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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Auf der Nase des Kanzlers herumtanzen

Dieser Tage ging es durch die Presse: Der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland habe sein Ansehen verspielt. Heißt: Er hat die Zeichen der Zeit missdeutet und viel zu lange gezögert,um klare Worte zu sprechen.

Die „Deutsche Welle“ schreibt, was nüchtern betrachtet als Tatsache gelten kann:

„Er kommuniziere schlecht, seine Regierung streite zu viel, sagen Experten. Lange war kein Kanzler mehr so unbeliebt.“

Und nun? Zumindest eine Gewerkschaft tanzt ihm auf der Nase herum. Die Bauern und die Agrarkonzerne blockieren die Straßen. Spediteure, Handwerksmeister und manche Mittelständler schließen sich an. Die Stimmen der Straße sind eindeutig, und viel zu viele Menschen schielen nach einfachen Lösungen, die ihnen die Rechtsaußen im Volk anbieten.

Müssen wir jetzt über den Kanzler reden? „Die Ampel“ ist so schlecht nicht - und grüne Agrarpolitik ist allemal besser als gar keine Agrarpolitik. Der Kanzler müsste nur klare Worte finden – aber der taucht zu oft unter.

Es scheint, als sei es zu spät, diese Worte zu finden. Ich rede nicht von den Rechtsextremisten – sie sind taub für das Machbare und folgen der Vernunft längst nicht mehr. Ich rede von unserem Volk, in dem Sinne, wie es ein Schweizer sehen würde. Klar sind „wir das Volk“, aber diejenigen, die schreien, sie seinen das Volk, sind es eben nicht. Der Kanzler würde verdienen, dass sich das Volk hinter die Regierung stellt, solange sie amtiert. Und statt Pappschilder herumzuzeigen, sollten die Agrarbosse mit dem Kanzler reden – und sie mit ihm.

Viel wäre an dieser Stelle über die SPD zu sagen. Sie ist altmodisch geworden – taugt nicht mehr als Arbeiterpartei und schon gar nicht mehr als Linkspartei. Die Ressourcen, geistig, emotional oder personell, sind belanglos geworden.

Da fehlen noch ein paar Sätze zur ehemals konkurrierenden Volkspartei, der CDU. Bei ihr mangelt es an ähnlichen geistigen und emotionalen Ideen, und die Personaldecke ist bereits seit Frau Merkels Zeiten zu dünn, um zu überzeugen.

Kurz: Mindestens drei Parteien müssen ich vor der nächsten Wahl überlegen, wem sie dienen wollen: Dem Mittelstand, der die Gesellschaft trägt und in der Lage ist, sie zu verändern? Oder den Menschen und Organisationen, die ständig etwas einfordern, aber nichts zurückgeben? Oder gar den Ideologen links und rechts, die behaupten, die besseren Wahrheiten gepachtet zu haben?“

Vor allem müssen sie alle auf die Bühne – und dort klare Ansagen machen.

Niedersachsenwahl - die FDP ist raus

Ich traue mich nicht, zu jubeln, doch die Niedersachsen-Wahl zeigt klar: Im Norden ist die Welt in Ordnung - da denkt man kühl und ist wachsam, auch wenn die AfD „zugelegt“ hat.

Die Verlierer

Die „Freie Demokratische Partei“ steht längst nicht mehr für das, was sie einmal war. Zu oft hat sie in der Vergangenheit ihr wahres Gesicht gezeigt - die Nähe zu Reichtum und Arroganz. Da platzt selbst dem letzten liberalen Wähler noch der Kragen - Freiheit: ja. Liberaler Staat: Ja. FDP: Nein.

Die Linkspartei, kann man nicht einmal als Verlierer bezeichnen. Sie hat keine feste Verankerung im norddeutschen Wesen - und das ist gut so. Wir brauchen keine Kommunisten, sondern Solidarität. Und die CDU? Sie war im Norden schon populärer, und vielleicht hätte sie mehr Stimmen verdient. Das Entscheidende: sie überzeugte die Wähler in Niedersachsen offenbar nicht.

Die Gewinner

Die SPD hat gewonnen - das erfreut Norddeutsche auch dann, wenn sie der Partei nicht nahestehen. Denn obgleich die Beliebtheit der SPD bei den Demoskopen bundesweit gefallen ist, konnte die CDU mit kaum einem Thema punkten.

