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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Natur, Psychologie, Esoterik und eine unsinnige Frage

Ich beobachte sehr oft, wie der Teil der Psychologie, der an Esoterik grenzt, immer mehr zur neuen Religion verkommt. Neu ist das nicht. Aber damals, zu Zeiten von Freud und Jung, beschäftigten sich lediglich ein paar gelangweilte Damen der Gesellschaft mit diesem Teil der „neuen Wissenschaft“, die voller Spekulationen war.

Ja – und heute? Für mich ist erschreckend, wie sehr das „biologische Selbstverständnis“, aus dem heraus unsere Spezies vor mehreren Millionen Jahren entstanden ist, in den Hintergrund tritt. Die letzte große Veränderung in unserer Entwicklungsgeschichte begann mit einer Revolution, auf die nach wie vor unsere Kultur aufbaut. Man nennt sie die „neolithische Revolution“, aber sie war mehr als nur die „Jungsteinzeit“.

Was freut dich oder quält dich?

Nach und nach lernten wir, uns selbst zu betrachten – und als wir dies konnten, haben wir begonnen, unser Dasein zu lenken. Und wir konnten und fragen, wer wir sind und warum uns etwas erfreut oder quält. Doch nach und nach stellten wir uns weitere Fragen, die über unsere Lebzeiten hinaus gingen. Dies alles ist abgedeckt durch Religion einerseits und Philosophie andererseits.

Und die Psychologie? Sie ist ohne Zweifel eine Notwendigkeit. Wer in schweren Zweifeln über ich selbst ist oder unter seinem Verhalten leidet, braucht sie. Und denjenigen, die mehr über sich selbst wissen wollen als andere, hilft die Psychologie.

Die esoterische Gefahr

Allerdings hat sie eine gefährliche Tendenz. Es ist das unendliche, mühevolle und oft selbstzerstörerische Graben nach einem Geheimnis, das in uns wohnt, und dass es zu wecken gilt. Am Ende dieses Prozesses stellen die meisten von uns fest: So etwas gibt es nicht – man darf aber glauben und hoffen. Das ist eine sehr vernünftige Einstellung.

Warum? Weil es mich drängt, es zu tun ...

Womit ich am Ende dieser kurzen Betrachtung bin. Ich wurde mehrfach in meinen Leben gefragt: „Warum tust du dies oder jenes?“ Ich dachte, ich täte es, weil ich ein freier Mensch wäre. Das reichte mir als Begründung. Seither habe ich Kaufleuten, Künstlern und anderen engagierten Menschen dieselbe Frage gestellt. Und eine Antwort fand ich besonders klug: „Weil es mich drängt, es zu tun.“

Seht mal, dies muss wirklich als Antwort reichen. Denn diese Antwort ist ehrlich, sachlich und ohne falsches Pathos. Was ich sonst hörte, waren Interpretationen, die sich mehr oder weniger fremd anhörten. Und da drängte sich mir der Verdacht auf, dass man den Antwortgebern etwas eingeredet hat.

Überflüssiger Rat zur Partnersuche und zum "Verlieben"

Dieser Tage fiel mir ein Bericht in die Hände, der uns sagen soll, dass es „tatsächlich nur sieben Merkmale“ gibt, die darüber entscheiden, ob wir uns in eine Person verlieben.

Der Satz an sich müsste bereits kritisiert werden, denn die Frage, ob „wir uns verlieben“ hat nichts mit den ständig neu ins Rampenlicht gebrachten „Kriterien“ zu tun. Wenn du wissen willst, wie es kommt, dass du dich „verliebst“, dann frage einen Mediziner oder Biologen.

Der Rest entstammt tatsächlich einem Forschungsprojekt. Er hat damit zu tun, welche Kriterien Menschen anlegen, wenn sie Langzeitbeziehungen (z. B. Ehen) suchen.

Die sieben Regeln zum angeblichen „Verlieben“

Dabei wird nach recht einfachen Regeln vorgegangen (Kurzfassung):

1. Attraktiv?
2. Fit und gesund? (Ernährung, Fitness).
3. Status (Einkommen, Ansehen, Macht).
4. Persönlichkeitsmerkmale (Charakter, Eigenschaften)
5. Bindung und Freiheit. (Raum für eigene Interessen).
6. Exklusivität (sexuelle Treue).
7. Religion / Weltanschauung.

Wie man ohne psychologische Kenntnisse erkennen kann, ist Punkt (1.) die biologische Anziehung, die jeder Mensch individuell empfindet. Punkt (2.) und (3.) beziehen sich darauf, ob die Beziehung dauerhaft sein wird und ob es möglich ist, eine Familie zu gründen. Die „Persönlichkeitsmerkmale“ (4.), die jemand sucht, sind sehr variabel, die Ausschlüsse hingegen bekannt. Dazu zählen zum Beispiel „beziehungsfeindliche“ Eigenschaften, wie krankhafte Eifersucht. Während Punkt (5.) heute selbstverständlich geklärt werden muss (das war vor 100 Jahren noch anders) ist Punkt (6.) neu – er betrifft die Swingerszene, Triolen und Polyamorie.

Punkt sieben ist kulturabhängig. In meiner Jugend war noch wichtig, dass der Partner auf keinen Fall der „anderen“ christlichen Kirche angehört (in meiner Gegend waren das die Katholiken). Mittlerweile ist dies Thema erledigt – aber bei Menschen, die unterschiedlichen Weltreligionen, stark abweichenden Ethnien oder weltanschaulichen Sektierern angehören, ist dies nach wie vor ein Thema.

Hier soll nicht bestritten werden, dass einige dieser „sieben Regeln“ wichtig sind. Aber sie sind eine Mischung aus trivialen Betrachtungen, persönlichen Vorlieben, Naturphänomenen und den üblichen „Schnörkeln“, damit alles als „psychologisch“ durchgeht.

Die sieben Regeln: Riesenluftballon mit heißer Luft

Und das Fazit von alledem? Groß ist der Luftballon, aber am Ende ist nur Luft drin. Wer nach Inhalten oder Lösungen sucht, sollte sich selbst fragen, was er (sie) wünscht und selber in eine Beziehung einbringen kann. Und da hilft dir kaum jemand – schon gar keine Thesen, die in die Presse geblasen werden.

Hinweis: Dieser Artikel ist keine Kritik an der Forschung an sich, sondern an den voreiligen und fragwürdigen Interpretation durch die Presse. Wer an weiteren Informationen interessiert ist, kann die "Liebeszeitung" lesen. Dort wurden auch die Quellen benannt.

Das Unterbewusstsein

Das sogenannte „Unterbewusstsein“ ist nicht nur dem Psychologiestudenten, sondern auch jedem Bildungsbürger bekannt. Schließlich will jeder beweisen, dass er (sie) zu den „gebildeten Kreisen“ gehört.

Doch der glänzende Lack des Wortes ist längst verblichen. Man kann also einen Menschen, der das Wort ständig benutzt, um Gefühle, Regungen und Handlungen zu erklären, nicht mehr unbedingt als „gebildet“ bezeichnen.

Um es klar zu sagen: Das „Unterbewusstsein“ ist ein Modell, aber keine Tatsache. Und zudem ist ausgesprochen zweifelhaft, ob ein Bewusstsein, das ständig in „Habacht-Stellung“ ist, biologisch überhaupt sinnvoll wäre.

Wen diese Aussage wundert, und wer wenig Zeit hat, darüber ausführlich nachzudenken, sollte einen Blick in dieses Lexikon werfen.