Skip to content
Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Fetisch Persönlichkeit

Fetisch, Fassade, Persönlichkeit?
Ein Fetisch ist im Grunde etwas, dem magische Kräfte zugeschrieben werden. Es kann er auch ein Götzenbild des Daseins beinhalten.

Die Persönlichkeit ist einer der populärsten Fetische der modernen Gesellschaft - kein Wunder also, dass sich Psychologen und Scharlatane gleichermaßen damit beschäftigen. Zudem haben viele Geschäftemacher entdeckt, dass mit „Persönlichkeitsbildung“ das große Geschäft zu machen ist. Wer im Internet sucht, kommt sich vor wie auf der „Pararade“ einer Schaubude. Da werden durch die Ausrufer enorme Versprechungen gemacht. (1) Beispielsweise, dass die geheimnisvolle Dame, die ihre Schönheit noch hinter einer Tüllgardine verbirgt, im Inneren alles fallen lassen wird und dann in paradiesischer Schönheit zu besichtigen ist. Real betrachtet und auf die Persönlichkeit bezogen: Wer seine eigene Persönlichkeit wirklich verstehen oder gar verändern will, braucht viel Zeit, Geduld und Umsicht. Und ob das Unterfangen lohnend ist, weiß niemand so recht.

So weit zum „Fetisch Persönlichkeit“ und dem Jahrmarkt, auf dem diese Attraktionen zur Schau gestellt wird.

Vom Jahrmarkt zur Realität des Alltags - was ist "Persönlichkeit"?

Fragt sich, was denn nun die „Persönlichkeit“ ist - und dafür gibt es folgende zuverlässige Quelle (2):

Persönlichkeit ist die Gesamtheit aller überdauernden individuellen Besonderheiten im Erleben und Verhalten eines Menschen.
Falls ihr jetzt sagt „ach so … “ dann denkt ihr genau das, was die meisten denken. Sie vermuten viel zu viel hinter dem Wort, denn die Summe der „Persönlichkeitsmerkmale“ ersetzt heute das früher gebrauchte Wort „Charakter“.

Um eben diesen Charakter, also die Beurteilung und Auswirkung von Persönlichkeitseigenschaften geht es, wenn wir aus den vielfältigen Persönlichkeitseigenschaften einige herausgreifen, die für „relevant“ gehalten werden. Je nachdem, wer sie für relevant hält, werden sie anschließend zu Gruppen zusammengefasst und „etikettiert“. Oder, noch mal mit der klassischen Definition (2):

Neben dieser funktionsorientierten Klassifikation gibt es empirisch begründete Klassifikationen nach Ähnlichkeit der Verwendung von Eigenschaftsbegriffen im Alltag.

Begonnen hat alles mit dem Berühmten, gleichwohl ebenso umstrittenen Carl Gustav Jung. In den USA ist nach wie vor der Myers-Briggs-Test populär, der eine ähnliche Basis hat. Über ihn definieren sich heute noch viele Personen. Vier Buchstaben, und du weißt, wozu die Person taugt - jedenfalls nach Meinung der Anhänger dieser Theorie. In manchen westlichen Ländern glaubt man, das Fünffaktoren-Modell sei der Schlüssel zur Persönlichkeit. Dies ist allerdings hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass „die Persönlichkeit“ bei all diesen Modellen auf bestimmte Eigenschaften reduziert wird, unabhängig davon, ob sie eine tatsächliche, weitreichende Bedeutung haben. Die Kritik wird allerdings weitgehend vernachlässigt, damit das Gedankengebäude, was darüber errichtet wurde, nicht zusammenfällt. Konkret geht es um den „lexikalischen Ansatz“, also die Annahme, dass Begriffe zu Fakten werden und damit nicht mehr infrage gestellt werden dürfen.

Was müssen wir nun mitnehmen von der „Persönlichkeit“?

Zunächst einmal, dass nur wir selbst genau wissen können, was uns ausmacht, den wir sind die einig zuständige Instanz. Dabei können wir irren - der Psychologe redet ja von Unterschieden im Selbst- und Fremdbild. Auch solche Aussagen sind allerdings mit Vorsicht zu behandeln. Sogenannte „facettenreiche“ Persönlichkeiten lassen sich nur schwer einordnen, und das moderne Leben fordert uns mehrere Rollen ab, die wir alle „in Person“ spielen.

Wenn dies gesagt ist, fehlt noch ein Satz: Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile. Persönlichkeit wird von unserer Umgebung als Ganzes wahrgenommen und nicht anhand der Bestandteile zerpflückt. Und weil dies so ist, sollten wir uns wenig Gedanken um unsere Persönlichkeit machen, sondern versuchen, mit ihr zu leben.

(1) Praxis der Schaubude.
(2) Dorsch.
Bild: Liebesverlag-Archiv, Schaubühne auf einem Volksfest, nachkoloriert.

Trackbacks

Keine Trackbacks

Kommentare

Ansicht der Kommentare: Linear | Verschachtelt

Noch keine Kommentare

Kommentar schreiben

Umschließende Sterne heben ein Wort hervor (*wort*), per _wort_ kann ein Wort unterstrichen werden.
Standard-Text Smilies wie :-) und ;-) werden zu Bildern konvertiert.

Um maschinelle und automatische Übertragung von Spamkommentaren zu verhindern, bitte die Zeichenfolge im dargestellten Bild in der Eingabemaske eintragen. Nur wenn die Zeichenfolge richtig eingegeben wurde, kann der Kommentar angenommen werden. Bitte beachten Sie, dass Ihr Browser Cookies unterstützen muss, um dieses Verfahren anzuwenden.
CAPTCHA

Formular-Optionen