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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Der sogenannte Osten ist (fast) durchgängig „Blau“

Einst sagte man in der alten Bundesrepublik auch „Neufünfland“, wenn man das meinte, was andere als „neue Bundesländer“ oder gar als „Mitteldeutschland“ bezeichneten. Heute fühlen sich viele Bürger der ehemaligen DDR als „Ostdeutsche“ oder „Ossis“, ein Name, der ebenso unsinnig ist. Wären sie sich klar, dass sie Bürger der Bundesländer sind, in denen sie leben – aber ansonsten „Deutsche“ und vielleicht „Europäer“, wäre schon viel geholfen.

Nun also waren Wahlen – und die viel verbreitete Karte der Wählergunst zeigt uns klar, wo die innerdeutsche Grenze einst verlief.

Rechts ist Deutschland satt mit der blauen Farbe vertreten, links ist sie mehrfarbig. Mal schwarz, mal rot, gelegentlich grün, und dann und wann auch blau.

Kann sein, dass ich etwas übersehen habe. Links aus der Karte stechen Kaiserslautern und Gelsenkirchen mit der blauen Farbe hervor, rechts die Heimat meiner weit entfernten Vorfahren, Erfurt. Ich habe Zweitstimmen aufgerufen, weil sie die Meinung über die Parteien repräsentieren. Erststimmen können anders lauten. Zum Beispiel in Leipzig und sogar in einem Teil des Spreewalds, ganz abgesehen vom bunten Berlin.

Was ich vermisse? Die Solidarität zwischen den Norddeutschen, namentlich jenen in Mecklenburg-Vorpommern. Da ich im Norden geboren wurde und den Geist der Liberalität sozusagen eingeatmet habe, bin ich enttäuscht, dass die politische Einstellung mehr zählt als die Mentalität. Denn theoretisch verbinden das Meer, der Handel und die Traditionen der Kaufmannschaft die Städte an der Küste mehr als die Politik.

Und darüber denke ich wirklich nach.

Undankbarer Osten?

Merkwürdig – es gibt kaum Menschen in den fünf neuen Bundesländern, die Westdeutschen für die Wiedervereinigung und das viele Geld, das in den Osten aus dem Westen in den Osten herübergeflossen ist, bedanken. Stattdessen wurden Menschen aus dem Westen von Anfang an als „Besserwessis“ verhöhnt.

Dieser Undank prallt an mir ab, und dies aus gutem Grund: Ich habe während meines Berufslebens einige Kollegen gefördert und musste nach vielen Jahren ebenfalls feststellen: Sie vergessen ihre Förderer. Und wenn ich es sehr genau nehme: Ich denke auch nicht jeden Tag an die Menschen, die mich gefördert haben, so wenig, wie ich immer an die denke, die mir schaden wollten.

Allerdings – da war ja dieser Helmut Kohl, der mit seiner CDU immerhin offiziell als Vater der Wiedervereinigung gilt. Müsste seiner Partei im Osten nicht jede Art von Dankbarkeit zuströmen? Hätten nicht alle die CDU wählen müssen, weil sie den Ex-DDR-Bürgern schließlich die Freiheit zurückschenkte? Oder wenigstens Bündnis 90, wenn man die Sache als Freiheitskampf der DDR-Bürger umwertet? Ich hätte für beide Einstellungen Verständnis.

Aber nein. Am Beispiel Sachsen zeigt sich: Das Volk erweist sich von Anfang an undankbar gegenüber Bündnis 90, (1990 5,9, 2017 4,6 Prozent) und vergisst sehr schnell, wem sie den Erfolg (auch den wirtschaftlichen Erfolg) verdanken. CDU haben 1990 noch 49,5 Prozent gewählt – 2017 waren es nur noch 26,0 Prozent. Stattdessen wählte man bald eine Partei, die sich nach verschiedenen Namen heute, als „Die Linke“ bezeichnet – so, als ob man vom Sozialismus immer noch nicht genug hätte. Den Zenit ihrer Erfolge feierte diese Partei 2009, als man fast ein Viertel der Stimmen in Sachsen einheimste. Und 2017 schwenkt der sächsische Neidbürger plötzlich auf die AfD um und versorgt sie mit 27 Prozent der Stimmen – einer Partei, die weder am Aufbau der Neuen Bundesländer beteiligt war noch ihre Zukunft im Auge hat.

Ich will hier nicht zu weit gehen – ich lebe in einem der neuen Bundesländer und weiß, dass es hier sehr vernünftige Menschen gibt, die wissen, was ihnen selbst, ihrem Bundesland und Deutschland gut tut.

Aber ich weiß auch, dass der viel gebrauchte Satz „Ostdeutschland fühlt, sich abgehängt“ so nicht stehen blieben kann. Ostdeutschland wurde nicht „abgehängt“ – sondern großzügig gefördert. Und wenn man sich „abgehängt fühlt“, sollte man sich zuerst fragen: Warum fühle ich mich eigentlich so?

Eine mögliche Erklärung finde ich hier jeden Tag an den Würstchenbuden und Markständen: Wenn früher „alles vom Staat kam“, dann muss heute auch „alles vom Staat“ kommen. Und das halte ich für das eigentliche Übel – denn Politik erwächst aus dem Handeln des Einzelnen und dafür gilt, was Kennedy einst sagte:

Frage nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern was du für dein Land tun kannst!


Der Spruch mag angegraut klingen, aber für jeden Menschen gilt, dass er zuerst für sich sorgen sollte. Wenn er dazu fähig ist, auch für andere, und schließlich für seinen Staat. Nur, wer dazu nicht in der Lage ist, darf die Lösungen seiner Probleme durch den Staat erwarten.