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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Gewalt

Dies ist eine Deutschstunde, kein politischer oder juristischer Beitrag. Nachdem ich dies gesagt habe, komme ich zur Sache: Das Wort „Gewalt“ wird in Deutschland ständig missbraucht, um es in „Brutalität“ oder „Brutale Gewalt“ umzumünzen.

Was ist „Walten“?

Zunächst müssten wir mal klären, was „walten“ ist. Da fällt dem Volksmund allerdings eine, dass jemand „Schalten und Walten“ kann, wie er will. Oder um es etwas klassischer zu sagen:

Macht über etwas haben, regieren, besitzen, sich einer Sache annehmen.

Walten bedeutet also, ein Machtmittel in der Hand zu halten, also ist Gewalt das Ergebnis, das aus diesem Machtmittel erwächst.

Gewalt - ohne "gut" und "böse"

Wer jetzt sagt, „oh, das ist aber negativ“ liegt falsch. Die Gewalt über sich selbst nicht zu verlieren, sondern in allen Situationen zu behalten, ist ohne Frage positiv zu bewerten. Und im Grundgesetz steht immerhin, dass „alle Gewalt vom Volke ausgeht“, und um die Demokratie zu sichern, gibt es die „Gewaltenteilung“.

Die Ausübung von Gewalt

Naturgemäß setzt die Ausübung von Gewalt im Umgang mit Erwachsenen eine Vereinbarung voraus. Ist sie nicht vorhanden, wird die Sache brenzlig, denn dann kommt es drauf an, ob die betroffenen Personen die Ausübung von Gewalt als unerlaubten Eingriff in ihr Leben verstehen. Erst dann ist der Umstand des Übergriffs erfüllt: Du konntest weder damit rechnen, dass ein Übergriff stattfindet, noch hast du ihn als für die Situation angemessen akzeptiert, und es handelte sich auch nicht um einen Notfall oder eine Situation, in dem es einen übergeordneten Wert geht.

Faustregel: Gewalt liegt immer dann vor, wenn das Walten eines anderen ohne seine Einwilligung, ohne plausiblen Grund oder ohne eine Berechtigung eingeschränkt wird.

Beispiel Notfall: Jemand versucht, dich wiederzubeleben. Er übt Gewalt über dich aus, weil du selbst keine Einwilligung mehr geben kannst.

Beispiel übergeordneter Wert: Dein völlig betrunkener Kumpel will in sein Auto einsteigen. Täte er das, würde er sich und andere gefährden. Der übergeordnete Wert veranlasst dich, sein Walten einzuschränken:

Beispiel Akzeptanz: In einem psychologischen Seminar wird von dir ein ungewöhnliches Verhalten erwartet. Wenn du bleibst, obgleich du ohne Nacheile gehen könntest, findest du die Situation als angemessen.

Beispiel nicht damit rechnen müssen: Du gehst nach einem sehr harmonischen Date noch in seine (ihre) Wohnung. Dort angekommen sagt er/sie: „Nun leg schon deine Klamotten ab, du willst es doch auch.“ Mit dieser Wendung muss er/sie nicht rechnen: Da versucht jemand, Gewalt auszuüben.

Beispiel Zustimmung: Dein Partner möchte Sex. Wenn du nicht auf irgendeine euch beiden bekannte Weise zustimmst, ist es ein Übergriff. Das heißt, du teilst dem anderen mit, dass er jetzt und hier und für diesen Zweck bereit bist, auf den Schutz seines Körpers zu verzichten.

Das kling alles höchst kompliziert, ist aber in der Praxis wesentlich einfacher.

Ausweitung des Gewaltbegriffs auf die Befindlichkeit

Heutzutage wird oft versucht, den Begriff der „Gewalt gegen jemanden“ zu erweitern. Der Schutz des Körpers wird auf die Psyche ausgedehnt - oder sogar auf den Schutz der jeweiligen Befindlichkeit. Insbesondere im Bereich der „sexuellen Belästigung“ werden oft bereits aufdringliche Blicke, Bemerkungen über den Körper oder „flotte Sprüche“ als Gewalt ausgewiesen.

Obgleich es absolut legitim ist, seine eigenen Begriffe von dem zu haben, was akzeptabel ist und was nicht, kann dabei aber nicht pauschal von „Gewalt“ gesprochen werden.

Ich weise darauf hin, dass ich hier keine juristischen Positionen vertrete. Wer mehr über die rechtliche Lage wissen will, muss einen Rechtsanwalt befragen.

Gamie – mono und poly

Da wäre die Monogamie. Sie sagt, dass wir mit einem einzigen Lebenspartner in einer dauerhaften und exklusiven Verbindung leben, in jedem Fall sozial, aber möglichst auch sexuell. Eigentlich ist die „Einehe“ gemeint, was „griffiger“ ist. Gelegentlich bringt man den Begriff auch mit einer „Treuebeziehung“ in Verbindung und schafft so einen ethischen Zusammenhang.

