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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Psychoanalyse und Therapie

Künstlerdarstellung des Kampfes mit Dämonen (Südafrika)
Psychoanalyse und Therapie - aus der Sicht des Beobachters im 21. Jahrhundert

Die meisten Menschen, die man nach der Psychoanalyse fragt, sehen den Fragesteller entweder befremdet oder bewundernd an. Zumeist haben zumindest Abiturienten ein rudimentäres Wissen: „Aha, Freud …“ oder „da war doch die Sache mit dem Unbewussten, nicht wahr?“ Manche gar können die ICH-Zustände benennen oder wissen, dass die Angelegenheit etwas mit Kindheitserfahrungen zu tun haben soll.

So weit, so gut. Freud, der Wiener Arzt und Erfinder der neuen Wissenschaft, wird nach wie vor vergöttert, und seine Lehre wird für das Evangelium gehalten. Wer sie nicht heiligt, begeht so eine Art Gotteslästerung. Dabei werden die Verdienste des Sigmund Freud nicht geschmälert, wenn man nicht so schrecklich dick aufträgt. Denn wenn jemand genau hinschaut, wird er immer finden: Der Klient ist derjenige, der sein eigenes Problem lösen muss. Der Therapeut ist sozusagen ein Helfer dabei, ohne den es oft nicht möglich ist, den „Knoten“ zu lösen.

Würde jeder so denken, dann hätten wir alle wesentlich weniger Vorbehalte gegen die Psychoanalyse oder auch gegen die Therapieschulen.

Reden wir mal von Letzterem. Die „Inflation der Therapieformen“ ist - zumindest für Deutschland - zusammengeschrumpft. Wir hören, dass es noch drei Formen gibt, die den Segen der Mediziner erhalten haben:

Psychodynamische Verfahren

Das Ziel ist, die Lebensgeschichte aufzuhellen und dort die „Knoten“ zu finden. Naturgemäß kann dies recht lange dauern. Die Therapie beruft sich im Wesentlichen auch heute noch auf Sigmund Freud.

Verhaltenspsychologische Verfahren

Wie der Name sagt, geht es dabei um jenes Verhalten, das den Klienten stört. Versucht wird, dieses Verhalten zu verändern und die Selbstregulation wiederherzustellen. Die Methode gilt als relativ verlässlich. Als Entdecker wird oft Frederic Skinner genannt.

Systematische Verfahren

Im Grunde ist damit die Familientherapie gemeint, aber auch alle sonstigen Verfahren, die das soziale Umfeld mit einbeziehen. Die Therapie ist relativ neu und hatte viele Mütter und Väter. Sie ist die einzige bislang bekannte Therapie, die sich im theoretischen Teil auf die Kybernetik beruft.

Deutsche Ansichten: Gesprächstherapie zweitrangig

Es gab und gibt andere aussichtsreiche Verfahren, die aber nicht den Segen der Gremien bekam, die in Deutschland entscheiden, was gut und sinnvoll ist. Besonders die Gesprächspsychotherapie, entdeckt und beschrieben von Carl Rogers, geriet in die Mühlen der Gutachter. Sie wurde mal anerkannt, dann aber auch wieder nicht.

In den USA und den meisten anderen Ländern existiert eine solche Diskussion nicht, im Gegenteil:

Sie ist eine der einflussreichsten und grundlegendsten Behandlungsmethoden in der modernen psychologischen Praxis und wird in der modernen Psychotherapie fast universell angewendet. Sie wird jedoch selten als alleinige Therapieform verwendet, sondern typischerweise wird sie mit anderen Therapieformen kombiniert.

(Englische Wikipedia)

Würden wir die Sache einmal auf das Wesentliche reduzieren, nämlich innere Konflikte aufzulösen, die nahezu jeden betreffen, dann wären wir einen Schritt weiter. Nahezu jeder Mensch hat diese Konflikte, und bevor daraus „Neurosen“ entstehen, haben die meisten Menschen Gelegenheit und Mittel, darauf einzuwirken.

