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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Umstände ändern sich schnell, Mentalitäten langsam

Ich besitze das Privileg, über viele Jahre zurückblicken zu können. Dabei kommt mir zugute, dass ich mich seltener „betroffen“ fühle und häufiger die Position des Zeitzeugen annehme.

Heute begebe ich mich aufs Glatteis und spreche über die Auswirkungen der Frauenemanzipation in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Deutschland: der neue Anfang in der Stunde Null

Am Anfang war alles öd und leer … so beginnt sinngemäß die Genesis. Aber eigentlich begann alles mit einem Scherbenhaufen. Man hatte in Deutschland keinen Staat, keine verlässliche Währung und nur wenig Hoffnung. Die Menschen kümmerten sich um das, was ihnen nahelag: ein Platz zum Wohnen, etwas Material zum Heizen, etwas zum Essen, um den allgegenwärtigen Hunger zu stillen.

Die Jugend rebelliert

Später, in den 1950ern gab es zahllose Aufbrüche - einige betrafen die Kultur, andere die Wirtschaft. Die Umstände änderten sich damals schnell, die Mentalität allerdings sehr langsam. Die Generation, die damals über 40 Jahre alt war, tat sich schwer mit der neuen Zeit. Noch immer galten Gesetze und Verordnungen, die sich auf die Nazis zurückführen ließen, und der „Zeitgeist“ war konservativ-katholisch. Die Jugend begann zu rebellieren - nicht erst 1968, sondern schon viel früher.

Ein "zweiter Neubeginn" wird nötig - die 1968er

Die Folgen der 1968er werden heute noch von den konservativen Betonköpfen ignoriert. Es war nicht nur richtig, das „System“ infrage zu stellen, sondern es war eine kulturelle Notwendigkeit. Die Reste des verkrusteten Bürgertums im Westen (also der BRD) waren damals nicht in der Lage, aus sich selbst heraus kulturell innovativ zu werden. Wozu auch? Man hatte inzwischen wieder ein erträgliches Auskommen, und das „Bekannte“ war bürgerlichen Kreisen allemal lieber als das „Neue“. Noch heute ist es so, dass einige Mitbürger den „guten alten Zeiten“ nachtrauern, in denen es für alles und jedes festgelegte Regeln des Verhaltens gab. Man wollte wissen „woran man war“. Alternative Verhaltensweisen irritierten, und was irritierte, galt als Gefahr.

Bewegte Frauen als Folge der 1968er

In den 1970ern gab es - teils als Folge der 1968er, teils als Trend westlicher Kultur - eine neue Frauen-Emanzipationsbewegung. Auch sie war nötig, denn die sozialen Strukturen hatten sich nur wenig verändert, ebenso wie die Ideale, die nach wie vor aus der bürgerlich-konservativen Ecke kamen.

Diese Bewegung hatte die Vor- und Nachteile aller Bewegungen: Sie rüttelte auf, und um dies zu tun, übertrieb sie. Im Nachhinein lächeln alle über die Übertreibungen und die weiblichen Heißsporne, die als Frontfrauen dienten. Aber die Erfolge sprachen für sich, egal, zu wie viel Prozent die einzelnen Ziele erreicht wurden. Das Wichtigste: Die berufliche, finanzielle und soziale Eigenständigkeit wurde nicht nur angestrebt, sondern auch tatsächlich erreicht.

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Die gewillkürte Renaissance der Ehe durch Corona

„Corona bewirkt eine Renaissance der Ehe“ radebrechte n-tv (1) dieser Tage. Ursprung der Meldung war offensichtlich eine Nachricht der „Deutschen Presse Agentur“, in der ein Zukunftsforscher (Horst W. Opaschowski) behauptet, Belege dafür zu haben.

Die Faktenlage ist mehr als dürftig

Erlebt die Ehe nun eine „Wiedergeburt“? Und ist sie auf die Pandemie zurückzuführen? Und falls dies so sein sollte, mit welchen Mitteln kann nun „auf die Zukunft“ geschlossen werden?

Zunächst einmal: Wieso eigentlich Renaissance? Das Wort bedeutet Wiedergeburt - also war die Ehe zuvor bereits tot?

