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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Die Suche nach Gegensätzen

Die Puristen dieser Erde behaupten, dass es zu einem Zustand immer auch einen Gegensatz geben würde, und sie wollen die Welt möglichst darauf reduzieren.

Da ich nicht so recht in das Schema „Christ“ passe, wurde ich schon ein „Heide“ genannt. Das ist ein Beispiel dafür, wie die Mehrheit die Minderheit etikettiert. Üblich ist neuerdings, dass die Minderheit die Mehrheit definiert. Menschen, die diversen sexuelle Strömungen anhängen, haben für sich selbst den Begriff „Queer“ gefunden. Das ist ihr gutes Recht. Aber ist es auch ihr Recht, sozusagen als Revanche, die anderen Menschen als „CIS“ zu bezeichnen? Haben sie überhaupt ein Recht, andere zu etikettieren?

Neulich wurde ich gefragt, ob es einen wirklich korrekten Gegensatz zu „Veganern“ gäbe. Nun kenn ich den Unterschied zwischen Veganern und Vegetariern, und sie können sich nennen, wie sie wollen. Sie könnten sich auch einfach über das definieren, was sie essen oder nutzen. Das wäre oft hilfreicher als das Etikett.

Doch nun muss eben das „Gegenteil“ her. Demnach wäre ein „Karnist“ das Gegenteil zum Vegetarier, aber es passt den Veganern nun wieder nicht recht, obgleich eine ihrer Protagonistinnen (Melanie Joy) ihn für das Gegenteil von „Veganismus“ hält. Das Ganze ist plumpe Ideologie und zudem logischer Unsinn. Denn unter dieser Voraussetzung würde sich ein Karnist ausschließlich von Fleisch ernähren. Der Trick aller Ideologen wir auch für diesen Begriff angewendet: Karnismus wird als Ideologie bezeichnet, Veganismus als Normalität.


Die Über-Ideologie besteht allerdings darin, dass es zu jeder Haltung oder Einstellung einen Gegensatz geben müsse. Die angebliche Logik, die dahintersteckt, ist eine veraltete Betrachtungsweise. So wie bei Volkmar Sigusch:

Wenn es Transsexuelle gibt, muss es logischerweise auch Zissexuelle geben.

Jener Herr Sigusch begründet das im typischen Gelehrtendeutsch, das ich euch hier ersparen möchte.

Ähnlich erging es den „Heterosexuellen“, die erst durch den Begriff „Homosexuelle“ zu solchen wurden. All diese Begriffe sollen verhindern, dass irgendjemand auf die Idee käme, die überwiegende Anzahl als „normal“, zu bezeichnen, denn innerhalb der Ideologie der Gegensätze wären sie dann „unnormal“.

Abweichungen sind weder "Unnormal" noch sind sie "Gegensätze"

Das soll natürlich nicht sein. Niemand, der sich als etwas bezeichnet, was abweicht, ist deswegen unnormal. Er ist nur anders, und das „Anderssein“ ist oft schwieriger als das „Sosein“ - nicht nur in der Sexualität. Würde jeder sagen, wie er ist und was es für ihn bedeutet, würden wir genauer wissen, was er fühlt und denkt. Klebt er/sie sich ein Etikett auf, so wissen wir gar nichts über die Person, sondern schauen auf ihr Etikett. Ob wird das wirklich wollen? Ich bezweifle es.

Wenn etwas wahr ist, kann das Gegenteil auch wahr sein

sehpferd kämpft gegen massenverblödung
Wahrscheinlich kennen Sie diese Geschichte, die ich Ihnen hier erzähle:

Zwei Juden kommen mit einem Streitfall zum Rabbiner. Nachdem der Erste sein Anliegen vorgetragen und der Rabbi ausreichend geklärt hat, was zu antworten sei, sagt er dem Mann: „Du hast recht.“ Wenig später kommt der Gegner jenes Streithahns, und wieder klärt der Rabbi, um dann zu sagen: „Ja, du hast recht“. Die Rebbetzin, die all das mit angehört hat, konnte nicht ertragen, was ihr Mann da aus dem Talmud herausgelesen haben wollte, und so klärte der Rabbi erneut, um schließlich seiner Frau zu sagen: „Und du hast auch recht.“


Warum ich Ihnen diese alte Geschichte präsentiere? Weil sie Ihnen die Augen erhellen soll: Wenn eine Sache wahr ist, kann das "Gegenteil" auch wahr sein.

