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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Der medienwirksame Plagiatsvorwurf und die Presse

„Mein Gott – Agathe, die Puppe kotzt. Kind, pass auf den Teppich…“. Wer die Puppe ist, die da kotzt – sie verbirgt sich irgendwo im deutschen Journalismus. Der Urheber hat plötzlich eindeckt, dass jeder Sachbuchschreiber irgendwo abschreibt – weil es nun mal Erkenntnisse gibt, die man nicht selber ermitteln kann. Und daraus wurde jetzt urplötzlich ein "Plagiatsfall". Dabei verschweigen die Damen und Herren Journalisten gerne, dass sie es jeden Tag selber tun. Zumindest ansatzweise. Wer geschickt ist, schreibt die Artikel anderer so um, dass der Ursprung nicht erkennbar ist. Ganz alter Hut.

Und Bücher? Sie werden heute im Expresstempo geschrieben. Eine Seite pro Tag? Das reicht nicht. Gutes Lektorat? Wozu? Das Ding muss raus, egal wie.

Oh nein, ich rede nicht von „Jetzt – wie wir unser Land erneuern“. Ich rede davon, was tagtäglich überall und immer geschieht. Ich habe einmal beruflich eine Diplomarbeit lesen müssen, die von Unkenntnis strotzte, aber dennoch beim Dozenten durchgegangen wäre. Der müde daherschleichende Text wandelte sich plötzlich in engagierte, fachlich exzellent formuliert Sprache. Damals war es noch relativ neu, solche Texte im Internet nachzuverfolgen – doch ich tat es. Fast zwei Seiten wortwörtlich übernommen.

Ein anderes Beispiel: Über eine Agentur wurde mir ein „qualifizierter Text“ für ein Advertorial angeboten. Die Formulierungen kamen mir alle bekannt vor, und ein kurzer Check ergab: Ein ähnlicher Artikel war einmal in einer großen Wochenzeitung erscheinen. Zwar ein bisschen umgeschrieben, aber durchaus nachverfolgbar.

Was ich damit sagen will? Nicht nur ich, jeder andere, halbwegs intelligente Mensch kann Passagen eines Buches im Internet nachverfolgen. Damit muss man sich wirklich nicht rühmen oder ein „Medienwissenschaftler“ sein.

Was soll es also? Da gibt es offenbar eine Art Presse, der „Grün“ missfällt – und sollte das zutreffen, dann ist sicher: Hier wird die Demontage von Annalena Baerbock betrieben. Das mag von der „freien Meinungsäußerung“ noch gedeckt sein – ist aber dennoch unverschämt.

Die Wahrheit findet sich, wie so oft, in der ARD.

Etiketten statt Erklärungen

In früheren Zeiten waren wir gewohnt, das Verhalten von Menschen anhand unserer Beobachtungen zu beschreiben. Das war schwierig, aber sinnreich.

Heute schlagen wir einander mit Begriffen, bis die emotionalen Wunden bluten. Ich habe gerade meinen großen Zeh (noch nicht mehr) in ein Thema getaucht, das man Vereinnahmung nennt.

Also mal Google her, und erst einmal nachgeforscht, wie sie begründet werden kann, die Vereinnahmung. Wann beginnt sie? Welche Motive haben jene, die sich vereinnahmen lassen? Wie beschreiben Menschen diesen Prozess?

Doch Google hält - wie offenbar die meisten Menschen, die im Internet publizieren - nahezu nur Schlagwörter für mich bereit. Zwei, die derzeit besonders populär sind heißen „toxisch“ und „narzisstisch“.

Wie das Internet die Welt in ein Irrenhaus verwandelt

Wenn ich alldem glauben würde, dann wäre die Welt (insbesondere die der Männer) ein Irrenhaus, das von Männlichkeitswahn und (gleichfalls männlichen) Vereinnahmungsfantasien dominiert wird. Und natürlich wissen die meisten der Autorinnen und Autoren: Das kann irgendwie nicht sein. Aber so ein Begriff ist nun einmal schnell in den Mund genommen, und jeder, der über eine gepflegte, akademisierte Sprache verfügt, kann ihn glaubwürdig über die Lippen bringen. Schade für die, die es lesen und daran glauben.

Vereinnahmung ist ein Thema, das bei der Partnersuche eine große Rolle spielt, so sehr, dass sich manche Menschen (und diesmal auch Männer) sogleich „vereinnahmt“ fühlen.

Aber das Thema ist wirklich zu schade, um es den Labervögeln zu überlassen, die mit Etiketten um sich werfen und so Klugheit vortäuschen.

Was meint ihr?