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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Wie viele Wörter schreibt ein Schriftsteller am Tag?

Ich sage es euch deutlich
Die Frage, wie viele Wörter ein Schriftsteller am Tag schreiben kann, bewegt nicht nur die Autoren selbst, sondern auch Schreibtrainer, die behaupten, wahre Rennmäuse aus dir machen zu können. Zwischen 2.000 und 10.000 Wörter pro Tag werden versprochen. Ganz extreme Web-Autoren behaupten sogar, 2.000 Wörter pro Stunde schreiben zu können und sie vermarkten dazu sogar bisweilen „Trainingsprogramme“.

Kommen wir mal herunter von Märchen und Sagen und beschäftigen wir uns mit der Realität: Schreiben ist niemals nur Schreiben, sondern immer noch etwas anderes: Nachdenken, beobachten, recherchieren, verifizieren, redigieren, ändern und fortwerfen.

Fakten, die glamourös erscheinen - und was dahinter steht

Die Fakten haben zunächst auch den „Glamour“ des Exotischen, allen voran Michael Crichton und Ronald Frederick Delderfield die beide behaupteten, 10.000 Wörter am Tag zu verfassen. Crichton offenbarte allerdings einen Teil des Erfolgs, indem er sagte:

Bücher werden nicht geschrieben sie werden umgeschrieben – deine eigenen auch. Das ist eine der härtesten Fakten, die du akzeptieren musst.


Wenn du über 3.000 Wörter am Tag schreibst und keines davon später löscht, kannst du schon als Vielschreiber gelten – das sind immerhin fast 700.000 Wörter im Jahr bei 230 Arbeitstagen. Da kommst du schon recht nahe an Erle Stanley Gardner, dem Autor der „Parry Mason“-Romane (er schrieb 82 derartige Romane).

Wie viele Wörter schreibt der "normale" Autor?

Doch, was ist mit „ganz normalen“ Autoren? Man kann sagen: Je trivialer, umso größer ist die Produktion. Wir haben schon gehört, dass die Autorinnen und Autoren von Groschenromanen gegen 3.000 Wörter pro Tag schreiben, während die nachdenklicheren zwischen 500 und 2.000 Wörter zu Papier oder zu Festplatte bringen (aber nicht notwendigerweise auch beibehalten). Das macht im Jahr bei 230 Arbeitstagen (viele Schriftsteller arbeiten allerdings täglich) zwischen rund 115.000 und 460.000 Wörter, von denen je nach Schreibweise des Autors am Ende zwischen einem Drittel und zwei Drittel übrig bleiben.

Was kann der Autor nun in einem Jahr erschaffen? Wir haben schon gehört, dass Autoren ungefähr zwischen zwei und acht Seiten pro Tag schreiben können. Das heißt: Ein Roman mit 320 Seiten könnte in relativ kurzer Zeit das Licht der Welt erblicken – ja, man könnte doch tatsächlich mehrerer Romane in einem einzigen Jahr schreiben.

Warum du viel weniger veröffentlichst als du an Wörtern schreibst

Soweit die Theorie. Wir haben vergessen: Es geht beim Schreiben um geistige Arbeit, und indem wir uns dies vor Augen halten, wird die Sache wirklich kompliziert. Wer sinnvoll, geschliffen oder literarisch hochwertig schreiben will, muss bereit sein, das Geschriebene wieder und wieder zu überarbeiten – vor allem aber zu kürzen. Das Tagespensum kann auch kaum jeden Tag erfüllt werden: Auch der Autor hat einen Alltag und muss sich gelegentlich um seine Gesundheit, Ernährung oder seinen Finanzen kümmern – abgesehen davon, dass die Muse nicht jeden Tag vorbeischaut, um ihre Küsse abzuliefern.

Dabei kommt dann beispielsweise heraus, dass Tom Wolfe (A Man in Full, deutsch: „Ein ganzer Kerl“) elf Jahre brauchte, um diesen Roman zu schreiben.

Faustregel: Der Profi kann einen Roman pro Jahr schaffen

Maximal, so wird immer wieder behauptet, können man einen Roman pro Jahr schreiben, wenn man ihn von Grund auf selbst entwerfe, recherchiere, schreibe, kürze und umschreibe.

Wie viele Wörter kann ein Hobby-Schriftsteller pro Tag schreiben?

Der Liebhaber der Schriftstellerei, also der Amateur, sollte mit maximal 200 Wörtern pro Tag kalkulieren. Das sind ungefähr 46.000 Wörter in 230 Arbeitstagen – was immerhin für eine Novelle reichen könnte. Besser wäre freilich, mit Kurzgeschichten zu beginnen.

Einige Fakten entnahm ich diesen beiden Beiträgen: Thriller Guy - How many words... und Word counts of 39 authors. Dieser Beitrag enthielt vor der Übernahme in das Blog 520 Wörter im überarbeiteten Text, der ohne Recherche begonnen werden konnte, weil es sich im Wesentlichen um eine Umschreibung eines anderen Artikels von mir handelt. Am 4. November 2018 wurde ein Zahlendreher korrigiert. Sorry.

Zwölf Tipps für Autorinnen und Autoren

lesen und schreiben - aus passion
Autoren können wir alle sein. Ob wir nun E-Mail-Romane (aka Briefromane, gerade wieder populär), Tagebücher oder Blogs schreiben: Wir sind Autoren. Selbstverständlich könnten wir auch Berichte, Kolumnen oder sonstige Artikel für die Presse schreiben. Dann wären wir Journalisten. Und wir könnten uns an Romane wagen. Dann wären wir die Königinnen und Könige der Schreibkunst, gleich, wie beschissen wir schreiben: Schriftsteller.

