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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Der Deutsche und die Angst vor dem Kompromiss

Als Antwortgeber zu kritischen Fragen muss man manche Kröte schlucken: Einmal wird man mit „Alternativfragen“ gefoppt, dann wird eine Behauptung hinter ein „Warum“ gehängt. Jüngstes Beispiel aus meiner Praxis (1):

Warum ist ein Kompromiss nur ein guter Kompromiss, wenn alle leiden?

Ich habe mir lange überlegt, wie „deutsch“ die Frage ist – doch während meiner (theoretischen wie praktischen) Beschäftigung mit der Partnerwahl oder Partnersuche bin ich dem Begriff oft in negativem Zusammenhang begegnet. Dort hieß es dann oftmals, „Kompromisse kommen für mich nicht infrage.“

Wenn kein Kompromiss infrage kommt, gibt es oft auch keine Lösung

Die Sache ist wirklich eigenartig: Wenn für beide keine Kompromisse infrage kommen, werden beide nicht lange zusammenleben können. Was letztlich heißt: Kompromisslosigkeit bedeutet dauerhafte Beziehungslosigkeit. Und bevor ihr fragt: Mein, ich kann das nicht exakt statistisch beweisen. Aber ich höre oft das Lamento jener, die „kompromisslose“ Beziehungen wollten.

Die Abwertung des Kompromisses in Deutschland - erst im 20. Jahrhundert?

Zurück zu anderen Kompromissen und der Frage: Ist es einfach „deutsch“, Kompromisse abzuwerten? Offenbar war das nicht immer so. Das deutsche Kaiserreich bestand zwischen 1871 und 1918. In diese Zeit fallen auch meine ersten Quellen, die nicht darauf hindeuten, dass „Deutsch sein“ auch „Kompromisslos sein“ bedeutet:

So meint Meyers: (1885-1892)( Anm. 2).

(Ein Kompromiss ist) … im Allgemeinen jede Übereinkunft zum Behuf der Beilegung eines Streits.

Brockhaus (1894 – 1896) sieht es kaum anders:
Ein gegenseitiges Versprechen, Vereinbarung … sich unter wechselseitigem Nachgeben über eine Angelegenheit verständigen.


Wann der wichtige und menschenfreundliche Kompromiss in die Schmutzabteilung gekommen ist, kann ich nicht eindeutig sagen. Ich zitiere jedoch Wikipedia. Das Lexikon bleibt hinsichtlich des genauen Zeitpunkts unsicher und verwendet das Wort „früher“:

Der Kompromiss wurde früher als „undeutsch“ gebrandmarkt.

Geben andere mehr Aufschluss)? Ich zitiere (3):

In Kaiserzeit und Weimarer Republik galt der Kompromiss als ‚undeutsch‘. Man setzte sich durch, ganz oder gar nicht: Kompromisse waren etwas für Weicheier. Auch in der Politik.

Man erkennt den Widerspruch zwischen den Lexika des 19. Jahrhunderts und der vorausgegangenen Aussage: Nein, die „Kaiserzeit“ kann es nicht gewesen sein. Wahrscheinlicher, dass der Begriff des Kompromisses erst in der Weimarer Republik gebrandmarkt wurde. Immerhin soll sich dies nach 1945 geändert haben (4):

Deutschland war bis 1945 ein kompromissfeindliches Land; ein politischer Kompromiss galt als Verrat - als Verrat der Ideale, als Produkt ängstlichen Einknickens und als Ergebnis fehlenden Rückgrats.


Was änderte sich wirklich nach 1945? An den Lebensumständen sicherlich sehr viel, doch der Geist meiner Mitmenschen in deutschen Landen haderte weiterhin mit dem Begriff des sinnvollen oder gar segensreichen Kompromisses. Der Begriff des „faulen Kompromisses“ steckt noch tief in manchen Hirnen.

Ein kleiner Lichtblick - der Kompromiss wird heute etwas positiver gesehen

Dafür sprechen auch die Untersuchungen der Uni Leipzig (5): Sie verzeichneten sie als „linken Nachbarn“ des Wortes „Kompromiss“ immer noch in hohem Maße das Negative. Immerhin 2622-mal erwischten sie „faul“ neben dem Kompromiss. Dennoch ergab sich in den letzten Jahren eine Trendwende, denn „rechte Nachbar“ wie „gut“, „vernünftig“ und „tragfähig“ kamen immerhin gemeinsam auf 3171 Erwähnungen.

Hoffen wir, dass sich überall in der deutschen Sprache durchsetzt, den Begriff „Kompromiss“ als das zu sehen, was er ist: Ein Ausgleich der Interessen.
(1) Quora-Anfrage
(2) Retrolib, Brockhaus aus gleicher Quelle.
(3) Demokratiegeschichte.
(4) Süddeutsche Zeitung.
(5) Uni Leipzig.

Die Kanzlerin, ihre Lieblingsmoderatorin und das letzte Gefecht

Heute, beim Frühstück, entfuhr mir ein Lapsus Linguae. Es kann sich natürlich auch um einen Freudschen Versprecher gehandelt haben. Die Zeitung aufschlagend und noch nicht wissend, was die Dame Merkel gestern der Dame Will erzählte, entfuhr mir doch: „Ist die Kaiserin nun völlig ...“ Das letzte Wort schreibe ich nicht, weil es lediglich zum Hausgebrauch geeignet ist.

