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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Die deutsche Presse - auf wen hört sie im Ukraine-Krieg?

Die deutschen Kommentatoren üben weiterhin eine „begleitende Kriegsberichterstattung“ zur Ukraine ein. Doch was auch immer sie sagen: Wolodimir Selenski ist allenthalben durchzuhören, solange es nicht um eine Beendigung des Krieges geht. Die Tatsache, dass es jetzt und in einer absehbaren Zeit keine Pläne für einen realistischen Friedensschluss gibt, ist offenkundig.

Die deutsche Presse hat eine merkwürdige Meinung, die kaum noch von jemandem in der Bevölkerung geteilt wird. Vor allem die Kolumnisten schreiben munter drauflos, geradezu so, als seinen sie nicht ferne Beobachter, sondern Feldherren vor Ort. Vor allem deshalb kritisiert die NZZ (Benedict Neff) über deutsche Kolumnisten:

Die Ukraine könne den Krieg gegen die russische Invasionsarmee gewinnen, liest man in den Zeitungen. Nach über drei Monaten Krieg haben sich die russischen Soldaten allerdings im Osten des Landes festgesetzt. Ist die Berichterstattung westlicher Medien zu stark von Wunschdenken geprägt?

Eine Lösung hat niemand: nicht Selenski (Zelensky), nicht der Westen, nicht die USA und nicht die EU. Viel zu früh wird über die „Zeit danach“ geredet - weil noch niemand weiß, wie diese Zeit aussehen wird. Die Hektik, mit der über eine Aufnahme der Ukraine in die EU gefordert und betrieben wird, befremdet. Wie wird das Land aussehen, falls es tatsächlich zu einem dauerhaften Friedensschluss kommen sollte? Was, wenn die Ukraine eine Krisenregion bleibt? Haben wir nicht gerade genug Probleme in der EU?

Drei Tatsachen sind weitgehend unumstritten:

1. Wir sollen und müssen humanitäre Hilfe leisten.
2. Wir müssen jede Möglichkeit, einen Frieden herzustellen aufgreifen, wann immer sich die Gelegenheit ergibt.
3. Die NATO muss gestärkt werden, um ihre heutigen Außengrenzen zu schützen.


Alles andere kann, darf und soll diskutiert werden. Der Kommentator der NZZ weiß so gut wie jeder andere, dass die Ukraine jetzt Rückhalt benötigt, bezweifelt aber, dass dort vorrangig „westliche Werte verteidigt“ werden. Doch er mahnt an, dass unsere (deutschen) Medien deshalb noch lange nicht „die ukrainische Kommunikationsstrategie mittragen müssten.“ Genau die ist es nämlich, die mittlerweile verwirrt und selbst sehr gutwillige Menschen ermüdet und befremdet.

Der Herr Hofreiter und sein Populismus

Die Gefahr. dass sich „ein Krieg hinzieht“ ist gegeben, daher ist die neuerliche pressewirksame „Expertise“ von Herrn Hofreiter völlig überflüssig. Im Gegenteil: Der Mann nervt mit seinem Streben nach Popularität. Ich empfehle ihm die Lektüre eines Artikels für Kinder über den Vietnamkrieg, der bekanntlich 20 Jahre dauerte - von 1955 bis 1975. Und falls die Version für Kinder nicht ausreicht, empfehle ich die Schilderung der Bundeszentrale für politische Bildung.

Und nein - ich schreibe nicht über Kriegshandlungen - mir geht es um die Darstellung Deutschlands in der Presse, die derzeit völlig aus den Fugen gerät.

Den Krieg ausnutzen – tut es die Presse nicht längst?

Ich bekam heute eine E-Mail, durch die werbetreibende Blogger gewarnt werden, den Krieg auszunutzen, zu leugnen oder zu billigen.

So weit die Warnung an Blogger. Ich bin nicht betroffen, weil ich den Dienst nicht aktiv nutze.

