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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Die Nach-Metoo-Zeit – Vorwürfe und keine Lösungen

Niemand konnte ahnen, welche Folgen ein Aufruf der Schauspielerin Alyssa Milano aus dem Jahr 2017 haben würde. Dieser Aufruf war einerseits so populär, weil die Filmbranche vom Feuilleton bis zur Klatschpresse stets mit höchster Aufmerksamkeit rechnen kann. Andererseits aber auch, wie damit mancher Skandal an die Öffentlichkeit kam, der von allgemeinem Interesse war.

Der plötzliche Aufstieg eines Hashtags

Aufgrund der ungeheuren Popularität der Branche wurde auch die sogenannte Mainstream-Presse auf die „Bewegung“ aufmerksam, die noch etwa 10 Jahre zuvor auf sogenannte „Hashtags“ nicht reagiert hätte. Damals hatte die Bürgerrechtsaktivistin Tarana Burke den Begriff erstmals verwendet. „#MeToo“ wurde im Anschluss heiß diskutiert, auch über die Filmbranche hinaus. Dabei wurde deutlich, dass Frauen generell, ganz sicher aber solche in Branchen, in den keine kontinuierliche Beschäftigung vorgesehen ist, sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Es war und ist eine der bitteren Realitäten.

Öffentliche Diskussion und Verwässerung

Der Nachteil stellte sich schon kurz danach heraus: Nun redeten alle mit, und wenn alle mitreden, wird das Grundthema in jedem Fall verwässert.

Die bpb (1) schrieb zu der Entwicklung:

Kritikerinnen und Kritiker werfen der #MeToo-Bewegung vor, sie würde verallgemeinern und Straftaten somit verharmlosen. Einige prominente Frauen aus Frankreich legten der Kampagne Männerhass und eine neue Form von Puritanismus zur Last.

Tatsächlich existiert beide Probleme: die Verwässerung und die Verallgemeinerung.

Die folgende Diskussion ergab immer wieder, dass sich „Probleme aufzuzeigen“ und „Lösungen anzubieten“ wie zwei getrennte Welten verhalten. Mit anderen Worten: Diejenigen, die sich beklagen, stehen in der Frontlinie, tragen aber nicht zu Lösungen bei. Und diejenigen, die Lösungen anbieten könnten, bleiben im Hintergrund, weil sie wissen, wie kompliziert dies in der Praxis aussehen würde.

Das Prinzip ist übrigens nicht neu – politische Parteien und Aktivisten aller Art zelebrierten es immer wieder – und es ist auch nicht falsch.

Die Zuweisung der Schuld

Was stört, ist die Verallgemeinerung: An allem Schlechten dieser Erde ist nach linkslastigen Ansichten der Kapitalismus schuld – das hören viele gerne, stimmt aber nicht. Und an allem, was Frauen und LGBTQ-Menschen stört, ist der weiße Hetero-Mann schuld, der im Prinzip nicht lernfähig ist.

Nun kommt er Trick: Da man „den“ weißen Hetero-Mann nicht eindeutig identifizieren kann, sind die Männer schuld, die irgendwie „cis“ sind. Also die meisten Männer.

Vorurteile gegen Vorurteile statt Lösungen

Und das genau ist der Punkt, an dem wir nicht weiterkommen. Vorurteile gegen Vorurteile ist kein fairer Handel. Freiheit und Gleichheit kann durch Gesetze, Vorgaben, öffentliche „Bewusstmachung“, Literatur und dergleichen beeinflusst werden. Aber sie können nicht per „Facebook- oder „Twitter“-Aufruf eingefordert werden. Das Leben findet im Hier und Jetzt an den Graswurzeln statt, nicht im Cyberspace und nicht in elitären Diskussionszirkeln.

Aufgewärmt in der ARD durch Carolin Kebekus

Ich habe jüngst Carolin Kebekus in der ARD reden hören und sehen können, die mir eigentlich als Kabarettistin bekannt ist. Sie griff das Thema auf, das 2017 wahrscheinlich ein heißes Eisen gewesen wäre. Lehrer(innen)haft dozierend brachte sie vor, was inzwischen jedem bekannt ist. Mir kam es jedenfalls so vor, als würde gerade die Zeit zurückgedreht. Wenn ich jetzt schreiben würde: „Das ist billiger Populismus“, so würden sich die Rechtskonservativen freuen und die Feministinnen wären empört.

Aber „Populismus“ besteht nun einmal darin, einfache Lösungen zu propagieren und Menschen anzugreifen, die dagegenhalten.

Und so gesehen ist es wohl doch Populismus, wenngleich nicht billiger.

(1) Zitatenquelle: bpb

Tacheles über Tacheles

Heute wollte mich jemand belehren, dass „Tacheles“ für „Geschäfte machen“ steht - und da fehlte dann auch nicht der Hinweis, dass dieses Wort „jiddischen Ursprungs“ ist.