Nun, es handelte sich um folgende versteckte Drohung an die Adresse der Länder:

Die Kanzlerin deutete an, dass der Bund tätig werden könnte, wenn die Länder nicht die nötigen Maßnahmen ergreifen sollten. Wenn dies nicht "in sehr absehbarer Zeit" geschehe, müsse sie sich überlegen wie sich das vielleicht auch bundeseinheitlich regeln lasse.


So etwas sagt man seiner Lieblingsmoderatorin (Anne Will, ARD) nicht, falls man es nicht ernst meinen sollte. In der ARD hieß es heute, Merkel habe „wie eine strenge Lehrerin“ gewirkt - was nur bedeuten kann, dass sie die Ministerpräsidenten für renitente Schüler hält. Ob das nun als „letztes Gefecht“ der Kanzlerin angesehen werden darf (oder gar soll)?

Allerdings wäre anzumerken, dass der Kaiserin neue Kleider abermals nicht viel wert sind: „Mehr Einschränkungen gleich weniger Infektionen“ ist deshalb nicht schlüssig, weil ohnehin niemand mehr das Infektionsgeschehen überblickt. Man vermutet die Mehr-Infektionen in den mittleren Jahrgängen - darüber gibt es Zahlenwerke. Aber was folgt daraus?

Vermutlich wird es in den nächsten Tagen mal wieder ein Riesengeballer mit Argumenten geben. Nur eine scheint mir sicher: Je mehr sich die Kanzlerin ein Denkmal als „eiserne Lady“ setzen will, um so schlechter werden die Chancen für die CDU.

Immerhin kann ich mich irren. Und ich weiß nicht einmal, ob ich mir das wünschen soll.

Osterüberraschung

Fünf Ostereier liegen im Nest - Gründonnerstag, Karfreitag, Karsamstag, Ostersonntag und Ostermontag. Der Kanzlerin neuestes Experiment mit ihrem Volk.

„Och, fünf Tage nicht arbeiten - ist doch super“, hörte ich. Und auch die IT-Leute sind ja immer sehr froh, wenn sie ein paar Tage hintereinander in Ruhe ihre Systeme umstellen können.

Ich glaube allerdings kaum, dass Frau Merkel die IT im Auge hatte.

Wie man hört, gab es gestern Zoff auf der ganzen Linie. Die rivalisierenden Macht- und Chaosgruppen sollen zwischen „18:30 Uhr bis 01:20" pausiert und zuvor ein „verheerendes Bild" abgegeben haben. Nun bin ich gespannt, was demnächst kommt. Möglicherweise ein Super-Shutdown von Christi Himmelfahrt bis Pfingstmontag? Klar ist das satirisch gemeint. Aber die fünf Ostereier sind auch Teil dieser Satire, egal, wer sie gelegt hat.

Aus meiner Sicht verwalten die Regierenden die Tatsache, keine Lösungen mehr zu haben. Da hilft seit Beginn der Krise bekanntlich Aktionismus.

Auf Twitter erschien ein Beitrag von Bodo Ramelow, der entnervt eine Reihe von „Ä“ twitterte. Ich hätte noch ein „h“ dazu gesetzt: „Äh, Äh, Äh ... denn das war das Resultat der Nachtsitzung. Das Twitter-Volk allerdings fand das peinlich und unangemessen. Haben die eigentlich keinen Humor mehr oder wenigsten Verständnis dafür, dass man auch als Ministerpräsident mal abgenervt sein darf?

Und damit das klar ist: Das Thema ist ernst - aber das müssen die Lümmel und Lümmelinen von der letzten Bank doch nicht jede Minute melden, oder?

Quelle: Tagesspiegel.

P.S.: Vermutlich habt ihr inzwischen alle gehört, dass das erste Osterei am 24. März wieder aus dem Nest genommen wurde. Was bleibt, sind gewisse Zweifel am Sinn des Gipfels.

Welche Ausrede hat Herr Spahn diesmal?

Ob ich dem Herrn Bundesgesundheitsminister noch ein Wort glauben kann?

Nein, kann ich nicht. Denn die Impfzentren haben keine Planungssicherheit mehr: Zitat:

In der 11. und 12. Kalenderwoche sollen statt der angekündigten 31.200 Impfdosen nur 9.600 Impfdosen nach Thüringen geliefert werden.
Was das für die ohnehin kritische Impfplanung bedeutet, kann sich jeder vorstellen, der jemals einen Organisationsjob hatte.

Der gegenwärtige Gesundheitsminister der Bundesrepublik Deutschland wird in einer Pressemitteilung scharf angegriffen:

Jetzt zwingt uns die Ankündigung aus dem Bundesgesundheitsministerium zu einem Stopp unserer Terminvergabe und zur Verschiebung der Einbindung der Hausärzte. Das ist mehr als ärgerlich. Damit ist auch der letzte Funke an Vertrauen in verbindliche Zusagen erloschen. Ich fordere den Bundesgesundheitsminister auf, sofort zu intervenieren.

Die Aussage stammt von der thüringischen Gesundheitsministerin Heike Werner („Die Linke“), die Pressemitteilung von der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. Sie liegt mir im Wortlaut vor.

Ich bin gespannt, welche Ausrede der Herr Spahn diesmal haben wird.