Ich fand einige Tipps zum Schreiben, und ich habe sie um einige weitere ergänzt:

1. Schreiben Sie viel, und versuchen Sie sich in allen Genres.
Schreiben Sie täglich, und versuchen sie, wenigstens 300 Wörter zu schreiben. Falls Sie Romane schreiben wollen (aber auch sonst wichtig): Legen Sie jede Seite ein paar Tage in den Brutschrank, und lesen Sie ihren Text dann nochmals vom Original laut vor. Versuchen Sie sich an Standards: Kurzgeschichten, Geschichten mit 100 Wörtern, Kolumnen und Blog-Artikeln.

2. Lesen Sie, schreiben Sie um
Lesen Sie, versuchen sie, den Stil des anderen nachzuvollziehen und schreiben sie den Text dann so um, wie Sie ihn schreiben würden. Versuchen Sie, in mehreren Zeitformen und Stilrichtigen zu schreiben. Lesen Sie Texte aus dem 19. Jahrhundert und achten Sie auf die Formulierungen. Experimentieren Sie mit modernen Stilformen wie SMS oder E-Mail-Nachrichten.

3. Analysieren Sie Wörter, Sätze und ganze Texte
Analysieren heißt nicht, intuitiv zu erfassen, so wie ich es im dritten Tipp beschrieben habe. Achten Sie auf die Wortwahl, die Länge der Sätze, die Struktur. Wie baut der Autor seine Figuren auf? Welche Möglichkeiten gibt er ihnen? Wie logisch oder realistisch sind sie?

4. Knüpfen Sie an Ereignisse und Realitäten an
Manche Autoren schreiben so, als seien sie bei wichtigen Ereignissen, die es tatsächlich gab, dabei gewesen. In jedem Fall aber können Sie das tatsächliche Zeitgeschehen in ihre Erzählung einbauen.

5. Schreiben Sie am frühen Morgen, wenn Sie können
Es ist manchmal schwer, vor dem „eigentlichen“ Arbeitsbeginn als Buchhalterin oder Programmierer ein paar Sätze zu Papier zu bringen. Aber: Notieren Sie dann wenigsten die Gedanken, die Ihnen beim Duschen oder beim Frühstück eingefallen sind.

6. Vermeiden Sie in jedem Fall Klischees
Haben Sie jüngst einen Fernsehkrimi oder eine Liebesschnulze gesehen? Da folgt Klischee auf Klischee, und die Autoren glauben, wir doofen Zuschauer merken es nicht. Allerdings können Sie auch Klischees aneinanderreihen, um sie ad absurdum zu führen. Das passiert zum Beispiel in der britischen Fernsehserie „Coupling“.

7. Lassen Sie Gefühle zu
Der beste Weg, um gegen Klischees zu kämpfen, ist authentische oder ungewöhnliche Gefühle zu äußern. Dazu gehört Mut, und wahrscheinlich werden Sie angegriffen, wenn Sie zu geil sind oder zu sehr hassen. Dazu passt Punkt sechs.

8. Sie müssen kein „braves Kind“ mehr sein
Vergessen Sie ihre „Wohlanständigkeit“, und mit ihr die Welt Ihrer Eltern, Großeltern, Tanten und Onkel. Wichtig ist, was Sie denken und fühlen und nicht das, was andere möglicherweise dagegen einwenden. Es ist Ihr Werk.

9. Schreiben kann schmerzen
Wenn Sie schreiben, können bei Ihnen selbst Gefühle hervorgerufen werden, die Ihnen nicht „geläufig“ sind. Versuchen Sie, gerade diese Gefühle hervorzubringen und nicht zu unterdrücken. In ihnen steckt Explosivkraft, die Sie nun auf Ihre Figuren abwälzen können.

10. Finden Sie den besten Ort zum Schreiben
Meist ist es nicht das Klo, Bei mir ist es immer mein großzügiges Büro, in dem ich Ruhe habe. Andere ziehen sich auf Hütten und Dachböden zurück oder schreiben in Cafés oder auf Parkbänken. Leider ist eine enge Beziehung oft ein Schreibhindernis: Erbitten Sie sich Freiräume.

11. Schreiben Sie ruhig in Kladde
Nicht jeder ist so formulierungssicher, dass er sofort „ins Reine“ schreiben kann, auch bekannte Autoren nicht. Es ist besser, ein wüstes Manuskript, sogar ein solches mit Flüchtigkeitsfehlern, im Kasten zu haben als gar keines fertigzubringen.

12. Schreiben Sie aus Passion und weil sie es wirklich wollen
Schreiben Sie, weil sie wirklich schreiben wollen. Jeder Lektor oder spätere Leser bemerkt, ob sie aus Passion geschrieben haben oder um Seiten zu füllen. Sie können auch mit „Seitenfüllen“ Geld verdienen und berühmt werden. Aber das ist selten.

Das Fazit und eine der Quellen für meine Inspiration

Einen kleinen Teil dieser 12 Punkte habe ich dem Blog von „Girly Juice“ als Anregung entnommen. Dieser Text ist aber weder eine Kopie, noch eine Übersetzung des Originaltextes, der in eine andere Richtung führt. Der wichtigste Satz, den ich jemals gehört habe und weitergebe, kommt aus einer ganz anderen Richtung:

Lassen Sie ihren Figuren die Freiheit, sich zu entwickeln.


Es hat keinen Sinn, wenn sie nur bis an IHRE Grenzen gehen dürfen. Oder, ultrakurz: Ihre Figur darf das.

Hinweis: dieser Artikel kann in abgewandelter Form auch in mehreren meiner Medien erscheinen.