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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Ich bin etwas Besseres, weil …

Hierarchien gibt es überall, mal über die Geburt, mal über das Einkommen, mal über die Bildung. Noch meine Großmutter glaubte fest an die Standessgesellschaft: Sie wusste genau, dass die Arbeitertochter den Arbeiter heiratet, die Beamtentochter den Beamten, die Angestelltentochter den Angestellten und die Bürgertochter den Bürger. Falls Sie sich wundern sollten, dass der Adel nicht vorkam: „Adel“ ist in meiner Geburtsstadt verpönt. Ich lernte, herabzusehen auf die Plebs und hinaufzusehen auf dien reichen Bürger.

Neben der Plebs bestand ihr Feindbild hauptsächlich aus Kultur schaffenden, hinter denen sie ein Lotterleben vermutete. Jedenfalls war sie in heller Aufregung, als sie hörte, dass ich mit Künstlern, Lebenskünstlern und Journalisten in Kontakt kam. Die waren ja nun wirklich „nichts Besseres“.

Woher nehmen wir nur die Idee, „etwas Besseres“ zu sein? Wir können dem Bauern das Säen und Ernten abschauen, dem Maurer das Mauern und Verfugen, dem Künstler das Erschaffen und Reproduzieren. Das Besondere zeigt sich in uns aber erst, wenn wir alle Fähigkeiten und alle Erfahrungen bündeln, um sie dann dem harten Wind der Öffentlichkeit auszusetzen. Ob Sie Maurer oder Professor sind: Wenn das Gebäude hält, was Sie errichten, dann haben Sie ihr Ziel erreicht.

Nein, ich bin nichts Besseres, weil … bestenfalls bin ich „anders als“. Und ich bin so geworden, weil ich nicht auf diejenigen gehört habe, dich mich mal an die eine, mal in die andere Richtung drängen wollten. Ich habe auf mich gehört, bin auf die Nase gefallen und wieder aufgestanden und habe damit mehr erreicht, als wäre ich meines Lehrherrn untertänigster Diener gewesen.

Frauen kaufen Frauen – und Männer

Bedürfnisse lassen sich nicht einfach verdrängen

Unser Frauenbild hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zwar verändert, doch sieht die Gesellschaftsordnung Frauen inzwischen so, wie ein Betrunkener die Realität sieht: mehrfach.

Einmal sehen wir Frauen durch die Brille der Emanzipation: Sie herrschen, verdienen ganz ausgezeichnet und können sich ein eigenständiges Leben leisten. Dann sehen wir sie als arme, verhuschte, gefährdete Mäuschen, die wir mit Schwert und Schild beschützen müssen. Aber niemand sieht sie in einer völlig neuen Rolle: In der Frau, die keine Zeit hat, aber überbordende Gefühle. Und sie kann das tun, was sie besser allen gegenüber verschweigt: Sich Lust und Sex zu kaufen.

Zehn häufig gehörte Argumente gegen "Frauen kaufen Sex"

Fragt man die Menschen, die immer noch das Bild der „anständigen Frau“ der 1950er Jahre, nur eben als heutige Managerin im Kopf haben, dann ergibt sich diese Argumentation:

1. Frauen würden niemals Sex kaufen, weil sie Sexarbeit verabscheuen.
2. Frauen brauchen romantische Gefühle, bevor sie Sex schenken oder annehmen können.
3. Frauen geben für „derartige Dinge“ klein Geld aus, weil es ihnen befremdlich erscheint.
4. Frauen würden sich in Grund und Boden schämen, wenn sie sich auch nur in die Situation begeben würden.
5. Frauen sind niemals so „bedürftig“, dass sie auch nur daran denken würden, Sex zu kaufen.
6. Frauen können doch immer Sex haben – warum sollten sie dafür bezahlen?
7. Die Nähe von Freundinnen reicht völlig – Sex ist eigentlich überflüssig.
8. Frauen können ihre Lüste gar nicht „gegen Geld“ befriedigen, weil es keine Bordelle für Frauen gibt.
9. Der Status der erfolgreichen Frauen lässt sich nicht mit bezahlten Liebhabern vereinbaren.
10. Die Behauptung, Frauen würden Lust und Sex kaufen, hat eine reine Alibifunktion für Männer, die in den Puff gehen.

All diese Behauptungen werden aufgestellt, so, als sei es das Selbstverständlichste der Welt für die moderne Single-Frau, tags emsig und nachts mit sich selbst zufrieden zu sein.

Und wie ist es wirklich?

Lassen Sie sich dies besser von einer Frau erzählen, die weiß, dass Frauen sich Sex bei Frauen erkaufen. Selbstverständlich gibt es auch Frauen, die sich Männer als „Spielzeug“ halten und sie dafür bezahlen. Und ja, Sie haben recht, wenn sie sagen: Es gibt viel weniger Frauen als Männer, die für Sex bezahlen. Aber – diejenigen, die es tun, gehören nichts selten zu den Eliten.

Und nun dürfen Sie über den Artikel schimpfen. Oder über den verlinkten. Oder über alle und alles.

Bild: Historsicher Auszug aus "La Vie Parsienne", Juni 1918, Teilansicht.