Wäre diese Sichtweise ein erster Schritt, die Dinge auf die Erde zurückzuholen? Immerhin finden die Konflikte ja im Hier und Jetzt statt.
Foto: © 2021 by Liebesverlag.de

Zitate und zum Weiterlesen:

DVP (differenziert) Was ist Psychoanalyse?
Psychoanalytische Erläuterung als Kontrast zum Vorgenannten.
Hervorgehobenes Zitat: Wikipedia, englisch.



Multiple Persönlichkeiten?

Und was machen wir nun gemeinsam?
Kein Kybernetiker (1) würde unterschreiben, dass die körpereigene CPU (2) nur eine Persönlichkeit managen kann. Jeder, der sich mit Datenverarbeitung beschäftigt würde dies bezweifeln und einen neutralen Beweis dafür fordern.

Ich las gerade darüber, wie Psychologen und Psychiater eine „Multiple Persönlichkeit“ sehen. Sie sagen, es sei eine „gespaltene“ Persönlichkeit, und sie mögen dann recht haben, wenn die eine Persönlichkeit nichts von der anderen weiß und sie auch nicht anerkennt. Was aber, wenn beide Persönlichkeiten friedlich, kreativ und sinnvoll zusammenarbeiten?

Die andere Frage, die ich mir stelle: Wie, bitte schön, soll ein Schriftsteller „Figuren“ schöpfen, wenn er nur eine Persönlichkeit in sich zulässt? Wie soll er einen Dialog schreiben, wie die Gefühle eines sinnlichen Mannes oder einer korrupten Frau nachvollziehen? (Ich verwende diese Figuren hier bewusst, weil sie keinem gängigen Klischee entsprechen).

Fällt euch dazu etwas ein?

(1) Jemand, der sich mit Steuer- Regel-. und Rückkoppelungsprozessen in Technik und Natur beschäftigt.
(2) CPU - Grundbaustein des Computers, etwas flapsig für das Gehirn verwendet.

Wo die Sprache nicht ausreicht – kurze Gedanken zur Kommunikation

Früher versuchte man, die Seele sprechen zu lassen. Außer einigen hübschen Versuchen kam nichts dabei heraus als die Erkenntnis:

Spricht die Seele, so spricht die Seele nicht mehr.


Nun die Herren Goethe und Schiller, deren Korrespondenz das Zitat zugeschrieben wird, wussten nichts von Kybernetik und sehr wenig von Kommunikation. Doch was sie als Dichter sicher wussten, war dies: Gefühle gilt es, zu umschreiben. Wie überhaupt alles, für das und eine exakte Definition fehlt – und das ist leider sehr viel von dem, was unseren Alltag nicht unmittelbar berührt.

Bei Farben haben wir eine genaue Vorstellung, und sie zu beschreiben, ist nicht schwierig. Hingegen finden wir – beispielsweise - für erotische oder sexuelle Empfindungen oft gar keine Worte. Wir neigen dazu, diese Gefühle zu vereinfachen und sie qualitativ einzuordnen. Dieses Gefühl ist „schön“, jenes ist „eklig“. Für einen Schriftsteller ist diese Vorgehensweise unerträglich – oder sie sollte es wenigstens sein.


Woran liegt das?

Der Kybernetiker weiß es. Die Gefühle, die uns bewegen, sind aus vielerlei Gründen nicht austauschbar. Sehen Sie: Grün ist niemals „grün“ sondern der Name, den wir der Farbe gegeben haben. Wir haben anderen gesagt: Schau, das ist grün. Und weil diese etwas sahen, das wir als „grün“ bezeichneten, wussten sie nun, was wir mit „grün“ meinten.

Welchen Namen geben wir Gefühlen? Ob es sich um „Schmerz“, „Sehnsucht“ oder „Geilheit“ handelt – wir kennen ein paar Namen, aber normalerweise differenzieren wir nicht einmal. Wir würden nie sagen: „Ich habe da farbige Rosen gesehen“, sondern wir sahen Rosen in bestimmten Farben. Aber wir sagen mit der allergrößten Nonchalance: „Ich habe da einen Schmerz.“ Gefühle „haben“ wir immer. Und wir neigen dazu, sie in „schlecht“ und „gut“ einzuteilen. Nein, wir sahen niemals Rosen in schlechten Farben. Aber wir hatten schon mal schlechte Gefühle.

