiöse Überzeugungen den Unterricht beeinflussen sollen

Sexuelle Vielfalt darf kein Lernziel des Unterrichts sein“. Aha. Sagt Idea. Nun gut. Vielleicht soll in Schleswig-Holstein nun „sexuelle Einfalt“ das Lernziel des Unterrichts sein? So weit das Wortspiel. Die Fakten sind leider noch ärgerlicher.

Datzu Satz aus dem Gutachten, in dem wir lesen (zitiert nach Idea)::

Sie (die Schule) … muss … allgemein Rücksicht nehmen auf die religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen der Eltern, soweit sie sich auf dem Gebiet der Sexualität auswirken.


Thamar - nahm sich ihre Rechte
Oh, die Überzeugungen der Eltern? Das ist einerseits pikant, wenn deren Überzeugungen (und Praktiken?) weit über das hinausgehen, was üblich ist. Und andererseits ist es unmöglich, denn die „Entstehung der Arten“ wird ja in der Schule ja dankenswerterweise auch nicht anhand der Schöpfungsgeschichte (Genesis) unterrichtet. Und Sklavenhaltung, wie im Alten Testament vielfach beschrieben, ist auch kein Idealbild für den Ethikunterricht. Religiöse Überzeugungen müssen in der Schule hinter dem Tatsachenwissen zurückbleiben. Überall. Auch in der Sexualität.

Die religiöse und weltanschauliche Überzeugung der Eltern? Wer würde sich wohl darauf verlassen, dass sie immer dazu dienlich ist, einen Menschen zu einer einer „eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“, wie es oft so schön heißt, zu erziehen? Wahrscheinlich wissen alle Grundschullehrer, was ich damit meine.

Sollten Sie mich fragen, was für Jugendliche wichtig ist: Nicht die Jagd auf die besten (erschlichenen) Noten ist wichtig, sondern die Fähigkeit, auch in schwierigen Lagen Probleme zu lösen und Krisen zu meistern. Und die aufgeblasene Diskussion um die Sexualerziehung? Die sexuelle Entwicklung oder Orientierung oder was auch immer findet ohnehin im Privatbereich statt, gleich, was die Schule lehrt oder nicht. Sie wird nicht von Geist und Wissen getrieben, sondern von Lust und Leidenschaft. Schon vergessen, meine Damen und Herren „besorgte Eltern?“

Bild: Judah and Tamar von Horace Vernet, 1840