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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Wenn Säle klingen und Kritiker schwafeln

Dieser Tage schrieben viele Leute, die glauben, sei seinen klug, über die Akustik. Genau genommen darüber, ob die Akustik der Elbphilharmonie nun ausreicht, um einen Sänger und ein Orchester so zur Geltung zu bringen, dass der Humaninhalt der Saalbestuhlung vor Freude Bocksprünge macht. Oder so ähnlich. Jedenfalls erweisen sich Kulturredakteure plötzlich als ausgewiesene Fachleute für Akustik und Architektur, vor allem über deren Zusammenklingen.

Woran der Musikgenuss scheitert

Mich erinnert dieses Geschwafel lebhaft an die Diskussion der sogenannten „Musikexperten“ über die „besten Hi-Fi-Anlagen“, von denen der eine immer noch besser wissen wollte, wie sie „klängen“ als der nächste. Das Problem dabei ist, dass sie eigentlich gar nicht klingen sollen, sondern gefälligst das Zeug wiedergeben, was vorne reingeht. Dann kommt der Hörraum. Und dann der Menschen. Und das sind die beiden wirklich kritischen Faktoren, an denen der Genuss scheitern könnte.

Geräusche und Schwingungen treffen auf das Medium "Luft"

Das Problem ist immer dasselbe: Schall kommt ans Medium Luft, und da kann der Konzertsaal noch so doll konstruiert sein – wir hören überall etwas anderes. Wir sitzen mal vor dem Orchester, mal links oder rechts davon, mal mittig, mal rechts unten oder rechts oben, und mal dahinter. Und ich garantiere: Auf keinem Platz hört (oder fühlt) sich das klassische Orchester gleich an. (Ich saß heute Parkett, vierte Reihe rechts, hinter den zweiten Geigen – nicht in der Elbphilharmonie.)

Doch noch wichtiger ist, dass es so etwas wir „Objektivität“ beim Gehör gar nicht gibt. Und da schreibt ein Redakteur der ZEIT etwas sehr Hübsches, das sich die „großen Männer“ der Kritik mal hinter die Ohrwascheln schreiben sollten:

Denn Musik … findet letztlich im Kopf statt. Das Zusammenspiel verschiedener Schallquellen, die Schwingungen in den Raum und letztlich ins Gehör schicken, umgeleitet von gezielt platzierten Reflexionsflächen – all das endet als Nervenreiz in der Großhirnrinde, wo sich in Sekundenbruchteilen entscheidet, ob Anlass zur Ausschüttung von Glückshormonen besteht oder nicht.


Dem ist nun wirklich gar nichts hinzuzufügen.

Also: Auf keinem Platz, auf dem ihr jemals sitzen werdet, hört sich ein Orchester „gleich“ an, und für jedes Ohr und von jedem Standort aus klingen die Instrumente ein wenig anders.

Ach ja, und die Akustik: Wände können reflektieren und absorbieren, mehr nicht. Punkt.

Ein Nachtrag: Ich sitze sehr selten rechts hinter den zweiten Geigen - der Zufall wollte es heute so. Klar klingt das "ganz anders" als sonst - aber das wissen die Konzertbesucher eigentlich ganz gut. Und das Konzert war wirklich außerordentlich gut. Sollte ich mich da fragen, wie es geklungen hätte, würde ich im Parkett fünfte Reihe Mitte gesessen haben?
Nachtrags zwei: Der Kritiker der LVZ verriss den Dirigenten des Konzerts, das ich besuchte.

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