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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Wenn die Antwort vor der Frage kommt

Mir ist nicht klar, ob es ein deutsches Phänomen ist – aber ich bekomme oftmals „Antworten“, zu denen ich noch keine Frage gestellt habe.

Die Sache hat eine Vorgeschichte, die ich unbedingt erzählen will. Sie ist so trivial, dass ich lange gezögert habe, die überhaupt zu veröffentlichen. Aber sie passiert in Deutschland täglich in ähnlicher Weise.

Also – ich versuchte, eine Frage zu klären. In einem Protokoll fehlten zwei Seiten, und da ich vermutete, dort könne etwas Wichtiges stehen, forderte ich das Protokoll zum zweiten Mal an. Wieder folgte auf die Seite eins die Seite drei. Ich rief also „meine Sachbearbeiterin“ an, die zu der Gruppe von Menschen gehört, die „an Sachen arbeiten“. Den Begriff „Kunde“ oder „Klient“ kennt man in manchen Firmen nicht – auch wenn man davon lebt, Kunden oder Klienten zu haben. Erneut die Frage, dann die Antwort: „Das wurde so archiviert“ – aber dann entdeckte die Dame doch noch die fehlenden Seiten – wie schön.

Als ich sie dann in Händen hielt, fiel mir auf, dass die Information, die ich suchte, im Dokument nicht enthalten war, also versuchte ich, die Versammlungsleiterin zu erreichen, die auch für das Protokoll verantwortlich war. Das ist ziemlich schwierig, aber es gelang letztlich.

Zunächst schilderte ich, um was es ging, wie ich es gelernt habe. „Das Protokoll zu … ich finde drei Geldbeträge, vermisse aber meinen … - ich hatte im Vorfeld auch nicht zugestimmt – muss ich nun noch etwas nachreichen?“

Das reichte, um eine Antwort in Gang zu bringen. „Es sei unerheblich, ob ich zugestimmt habe oder nicht, und juristisch sei die Sache so und so, da könne ich mich nicht widersetzen …“ es ging noch eine ganze Weile, bis ich den Redefluss unterbrechen konnte: „Das ist nicht das, was ich gefragt habe…“.

Gut - am Ende klärte sich die Sache … und stellte sich als für mich völlig irrelevant heraus.

Dein täglich Brot - vorgefertigte Antworten auf Fragen, die du gar nicht stellst

Das alles würde ich kaum jemals erwähnen, wenn sie nicht täglich vorkäme. Nein – nicht bei mir. Täglich werden Menschen in Deutschland nicht ernst genommen mit ihren Fragen oder Anliegen. Ist tatsächlich ein Mensch der Zuhörer, so bekommt man Antworten, bevor er die Frage begriffen hat. Antworten, die keiner braucht, weil sie nicht zur Frage passen. Wenn wir Pech haben, und unser „Gesprächspartner“ ist ein Bot (ein quasselnder oder schreibender Roboter), dann bekommen wir die Antwort, die irgendwo „für solche Fälle“ abgelegt ist. Ob sie passt oder nicht? Ist den Firmen scheißegal, die diese Bots einsetzen. Man hat ja eine Hotline … so, wie man in manchen kleinen Serviceunternehmen eben „Sachbearbeiter“ hat, die sich mit Sachen leidlich auskennen, aber nicht wissen, was ein Kunde ist.

Der Service des Konzerthauses

Vor einigen Tagen hatte ich mal wieder ein „Servicegespräch“. Wenn ich eine Gutschrift auf meine Konzertkarte wollte, solle ich diese doch bitte zurücksenden zwecks Erstattung. Nur habe ich gar keine Konzertkarte bekommen (aber bezahlt, versteht sich, sonst bekommt man sowieso keine). Auf dem Schreiben stand eine Telefonnummer. Da war tatsächlich jemand dran - eine freundliche Dame, wusste aber mit meiner Frage nichts anzufangen, weil die zuständige Bearbeiterin (andere Telefonnummer) erst ab 12 Uhr verfügbar wäre.

Also nach 12 Uhr angerufen. Die Dame dort unterschied sich deutlich von ihrer freundlichen Kollegin. Das sei doch klar, dass ich keine Karte bekommen hätte, weil ich ein Vario-Abo hätte. Ich könne nicht erwarten, dass ein Formbrief auf mein spezielles Abo zugeschnitten wäre.

Setzen, Roese! Zurück auf deine hinterste Bank, du mieser Abonnent ... denkst doch nicht etwa, dass wir unsere Schreiben auch noch auf Abos anpassen?

Nein, denke ich nicht. Ich mache mir eher Gedanken über die Mindestanforderungen an einen Service.

Das Wetter ist schlecht - da gibt es eben keine Zeitung

Ich verstehe, wenn an Tagen wie diesen die Zeitung recht spät kommt. Na ja, auch wenn sie mal erst am Nachmittag kommen sollte ...

Dennoch: So ab Mittag könnte man ja mal anrufen bei der „Hotline“. Das übliche nervende dumme Zeug und dazu die Musik zum Einlullen.