Nun sind viele Wörter, die wir ins Deutsche übernommen haben, römischen, griechischen, französischen und englischen Ursprungs. Und einige kommen eben auch aus dem „Jiddischen“.

Fragt sich nur, warum manche Menschen dann so deutlich drauf hinweisen müssen, dass wir „jiddische“ Ausdrücke gebrauchen.

Und natürlich hatte der vorwitzige „Oberlehrer“, der mich rügte, nicht recht:

„Tacheles reden“ heißt, auf das Wesentliche zu kommen - also über etwas zu reden, damit ein sinnvolles Ergebnis herauskommt. Im vornehmen Deutsch würden wir sagen: „Klartext zu reden“.

Es wurde Zeit, darüber mal Tacheles zu reden.
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Gerechtigkeit, Bill und Unbill

Wenn wir im Deutschen schon so viel von Gerechtigkeit reden, vergessen wir, dass neben dem Recht das „Billig“ (auch „Billich“) steht. „Billig“ in der ursprünglichen Bedeutung ist heute fast nur noch im Wort „billigen“ zu finden. Stimmen wir etwas zu, so „billigen“ wir es. Die „Bill“ ist hierzulande so gut wie unbekannt, ist aber als „Gerechtigkeit“ verbürgt. Manche ältere Menschen kennen noch das Wort „Unbill“, da meist als „ungerechtes Schicksal“ gebraucht wird.
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Regenbogenfahne muss sein

Am 10. Juli - die Regenbogenfahne muss gezeigt werden
Bekanntlich schätze ich die Menschen nicht, die ihre eigene Haltung, ihre eigenen Sexualität oder sonst etwas, das ihnen „eigen“ ist, missionarisch verkünden. Das gilt in meinen Augen für alle, und deswegen auch für die katholische Kirche, den Feminismus oder die Queer-Bewegung.

Doch genau deswegen soll jeder nach seinen Bedürfnissen glücklich werden und alle Farben des Regenbogens sollen gleichwertig existieren können. Und die Regenbogenfahnen sollen wehen und zeigen: dies ist ein liberales Land.

Dienen und Knicksen

Mädchen machen einen Knicks, wenn sie Erwachsene begrüßen, Jungen machen einen Diener. So wusste es die vom Bürgertum durchseelte Großmutter, und sie bestand darauf, dass ihre Enkelin und ihr Enkel solche Rituale aufführten. Man sagte dazu „zeremonielle Höflichkeitsetikette“, und sie war erstaunlicherweise vor allem in jenem Teil des Bürgertums verbreitet, der sich vornehmer gab, als er war: Untere Mittelschicht, kleine Angestellte und Beamte.

Klammern an längst vergangene Bürgerherrlichkeit

Die sogenannte „Nachkriegszeit“ war eine Periode, die sich an die Gebräuche klammerte, die vor der Nazizeit galten, und denen man im Innersten von der Jugend bis ins Alter anhing. Daran hatte niemand etwas geändert, denn das Bürgertum versuchte nach wie vor, den Adel nachzuahmen. „Du musst nach oben schauen“, sagte die Großmutter, doch „oben“ herrschte eher die übliche Doppel- und Unmoral jener Jahre. Und die Menschen, zu denen ich aufblickte, waren eher Musiker, Kaufleute, Redakteure und derjenige Teil der jungen Generation der 1960er, die ganz bewusst „anders leben“ wollten.

Der "neue" Knigge

Dieser Tag liest man wieder von Menschen, die eine Art „Knigge“ zurückwollen, wobei der Herr Knigge mit dem Knigge nicht viel zu tun hatte. Das, was sie wirklich wollen, sind eigentlich: „Verlässliche Verhaltensweisen“. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch nicht: Im Verhältnis zwischen den Geschlechtern, aber auch in anderen Situationen des Alltags, wird das Verhalten heutzutage verhandelt - das sehen viele nicht ein.

Nostalgie der Sprache und des Seins - der Gentleman

Und so verlangen Frauen von Männern nach wie vor, sie sollten sich wie Gentlemen verhalten, ob wohl sie keine „Gentlemen“ kennen. Würden sie sagen, er solle sich „chevaleresk“ verhalten, würden alle loslachen, also nehmen sie ein gebräuchliches gleichwohl ebenso unsinniges Wort in den Mund. Allein dies zeugt davon, nicht in der Zeit zu leben, sondern weiterhin in einer Scheinwelt zu hausen.

Niemand verlangt von einer Frau, sich wie eine Lady zu verhalten, oder eben „ladylike“ wie man sonst auch sagt, und die „große Dame“ ist auch nicht mehr gefragt.

Was „geht und was nicht geht“ - heute sollte es verhandelt werden, sobald mehrere akzeptable Wege offenstehen, miteinander umzugehen.

Ja, und was ist aus den überzeugt dienernden und knicksenden Kindern der frühen 1960er geworden? Dienernde und knicksende Untertanen? Bewunderer von Stars und Prominenten? Speichellecker und Ja-Sager? Neider und Hasser? Moralisten und Erbsenzähler?