Warum?

Weil das „Gegenteil“ im Grunde gar nicht gemeint war. Sehen Sie, wir sind gewohnt, blödsinnige Systeme zu verwunden: Dies ist so – und das Gegenteil ist anders. Im Grunde machen wir den Fehler, das „Gegenteil“ zu suchen.

Süß als Beispiel

Was ist das Gegenteil von „Süß“? Na?

Wenn es süß wie Zucker ist, kann es vielleicht sauer sein … aber dann kann es auch süßsauer sein, wie beim Chinesen.

Oder sollte es bitter sein? Etwas Bittersüßes kommt ja noch in der Erotik vor, also passt auch nicht als Gegenteil von Süß.

Salzig passt schon gar nicht, und hässlich? Eigentlich auch nicht.

Sehen Sie, schon wurden Sie erwischt: Das Gegenteil ist gar kein Gegenteil, sondern bezeichnet etwa anderes.

Menschliches - Partner suchen und finden

Bei diesem beiden markanten und oft mit Vehemenz vorgetragenen Volksweisheiten ist dies ebenso der Fall:

„Gegensätze ziehen sich an“
„Gleich und Gleich gesellt sich gerne“.

Können beide Aussagen wahr sein?

Selbstverständlich – denn sie schließen einander nicht aus. Die Frage ist hier: Was suche ich im Anderen? Kann ich es eher finden, wenn ich mich auf Gegensätze einlasse, oder finde ich das Gesuchte her unter „Gleichen“? Im Grunde müssten wir die Aussagen eigentlich neutralisieren: Wie viele Gemeinsamkeiten suche ich, und welche Ergänzungen würden mit nützen? Dann wäre die Dummheit aus den Volksweisheiten genommen.

Schwierig wird die Sache, wenn ein Umstand etwas verändern soll, das Gegenteil aber auch. Der Volksmund ist auch hier wieder auf dem Holzweg:

„Suchet und ihr werdet (die Liebe) finden“
„Wer nicht sucht, der findet die Liebe.“


Sind das Gegensätze? Auf den ersten Blick mag man sie dafür halten. Das Problem liegt hier im Wort „suchen“ und in dem Zusammenhang, indem die Sätze gebraucht werden. Falls Sie dem zweiten Satz zustimmen, überlegen sie bitte, ob Sie auch diesem Satz zustimmen würden:

„Wer nicht sucht, der findet Arbeit.“

Nun werden Sie sagen: „Was für ein Blödsinn!“, während Sie vorher noch gedacht haben mögen: „Ja, das kenne ich von Freundinnen.“

„Suchen“ kann in diesem Fall alles ein: eine mentale Einstellung, eine Strategie, eine Tätigkeit und sogar eine Manie. Und falls es zur Manie geworden ist, dann stimmt „wer nicht sucht, macht sich frei, um zu sich selbst zu finden – und damit zur Liebe.“

Das einzige Mittel gegen Desinformation, neuerdings auch „alternative Fakten“ genannt, besteht darin, selbst zu denken, statt zu glauben, was wir hören oder lesen. Und es wäre wirklich schön, wenn sich unsere Schulen mehr darum kümmern würden, Logik zu vermitteln. Übrigens ist der größte Verhinderer der Logik die Religion, weil wir in ihre auch das Unlogische „glauben“ müssen, wenn wir „dazugehören“ wollen.

"Sehpferd kämpft gegen Dummheit." erscheint unregelmäßig. Es ist mein Beitrag, um Gedankenlosigkeit im Alltag zu bekämpfen.