Auf gar keinen Fall. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 400.115 Ehen geschlossen, 2019 waren es 416.324. Erheblich mehr waren es im 25-Jahre-Vergleich nur in den 1990er-Jahren. (2,3)

Die Zustimmung zur Ehe ist derzeit hoch

Die Zustimmung zur „Ehe mit Trauschein und Kindern“ liegt in der Bevölkerung laut dem zitierten Zukunftsforscher bei 64 Prozent. Andere als „repräsentativ“ bezeichnete Umfragen liegen noch höher. Auf die Frage „Ist es noch zeitgemäß, zu heiraten“ votierten demnach 74 Prozent der Befragten in Deutschland mit „Ja“ (4).

Die Trends wären aufgrund der Faktenlage auch ohne Befragungen festzustellen gewesen, und zwar sowohl bei der Befragung, die durch Horst W. Opaschowski (5) veranlasst wurde wie auch durch jene, die „Readers Digest“ (4) durchführen ließ.

Pandemie-"Erfolge" sind reine Spekulation

Ob die Pandemie, also „Corona“ Einfluss auf die Eheschließungen haben wird, kann zu diesem Zeitpunkt (September 2020) überhaupt noch nicht abgeschätzt werden, zumal noch keine Zahlen für 2020 vorliegen. Zudem müsste sich ein Teil der Paare, die im nächsten Jahr heiraten werden, ja erst kennenlernen. Bekanntlich ist dies wegen der reduzierten Kontaktmöglichkeiten nur eingeschränkt möglich.

Woher also wollen Zukunftsforscher wissen, wie sich die Pandemie auf die Eheschließungen auswirkt? Und wann diese Auswirkungen eintreten? Gab es nach den vorausgegangenen Wirtschaftskrisen (Bankenkrise) wirklich mehr Eheschließungen?

Nicht einmal, falls die Pandemie zur Wirtschaftskrise werden sollte, stimmt irgendetwas an der Zukunftsprognose. Und falls sie, wie wir alle hoffen, nicht zur Wirtschaftskrise führt, sondern nach zwei Jahren wieder abebbt? Was dann?

Etwas Zurückhaltung bei "Corona-Erfolgen" wäre angebracht

Ich finde, Forscher sollten den Mund nicht so voll nehmen. Und Zeitungen und Zeitschriften sollten sich hüten, Meldungen solcher Art zu verbreiten. Unkritisch gelesen, sagt eine Überschrift wie „Forscher: Corona bewirkt eine Renaissance der Ehe“ aus, dass sich Wissenschaftler einig darin sind, dass die Corona-Krise einen unmittelbaren Einfluss auf die Eheschließungen hat. Zwar sagt der Text uns etwas anderes - aber manche Menschen lesen eben nur die Überschriften und glauben das, was sie dort lesen.

(1) n-tv
(2) Destatis
(3) Statista.
(4) Readers-Digest-Umfrage.
(5) Ausführlich nachzulesen und ohne Schnörkel in der "Volksstimme"

Bayern und die Schnittstelle

Datenschnittstelle mit Humor
Wer ist nun eigentlich überfordert beim Corona-Viren-Test in Bayern? Die Beamtenschaft? Die Politik in Bayern? Die Datenleitungen in Bayern? Oder die IT-Schnittstellen in Bayern?

Auf ein „Schnittstellenproblem in der Datenverarbeitung" zu verweisen ist eine ziemlich billige Ausrede, oder nicht? Hatte man die Schnittstelle nicht ausreichend getestet? Hat die Zeit gefehlt, es zu tun, und warum? Wer war dafür verantwortlich?

Niemand will es gewesen sein

Viele Fragen - und Antworten werden wir wohl nie bekommen. Es gibt eben ein „Schnittstellenproblem.“

Menschen schaffen Datenverarbeitung und Menschen schaffen und installieren solche Schnittstellen. „Die Schnittstellen“ selbst führen kein Eigenleben - sie sind also auch nicht „verantwortlich“.

Es sei denn, dies wäre in Bayern anders.