Dann wäre da noch die Polygamie. Sie heißt eigentlich „Mehrehe“ und wird fast ausschließlich für eine Rechtsform verwendet, in der Männer, seltener auch Frauen, mehrere Partner heiraten können. Ziel der Mehrehe ist ebenfalls eine soziale und sexuelle Verbindung.

Was hat die Treue mit der Monogamie zu tun?

Die „sexuelle Treue“ in der Ehe ist übrigens eine ethische Forderung, keine kulturhistorische Selbstverständlichkeit. Sowohl in der monogamen Beziehung wie auch in der polygamen konnten Männer Beziehungen zu „anderen“ Frauen unterhalten, soweit diese entweder zum Gesinde gehörten oder jedenfalls nicht aus dem „gleichen Stand“ waren. In manchen Kulturen hatten die Ehefrauen Anspruch darauf, begattet zu werden, was sie davor schützen sollte, dass die Männer sich bei sexuellen Aktivitäten mit Sklavinnen, Mägden oder Huren erschöpften und der Ehefrau den Beischlaf verweigerten.

Die Sprachverwirrer schufen die "serielle Monogamie"

Seit Soziologen sich aufgeschwungen haben, die Welt mit Begriffen dicht zu pflastern, wurde der Ausdruck „serielle Monogamie“ geschaffen. Das Wort „seriell“ steht für „Aneinanderreihen“ und findet eine Entsprechung in „Parallel“ – „nebeneinander befindlich“.

Und schon haben uns die professionellen Sprachverwirrer wieder gekrallt: Die „serielle Monogamie“ ist nicht „seriell“, und die „parallele Monogamie“ existiert in dieser Welt bestenfalls selten.

Entstanden ist der Begriff in den 1970er Jahren, als die Soziologie entdeckte, dass zahllose Ehen geschieden wurden und sich die „freigesetzten“ Frauen und Männer relativ schnell für eine neue Ehe oder Beziehung entschieden. War noch in den 1950er und 1960er Jahren die „eheliche Untreue“ der „Scheidungsgrund“, so wandelte er sich in den 1970er und 1980er Jahren zu der Vorstellung, die Ehe würde einengen und insbesondere Frauen „unfrei machen“. Nicht ganz parallel, aber nahezu zeitgleich, bekam die Frauenemanzipation starken Rückenwind. Es ging nicht mehr nur darum (wie in den 1970ern) sich „selbst zu verwirklichen“, sondern ein wirtschaftlich eigenständiges Leben zu führen – oder jedenfalls bei Bedarf und Notwendigkeit führen zu können.

Im Grunde ist also der Begriff „serielle Monogamie“ ein rotzfrecher Übergriff der Soziologie auf das Zusammenleben. Auch der frühe Witwer im 18. Und 19. Jahrhundert, dessen erste Ehefrau im Kindbett starb, strebte eine zweite oder gar dritte Ehe an. Viele Frauen wären nach den schrecklichen großen Kriegen froh gewesen, wenn sie Männer für eine zweite Ehe gefunden hätten. Wer sich im späten 20. Jahrhundert scheiden ließ und dennoch eine neue Ehe wagte, müsste eigentlich all unsere Hochachtung genießen - und nicht als „serieller Monogamist“ abgestempelt werden.

Erst kürzlich las ich den Begriff abwertend n einer Zeitung:

(Der Partner wird „oft Überganswahl bis zum Nächsten“) … serielle Monogamie nennt sich dieses Phänomen, wenn jemand eine lange, monogame Beziehung beendet – um danach die nächste zu beginnen.

Was immer sich Redakteurin oder Redakteur bei diesem Satz gedacht haben: Aus dem verständlichen Wunsch nach einer neuen Beziehung wird nun die „Übergangswahl bis zum Nächsten“ – also eine Abwertung nach dem Vorbild des soziologischen Sprachgebrauchs.

Zitat aus der "Morgenpost".

Zuhören ist eine Kunst

Die Kunst des Zuhörens ist in Deutschland nicht weit verbreitet. Ich bin mir nicht sicher, ob sie in der Schule gelehrt wird – dort ist „menschliche Kommunikation“ ohnehin eher ein untergeordneter Unterrichtsgegenstand.

Sagt man den Menschen, dass sich „zuhören“ erlernen lässt, sind sie oftmals verwirrt. „Zuhören“, so wird mir dann entgegnet, „könne doch jeder, aber nicht jeder sei auch in der Lage, Sätze zu formulieren.“

Das mag stimmen oder nicht, aber es hat mit der Kunst des Zuhörens gar nicht zu tun. Denn „zuhören“ bedeutet, etwas aufzunehmen, um es zu verstehen. Es kann auch bedeuten, dem Gegenüber die Möglichkeit zu schenken, eine Sache, einen anderen Menschen oder sich selbst besser zu verstehen.

Falls ihr das bisher nicht so gesehen habt – versucht es einfach mal. Es hilft euch und den Menschen, mit denen ihr zusammentrefft.