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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Küchenpsychologie und unverschämte Zuweisungen

Heute wurde ich mit der Küchenpsychologie konfrontiert. Sie ist so beliebt, weil Psychologie einerseits sehr kompliziert ist, andererseits aber auch (teils mit Recht) umstritten. Darüber hinaus verwenden Psychologen oft ein Vokabular, das man selbst wohlwollend nur als „Kauderwelsch“ bezeichnen kann. Also versuchen viele Menschen, sich die Welt einfacher zu erklären.

Von Mythen und Mundpropaganda

Die Küchenpsychologie selbst lebt von Mythen, die durch Mundpropaganda verbreitet werden. Auch Journalisten sind nicht frei davon, solche Mythen zu verbreiten, und das „Wiederkäuen“ von unbewiesenen Behauptungen ist ein übliches Mittel in den sogenannten „Neuen Medien“.

Wer Küchenpsychologie betreibt, versucht meist gar nicht erst, sich selbst einzuschätzen, sondern andere zu beurteilen, zu bewerten und oftmals auch abzuwerten.

Beziehungsunfähigkeit als Zuweisung

Das ist beispielsweise beim heutigen Begriff der Fall: er heißt „Beziehungsunfähigkeit“. Dabei wird (vor allem von Frauen) unterstellt, dass viele Menschen (namentlich Männer) unfähig sind, eine Beziehung einzugehen.

Grundlage ist zumeist, dass die Frau eine Beziehung nach eigenen Vorstellungen sucht, während der Mann noch unentschlossen ist, welche Art von Beziehung er eingehen will. Je mehr ein Mann gedrängt wird, sich dazu zu äußern, umso mehr zieht er sich zurück.

Die Freiheit, sich für Beziehungen zu entscheiden

Nun sind Männer keinesfalls Engel. Doch es ist die freie Entscheidung eine jeden Menschen (und eben auch jedes Mannes) sich jetzt, später oder gar nicht zu binden. Die Frage nach Kindern, die immer wieder in den Vordergrund gedrängt wird, ist insofern heikel, als sie das Leben zweier Menschen von Grund auf verändert. Zwar gilt dies auch für jede andere Beziehung, aber nicht in diesem Maße.

Hinterhältiger Übergriff: „Du bist beziehungsunfähig“

Die Behauptung, jemand sei „beziehungsunfähig“ ist eine grobe Anmaßung und ein arroganter Angriff auf die Persönlichkeit, der niemandem zusteht. Streng psychologisch existiert ein solcher Begriff ohnehin nicht, und es gibt auch keine beweisbaren Persönlichkeitsmerkmale, die auf eine solche „Krankheit“ hinweisen. Schon deshalb ist es reine Willkür, jemanden in diese „Kategorie“ einzuordnen.

Die unverständliche Rolle der Medien

Der Küchenpsychologin und ihren Helfershelfern in Frauenzeitschriften und sozialen Medien ist dies komplett egal. Sie haben ihre „alternativen“ Quellen von „Experten“, die sich wissenschaftlich geben und sich damit anmaßen, kompetent für Beziehungen zu sein.

Klare Ansagen durch Männer - und dann?

Beziehungen müssen unter heutigen Gesichtspunkten verhandelt werden - es gibt keine festen Regeln. Wenn eine Frau dies dennoch glaubt, dann meint sie, dass die Beziehung nach ihren Regeln gestaltet werden muss. Und der Mann? „Ich will hier und jetzt keine Beziehung, die völlig nach deinen Vorstellungen gestaltet werden soll“, wäre eine klare Ansage. Dann würde die Frau vielleicht „einen Flunsch ziehen“ und verschwinden. Und das wäre – nach reiflicher Überlegung – wahrscheinlich ein Segen für den Mann und eine fällige Lektion für die Frau.

Wem das zu hart klingt, der möge sich vergegenwärtigen, dass die Inhalte von Beziehungen nirgendwo festgeschrieben sind. Sie wachsen durch das Leben miteinander – und wohin dies führen mag, kann niemand voraussagen.

Weitere Informationen zur Küchenpsychologie bei Stangl. Die Liebeszeitung berichtet darüber, dass es in Wahrheit keine „Beziehungsunfähigkeit“ gibt.

Der Charakter

Der Charakter ist eigentlich „das Gepräge“, auch die Einzigartigkeit, oder mit einem heutigen Modebegriff „die Summe der persönlichen Alleinstellungsmerkmale“. Die Begriffe „Temperament“ oder „Naturell“ wurden früher ebenfalls verwendet, jedoch begann man später, beim Menschen auch „selbsterworbenen Eigentümlichkeiten“ zu berücksichtigen. Schon Ende des 19. Jahrhunderts begann man, den Begriff durch „die Persönlichkeit“ zu ergänzen. Sie wurde und wir bis heute an das tatsächliche Verhalten gekoppelt. Ein altes Lexikon spricht dabei vom „Wahrscheinlichkeitsschluss“. Das bedeutet: Verhält sich ein Mensch stetig in der einen oder anderen weise, so deutet dies auf ein Persönlichkeitsmerkmal (früher „einen Charakterzug“) hin.

Der Volksmund und der Charakter

Im Volksmund kling alles etwas anders. Man spricht nach wie vor von einem „guten“ oder „schlechten“ Charakter. Dabei wird selten deutlich, welche Eigenschaften gemeint sind. Recht oberflächlich wird auch oft die „Charakterstärke“ eingeworfen. Damit sind im Grunde die Auswirkungen „positiver“ Eigenschaften gemeint, und selten wird berücksichtigt, dass der „charakterstarke“ Mensch auch ein Despot sein kann.

Zudem ist im Volksmund wie auch unter manchen Wissenschaftlern die Meinung verbreitet, der Charakter (als Summe der Persönlichkeitsmerkmale) sei ab einem gewissen Lebensalter „festgeschrieben“. Das würde allerdings bedeuten, dass Menschen damit auch die Lernfähigkeit verlieren würden. Eine „Anpassung der Persönlichkeit durch Lernen“ wäre damit im Erwachsenenalter ausgeschlossen.

Neue Begriffe - und doch keine Klarheit

Unklar bleibt auch, was „Charakterzüge“ oder „Persönlichkeitsmerkmale“ eigentlich sind. Derzeit hat dies eine Gruppe von Psychologe festgelegt, und man bezeichnet die Merkmale als die „Big Five“ oder das Fünffaktorenmodell. Aus ihm werden zahlreiche Schlüsse abgeleitet, die insbesondere im Personalwesen eine Bedeutung haben. Inwieweit sie den Menschen und seine Persönlichkeit wirklich erklären können, ist allerdings umstritten.

Benutzt im historischen Zusammenhang: Meyers Retro-Lexikon.