Über Grüne wurde gestern im Fernsehen geunkt, der Wirtschaftsminister wäre beim Volk in Ungnade gefallen. Frage: Was war dann eigentlich mit dem Kanzler? Und wann hört die Polemik gegen Grün endlich auf, die von rechten Kreisen befeuert wird? Immerhin hat Grün die Stimmen deshalb verdoppelt, weil die Niedersachsen überzeugt sind, dass Grün „Zukunft“ bedeutet. Die AfD schaffte die Doppelung zwar ebenfalls, aber nicht, weil deren Wähler überzeugt waren. Wer historische halbwegs bewandert ist, weiß, dass es Rechtsparteien immer wieder in Landesparlamente geschafft haben, wenn das Volk über „die Regierenden“ gemurrt hat, beispielsweise die NPD oder die „Republikaner“ in dem als liberal geltenden Vorzeigeland Baden-Württemberg.

Nun hat man erst einmal Zeit, eine gute und verlässliche Regierung in Niedersachsen zu bilden - und genau das ist es, was wir in dieser Zeit benötigen.

Quellen:
Aktuell: Kreiszeitung.
Baden-Württemberg historisch.


Und nach der Wahl - meine Einschätzung

CDU

Die CDU hat viel verloren - was nicht ausschließlich auf Herrn Laschet zurückzuführen ist. Vielmehr darauf, dass die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler in der Zukunft leben will und nicht in der Vergangenheit. Zudem fehlen ihre auch andere überzeugende Persönlichkeiten. Sollte sie dennoch den Bundeskanzler stellen, würden sich zahlreiche Wähler betrogen fühlen. Ob sich die CDU das leisten will?

SPD

Die SPD kann sich glücklich schätzen - sie profitiert von allerlei: von Laschets ungeschicktem Verhalten ebenso wie von der unbedarften Kanzlerkandidatin der Grünen. Und möglicherweise auch davon, dass sie in der vergangenen Wahlperiode die bessere Politik durchgesetzt hat als die CDU. Sie „kann Kanzler“, und sie hat die besseren Leute trotz der inneren Querelen.

Grün

Die Grünen können angesichts ihrer Kandidatin recht zufrieden sein mit dem Wahlergebnis. Bei „Grün“ fehlte es am Willen, tatsächlich den Bundeskanzler zu stellen und an wirklich transparenten Konzepten zum ökologischen Umbau der Gesellschaft. Die Wählerschaft will schon begreifen, worauf sie sich einlässt, bevor sie sich auf die Öko-Partei einstellt.

FDP

Die FDP hat Glück gehabt: Wer sowohl die Freiheit will wie auch eine eher strukturierte Veränderung der Gesellschaft, der hat die Lücken- und Königsmacherpartei gewählt. Ob die Entscheidung klug war, hängt vom Verhalten der FDP ab: Hat sie Deutschland als Staat und Gesellschaft im Sinn oder ihre Klientel?

AfD

Die AfD? Sie freute sich gestern, noch im Parlament zu sein und wird weiterhin das tun, was sie für Opposition hält. Keine Frage: Sie hat ihre Anhänger zumeist unter jenen, die „irgendwie unzufrieden“ mit der Gegenwart sind, aber eine echte Neuorientierung auf die Zukunft hin ablehnen.

Links

Die Linke war zum Zeitpunkt, als ich dies schrieb, fast abgewählt. Das ist ihr selber zuzuschreiben. Wer sich von Sozialismus und Kommunismus nicht lösen kann, Enteignungen fordert und die Ideologie in jeder Hinsicht vor die Realität stellt, verprellt die wenigen noch verbliebenen Wähler - sogar im Osten. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis wird sie dennoch in den neuen Bundestag einziehen.

Quelle (u.a.) Bundestagswahl 2021 Zur Sperrklausel und warum die Linke trotzdem weiterhin im Parlament sitzen darf, hier die Erläuterung: "Da die Partei drei Direktmandate gewonnen hat, wird die parlamentarische Sperrklausel außer Kraft gesetzt und die Linke darf in Fraktionsstärke in das Parlament einziehen." Zitat ntv.