Wo wir keinen gemeinsamen Zeichenvorrat haben, müssen wir ihn schaffen. Schriftsteller(innen) sollten das können, auch wenn es mühevoll ist. Vielleicht fragt ja demnächst jemand: Welche Farbe hat dein Gefühl? Das wäre ein kleiner Schritt.

Und ach, das wäre noch etwas: Gefühle sind oft mehrschichtig. Sie lassen sich gar nicht mit einem Wort erfassen, sondern nur durch eine große Anzahl von Sätzen, aus denen wir am Ende entnehmen können – „mhh, so ähnlich wäre das bei mir auch.“

Mich hat einmal eine Szene sehr nachdenklich gemacht: In einer Psycho-Gruppe saß eine Frau, die einer anderen sagte: „Ach ich kann deine Gefühle sehr gut verstehen.“ Die Leiter solcher Gruppen freuen sich immer, wenn sie so etwas hören. Sie glauben wohl wirklich, dass die Gefühle des anderen verstanden wurden.

Ich bezweifle dies. Für mich ist es eine Floskel: Die eine Frau hat in der anderen etwas angeregt, von dem sie dachte, es sei ähnlich. Von einer Übereinstimmung konnte gar keine Rede sein. Beide bemühten sich auch später nicht, sich über die „gemeinsamen“ Gefühle auszutauschen.

Das Beispiel mag Ihnen zeigen, wie unglaublich scher es ist, echte Gefühle zu „transportieren“. Und Sie dazu noch trösten: Es ist nicht einfach ist, ein Schriftsteller zu sein.

Das Darüber-Hinwegkommen – ein Baustein des Seins

Die Welt, in die wir hineingeboren werden, folgt nicht unseren Wünschen, was zum größten Teil daran liegt, dass andere auch Wünsche an die Welt haben, die sich mit unseren Vorstellungen kreuzen. Das heißt: Indem wir unsere Wünsche verwirklichen, nehmen wir anderen möglicherweise einen Teil ihrer Lebensfreude, und sie wehren sich dann dagegen. Selbstverständlich kann es auch sein, dass wir uns mit ihnen zusammentun, sie lieben, an einem Strang ziehen und miteinander erfolgreich sind. Dennoch müssen wir damit rechnen, von anderen eben auch abgewiesen oder abgewehrt zu werden.

Ich las gerade, dass die Aufforderung „Drüber hinweg zu kommen“ eine „Floskel neoliberaler Verwertungslogiken“ ist. Demnach wäre jede Aufforderung, in sich zu gehen, zu sich selbst zurückzukehren oder auch nur, sich selbst zu verändern, aussichtslos.

Wenn es aber aussichtslos wäre, dann könnten diejenigen, die diese Hürden nicht mehr überspringen können oder mögen, auch nicht mehr glücklich werden.

In Wahrheit ist das Drüber-Hinweg-Kommen ein Baustein des Seins, ein Teil der Kybernetik des Lebendigen, also eine Selbstregulierungskraft, die normalerweise vorhanden ist, individuell aber gelegentlich versagt. Fall sie nicht funktioniert, ist die an sich kein Schaden: Uns wird dadurch bewusst, wie es uns gerade ergeht. Unser Gehirn sagt uns: „Pass auf, du musst Maßnahmen ergreifen, sonst geht etwas schief.“ Das ist gut so, denn dann beginnen wir zu begreifen, dass wir etwas ändern müssen. Was es ist? Da sagt uns unser Gehirn nicht. Also fragen wir andere und bitten sie um Hilfe. Das ist ganz normal. Von der Freundin über die Selbsthilfegruppe bis zum Therapeuten gibt es solche Hilfen, und manchmal reicht ein einziges Gespräch, um wieder „zu Sinnen“ zu kommen.

Es ist gut, zu sich selbst zurückzufinden, gleich ob man es aus Selbstliebe oder aus Vernunft versucht.