Drücken Sie die „Eins“. wenn sie etwas über ihr Abo wissen wollen.

Wir würden den Verlauf ihres Gesprächs gerne aufzeichnen, wenn Sie einverstandne sind, drücken Sie bitte die „Eins“.

Schon nach wenigen Minuten versucht mich eine Telefonstimme abzuwimmeln: Ob ich nicht lieber auf die Webseite gehen wollte? Dann wieder Musik ... na ja, wir kennen das ja alle, oder?

Nach gefühlten 15 Minuten meldet sich tatsächlich jemand, dankenswerterweise freundlich. Ja, die Zeitung würde witterungsbedingt heute erst um 16:00 ausgeliefert. Gut, die Straßen waren verschneit und vereist - ich war selbst unterwegs und konnte es deshalb keinesfalls ignorieren.

Nun ja - es ist gleich 17 Uhr - keine Zeitung. Kann ja noch kommen, nicht wahr?

Aber: Heißt es nicht, dass alle Zeitungen dringend Abonnenten brauchen? Offenbar können sie darauf verzichten, denn am Kiosk wäre die Zeitung zu haben gewesen. Und da fragt sich natürlich, wie sie dahin kam.

Das gute Ende: Heute, am 09.02.2021, wurde die Zeitung von Montag ausgeliefert und die heutige Zeitung auch.

Deutschland: Verkaufen kann jeder - Änderungen sind unerwünscht

Das Gleiche, aber aus Leder bitte ... ausweichende Antworten, sonst nichts ...
Im Internet bieten zahlreiche Hersteller „Lederhüllen für Handys nach Wunschmaßen“ an. Teils zeigen sie, wie toll ihre Ledermanufakturen arbeiten.

Geht nicht, können wir nicht ...

Fragte man dort an, ob sie eine Hülle für ein bestimmtes Handy herstellen können, so bekommt man ausweichende Antworten. Dabei wäre dies ganz einfach: Innen eine passende Kunststoffhalterung einzukleben fällt leicht. (Sie ist sowieso nur eingeklebt). Und der Ausschnitt für die Kamera müsste vielleicht etwas anpasst werden. Vielleicht aber auch nicht.

Die Antworten zeigen einmal mehr die Misere der Deutschen:

Alles, was angepasst werden muss, ist nicht lieferbar, hat ewig lange Lieferzeiten, wird abgewimmelt oder überteuert angeboten.

Servicewüste Deutschland?

Ich erinnere mich, vor Jahren in Italien einen Anzug gekauft zu haben: Hose zu eng und zu lang, Probleme mit der Schulter ... aber sehr chic.

„Das macht unsere Schneiderei für Sie“, sagte der Inhaber des klitzekleinen Modegeschäfts.

„Bis wann?“
„Sind Sie morgen noch in Italien?“ „Ja, noch bis Freitag.“
„Dann kommen sie doch morgen Nachmittag vorbei und holen ihren Anzug ab.“


Vor zwei Wochen bei einem deutschen Modegeschäft: Von Freitag bis zur nächsten Woche Donnerstag - es ging um fast nichts.

Die Folgen des Hotline-Ärgers: Fabrikat wechseln

Das Ergebnis schlechter oder nicht vorhandener Serviceleistungen, mangelhafter Funktion und anderer Mängel bedeutet letztendlich, das Fabrikat zu wechseln.

Offensichtlich gehen Servicemängel vielen Herstellern „am Arsch vorbei“ - und ich rede ausschließlich von namhaften Herstellern, die tatsächlich einen Service haben (oder das von ihren Hotlines behaupten).. Wenn ich ein Produkt aus China kaufe, dass aus unerfindlichen Gründen am deutschen Markt nicht angeboten wird, dann bin ich tolerant. Aber bei bedeutenden Herstellern mit großen Namen sehe ich mir eine Weile an, was sie mit mir (und offensichtlich auch mit anderen Nutzern) treiben, und wenn es an die Neuanschaffung geht, dann wechsle ich einfach.

So geschehen bei der Anschaffung eine neuen PCs. Ich war drauf und dran, das neue Modell beim alten Hersteller zu beziehen, als ich mich an einen Satz der Hotline-Dame erinnerte:

Wir können Ihnen keinen Service bieten, wenn sie eine Grafikkarte, die für das Gerät nicht vorgesehen ist, in ihrem Computer verwenden.

Das klingt sogar plausibel, ist aber Bullshit: Das würde bedeuten, dass nach jedem Modellwechsel der Grafikkartenhersteller keine Möglichkeit mehr besteht, das Gerät umzurüsten - und dies nicht bei einem Spielzeug, sondern bei einer Workstation.

Bei anderen Produkten ging’s mir ähnlich: Schreiben und Bilder sortieren geht auch mit anderen Produkten als jenen der „Marktführer“.

ich war ein paar Tage damit beschäftigt, alles neu einzurichten - aber jetzt bin ich (fast) so weit. Das Ergebnis ist in jeder Hinsicht beeindruckend, auch wenn ich noch hier und dort etwas nachbessern muss.