Letzte Worte zur Bundestagswahl

Habt ihr von mir mehr erwartet? Dann habt ihr die gleichen Ansichten über mich wie ich sie über die Parteien habe. Die Pläne für die Zukunft sind zu blass koloriert, die Kandidaten nicht restlos überzeugend.

Wählbar sind für mich die Parteien, die diesmal einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin hervorgebracht haben:

CDU, SPD, Grüne.

Die „ideale Wahl“ sind sie allerdings auch für mich nicht.

Die CDU

Die CDU igelt sich in Positionen ein, die sie nicht halten kann. Das „Weiter so“ müffelt überall hindurch. Die Wirtschaft wird sich nicht zum „Besten“ regulieren, damit der deutsche Staat Steuern kassieren kann. Da fehlt ein „Plan B“. Und wie will die CDU-Führung verhindern, dass die Partei hinter das Niveau der Merkel-Ära zurückfällt? Kann die CDU überhaupt „Zukunft“? Wie glaubwürdig der Kanzlerkandidat ist, frage ich mich schon gar nicht mehr.

Die SPD

Die Partei will mit mehr „sozialer Gerechtigkeit“ punkten. In Wahrheit bedeutet dies, Geld neu zu verteilen, das man erst einmal einnehmen muss. Selbst wenn das funktionieren sollte, ist fragwürdig, ob solche Maßnahmen als „Gerechtigkeit“ empfunden werden. Zudem: Alles, was wir für die Umwelt oder den Umbau der Industrie tun müssen, wird Geld kosten. Und wie es aussieht, wird es alle belasten. Der Kanzlerkandidat kann vor allem eines: Extrem dreisten Kollegen und Journalisten die Stirn bieten.

Grün

Grün ist zugleich Hoffnung und Befürchtung. Die Wirtschaft muss keinen Schaden an Grün nehmen, sie kann vielmehr in vielen Bereichen auf einen Aufschwung hoffen. Und wer dies alles bezahlen wird, steht ohnehin längst fest: Die Menschen, die Waren und Dienstleistungen kaufen und Steuern bezahlen. Darüber hinaus lässt „Grün“ immer noch zu viel Fragen offen. Zum Beispiel, wie viel pure Ideologie „Grün“ freisetzen will und wer davon Nutzen oder Schaden hat. Die Kanzlerkandidaten ist eine krasse Fehlbesetzung - da fehlt die Souveränität wie auch die Erfahrung.

FDP

Ich erwähne die FDP, weil sie eine Chance hat, diesmal zu zeigen, dass sie den Mut zum Mitregieren hat. Ich erinnere mich noch lebhaft an die letzte Bundestagswahl und die Vorgehensweise der FDP bei den Koalitionsverhandlungen. Dennoch: eine zweite Chance für Lindner, weil jeder eine zweite Chance verdient.

Die anderen – Marxisten, Querdenker und Sektierer

Das Wahlross nimmt zu der Situation der Parteien Stellung - heute zu Kleinparteien

Nur wenige der „sonstigen“ Parteien fallen in meiner Region durch Plakate auf – in Großstädten ist das anders. Einige stehen den Querdenkern nahe. Ihr Programm klingt auf den ersten Blick plausibel, doch wird bald deutlich, woher der Wind weht. Denn hier haben sich Impfgegner und Verschwörungs-Theoretiker hinter einem Zaun verschanzt, der hübsch aussieht. Andere sind Urgestein des Marxismus: Hier ist es die MLPD, die ganz unverblümt sagt, dass sie ausschließlich weltanschaulich handelt. Die Lösung heißt, wie könnte es anders sein, die Überwindung des Kapitalismus durch Sozialismus. Dann und wann lese ich von Parteien, die sich religiös geben, und irgendwie ist „für alle etwas dabei“.

Mein Fazit: Der Glaube soll Berge versetzten, aber glaubwürdige Konzepte wären interessanter. Das Konzept der Querdenker zur gesellschaftlichen Entscheidungsfindung wird kaum einen Mathematiker oder Naturwissenschaftler vom Stühlchen reißen und das Konzept der Kommunisten setzt an einer veralteten Ideologie an. Die religiös motivierten Gruppen haben, ähnlich wie die esoterische Gruppen, zu wenig Bodenhaftung.