Doch bei dieser Gelegenheit fällt mir auf, dass die deutsche Presse den Krieg übermäßig in den Vordergrund drängt. So weit es dabei um aktuelle Nachrichten und erschütternde Tatsachen handelt, ist das ihre Pflicht. Doch die Medienleute wissen auch, dass sich Fakten nur schwer vermarkten lassen. Spektakuläre Meinungen werden viel häufiger gelesen. Und genau dieser Eindruck bleibt bei mir hängen: Das wird der Krieg durchaus ausgenutzt, um an Popularität zu gewinnen. Markige Worte überall. Beim Grauen auf den Straßen kann man nicht übertreiben – bei Einschätzungen der wirklichen oder angeblichen „Lage“ aber schon. Zum Beispiel fordert ein großer Teil der Presse mehr Sanktionen, aber man sagt dem Bürger nicht, dass es für ihn Verzicht bedeuten würde. Im Gegenteil. Die nächste Stufe der Eskalation wird gleich nachgeschoben: Da muss der Staat eben ausgleichend eingreifen.

Wer trägt die Verantwortung? Wissenschaftler und Journalisten am Ende nie

Journalisten wissen bekanntlich alles besser. Eines der „Totschlagargumente“ ist derzeit, dass die Wissenschaft bewiesen hat, dass wir ohne russisches Öl, Gas und was sonst noch auskommen können. Was diese Journalisten nicht sagen: Solche Prognosen sind so hart auf Kante genäht, dass sie jederzeit platzen können. Und dann stünden nicht etwas die Journalisten in Hosen mit geplatzten Nähten da, sondern die Politiker. Und die Wissenschaftler? Die labern sich am Ende irgendwie heraus. Verantwortung übernehmen sie nicht, und sie fliegen auch nicht aus ihren Jobs heraus, wenn sich eine Prognose als falsch erweist.

Das Ego der Scholz-Gegner

Besonders unverschämt halte ich die Angriffe eines Herrn Hofreiter auf den Bundeskanzler. Offenbar fühlt er sich, nachdem er die Ukraine gemeinsam mit zwei anderen Abgeordneten besuchte, bereits als Wortführer einer Anti-Scholz-Bewegung. Das tut seinem Ego gut, bringt Deutschland aber gar nichts ein.

Wir haben genug zu tun - auch ohne ungebetene Ratschläge

Was wir tun können? Fast gar nichts, außer die Menschen aufzunehmen, die vor dem Krieg flüchten. Und wir können alles tun, damit sich der Krieg nicht ausweitet. Vielleicht könnten wir auch noch helfen, Frieden zu stiften. Damit hätten wir eigentlich genug zu tun.

Was mich bewegt

Früher war jeder Deutsche ein Fußballtrainer, dann war jeder ein Corona-Experte und heute ist jeder ein General. Ich höre täglich, was man hätte tun müssen bevor … nun, das kann ich noch nachvollziehen. Aber all die anderen Hinweise, die aus der gemütlichen Wohn- oder Redaktionsstube herausgeschleudert werden, was jetzt zu tun wäre? Ich finde sie nicht nur überflüssig, sondern wirklich erbärmlich.

Was der Krieg wirklich zeigt (und all die Kriege, die zwischen 1945 und heute vom Zaun gebrochen wurden)? Etwas, das wir eigentlich wissen sollten: Es ist einfach, einen Konflikt auszulösen, und es ist schrecklich schwierig, zum Frieden zurückzukehren.

Ich weiß noch, wie meine Eltern von den Bombennächten erzählten. Und ich habe noch lange Jahre Ruinengrundstücke gesehen – Privathäuser, die bei sogenannten „militärischen Zeilen“ beiläufig getroffen wurden. Und die Vernichtung ganzer Stadtviertel, die erste Jahrzehnte später wiederaufgebaut wurden.

Was wir brauchen, ist Friede. Und wir brauchen ihn schnell. Unser Planet leidet, und wir beschäftigen uns mit Luxusfragen, die wir bitte ganz schnell vergessen sollten.

Und bitte – versucht nicht, „Feldherren“ zu spielen. Das ist unwürdig, wirklich.

Schon damals: Legenden über Krieg und Krisen

Damals in Montenegro ...
Heute mal keine Fake News über Covid-19, dafür aber eine Verschwörungstheorie, wo den ersten Weltkrieg ausgelöst wurde: in einem bordellartigen Betrieb in Montenegro (1).

Neue Forschungen mach den Ursachen des Krieges führen bis in die Animierkneipe König Nikitas.


Wobei mal wieder klar wird: Die Wurzel allen Übels kann nur ein Bordell sein.

Grafik von Lutz Ehrenberger, etwa 1918

(1) Wer war König Nikita