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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Dumme Sprüche nach dem Strafrecht beurteilen?

Die SPD will erreichen, dass „verbale sexuelle Belästigungen“ unter das Strafrecht fallen. Dazu sollen – nach einem Bericht der NZZ (1), auch bereits „obszöne Sprüche“ fallen.

Wer das einfach so liest, der wird sich denken: „Na klar, das ist nur gut und billig“.

Aber – greift der Staat hier nicht in die Privatsphäre der Bürger über? Es geht ja nicht darum, ob es moralisch verwerflich ist, dumme Zoten, unverschämte Anmachsprüche oder sonstige verbale Frechheiten abzulassen. Die Frage ist vielmehr, inwieweit staatliche Eingriffe in die Privatsphäre vertretbar sind.

Nun bin ich kein Jurist – und ich will auch keine juristische Debatte anzetteln. Aber so viel glaube ich sagen zu können: Die Schwelle, ab der ein Spruch als „obszön“ gilt, ist nur schwer zu definieren. Der Zeitgeist definiert sie einerseits, und die Person, an die eine „Obszönität“ gerichtet ist, andererseits.

Das Positionspapier der SPD will allerdings vor allem erreichen, dass „erhebliche sexuelle Belästigungen“ stärker geahndet werden. Der Text sagt nach einem Zeitungsbericht aus: (2)

„Erheblich ist eine Belästigung insbesondere dann, wenn sie eine Person in ein sexuelles Geschehen einbezieht, einen erniedrigenden oder einschüchternden Charakter hat, eine gewisse Dauer hat oder wenn die betroffene Person ihr nicht auf zumutbare Weise ausweichen kann".

Das große Drama mit Worten - doch hat es auch Sinn?

Das kling nach dem „ganz großen Drama“ – und es scheint, als sie dies bewusst so formuliert. Man macht beispielsweise gar keinen Hehl daraus, dass man offensive „Anmache“, Catcalling, verbale Gewalt und körperliche Gewalt im Zusammenhang sieht. Und man sieht in der SPD vor allem die Frauen als Opfer.

Die Frage ist letztlich, wen die SPD mit ihren neuen Vorstellungen als Wähler(innen) gewinnen will – oder ob sie eher Stimmen dabei verliert.

Und falls es um Ideologien geht: schönen Dank, SPD. Behaltet sie für euch.

Ergänzung: Die Kritik an den SPD-Vorschlägen nimmt inzwischen Fahrt auf. Und dort fällt das Wort, das ich vermieden habe: Populismus. (3)

(1) NZZ
(2) Die Zeit.
(3) Die WELT.

Der 17. Juni, das DDR-Regime und das Grundgesetz

Es ist gut und richtig, den 17. Juni wieder als Mahntag vor der Willkür eines demokratiefeindlichen Regimes zu feiern. Denn viele Bürger des heutigen „Westens“ wie auch solche, die in der DDR groß geworden sind, wissen nichts mehr von den Ereignissen. Es war kaum mehr als ein Willkürakt des damaligen DDR-Regimes ... und viele Menschen haben gar nicht gemerkt, welche Rolle „ihr“ Staat dabei spielte.

Zitat (1):

Bereits am 18. Juni 1953 meldet das Zentralorgan der SED, das "Neue Deutschland", der Aufstand sei Ergebnis einer "faschistischen Provokation". Die SED-Führung weiß, dass das nicht stimmt.

Und so war es jahrelang. Der Westen, allgemein als Hort der „Faschisten und Revanchisten“ verteufelt, war die Richtung, aus der „das Böse“ kam.

Die Hetze im "Neuen Deutschland" (2) sah so aus:

Vom Präsidium der Volkspolizei wird mitgeteilt: Im Verlaufe des 17. Juni 1953 versuchten bezahlte verbrecherische Elemente aus Westberlin die Bevölkerung des demokratischen Sektors zu Gewalttaten gegen demokratische Einrichtungen, Betriebe, Läden und Geschäftshäuser und gegen die Volkspolizei aufzuhetzen ...

Das zwiespältige Verhältnis mancher Ex-DDR-Bürger zum liberalen Staat

In diesem Zusammenhang ist ein Wort zum Grundgesetz nötig. In Gesprächen mit Ex-DDR-Bürgern, die ganz offensichtlich durch die „Wende“ keinen Schaden genommen hatte, konnte ich oft hören, nun müsse „erst einmal das Grundgesetz verwirklicht werden“. Das Grundgesetz? Es wurde nicht von DDR-Bürgern geschaffen und auch nicht gelebt. Wer darüber redet, sollte wissen, wovon er wirklich spricht: Vom liberalen Rechtsstaat, durch ein Grundgesetz gesichert ist, das aber tagtäglich mit Leben gefüllt werden muss.

Ja, es hat einige Nachteile. Zum Beispiel, dass es kaum Chancen gibt, antidemokratischen und antiliberalen Kräften das Handwerk zu legen - also weder Kommunisten noch extremen „Rechtsparteien“. Schon zu Zeiten der Teilung haben beide - Rechtsextremisten wie auch Linksextremisten - diese Lücke benutzt, um pseudo-demokratische Parteien im „Westen“ zu gründen. Und ja, unter ihnen waren solche mit neo-nationalistischem und neo-kommunistischem Ideengut.

Und heute? Jeder versucht, das liberale Rechtssystem für sich zu nutzen - vor allem die Extremisten. Mag dies auch ihr Recht sein, so wäre dennoch ihre erste Pflicht, dafür zu sorgen, dass die Rechte aller durch das Grundgesetz geschützt werden. Denn es geht in erster Linie darum, die Freiheit aller zu unterstützen - und nicht, ein Stück davon vom Staat einzufordern.

Zitate:
(1) hdg
(2) Neues Deutschland v. 18. 6. 1953.