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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Falsche Empathie

Wenn jemand über seinen „Zustand“ oder seine „Befindlichkeit“ lamentiert, neigen wir dazu, ihm zuzuhören, vielleicht sogar zu trösten. Manche(r) hat sich als „mitfühlend“ erwiesen. Manchmal haben wir sie eingeladen, hin und wieder sind wir vielleicht sogar ihre (seine) Avancen hereingefallen oder haben gar aus Mitleid mit ihnen geschlafen.

Das alles mag ein Akt der Empathie sein. Nun ist das Wort zwar hübsch, und es lässt ich auch recht nett durch „Mitgefühl“ übersetzen. Und dennoch ist Empathie im normalen Leben (ich rede nicht von Notfällen) nur dann gut und richtig, wenn zwei Umstände zusammenkommen:

- Der andere muss bereit sein, im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu verändern.
- Ich selbst muss wissen, ob ich das, was der andere mir mitteilt, ertrage.


Jeder Psychoanalytiker oder Lebensberater wird euch das bestätigen. Das Schlimmste wäre, sich in die Person des anderen hineinzuversetzen, Parallelen zu entdecken und dann anzunehmen, man sei selbst in einer ähnlichen Grenzsituation.

Eine Bloggerin (1) schrieb dieser Tage:

Ich denke ständig darüber nach, wie wenig dazu gefehlt hätte, um in einer ähnlichen Situation wie W. geraten. Es kann sein, dass ich mich in ihrer Situation sehe, möglicherweise sehe ich in ihr mein Spiegelbild.


Ob wir nun mit sehr viel Glück oder durch Klugheit und Weitsicht nicht „in die Situation gekommen“ sind, spielt keine Rolle. Wir erinnern und, dass wir einmal schwach waren, aber auch, dass wir die Situation gemeistert haben.

Doch das Wichtigste fehlt noch: Nein, du bist nicht „die Andere“. Nur die „Andere“ ist die „Andere“, und Du bist Du. Ich bin nicht unbedingt ein Anhänger der Gestaltpsychologie, aber sie hat richtig erkannt, dass „Ich“ nicht „Du“ bist.

Was konkret heißt: Du kannst mit einem Menschen Mitleid haben. Du kannst ihn dabei begleiten, das zu ändern, was ihn bedrückt. Aber er ist nicht wie du. Und du bist nicht wie er. Punkt.

Und sollte der (die) Andere dich aushöhlen: Rette dich selbst, bevor du dich zerstören lässt.

(1) Alle privaten Blog-Zitate werden bei "sehpferd" sprachlich so verändert, dass eine Rückverfolgung unmöglich ist.

Über introvertierte Menschen und Begegnungen

Schon mal einen introvertierten Menschen kennengelernt? Dann lies auf jeden Fall weiter. Dieser Artikel ist zugleich eine Ergänzung zu meinem Beitrag „Triff einen introvertierten Mann“ in der „Liebeszeitung“.

Ich beginne mit zwei Zitaten. Das erste werden ihr nicht kennen – es stammt von einer englischsprachigen Lyrikerin mit deutsch-österreichischen Wurzeln, Sylvia Plath. Das Zweite ist ebenso bekannt, wie es verkannt wird. Sein Autor war mit Sicherheit introvertiert, dazu ein brillantener Mathematiker und Kinderbuchautor. Sein Künstlername war Lewis Carroll.

Sehr viele Menschen sind in sich verschlossen wie Schachteln, doch wenn man sie öffnete, könnten sie sich wundervoll entfalten – du müsstest dich nur für sie interessieren.

Oh, du Feuerlilie“, sagte Alice …, „wenn du doch nur reden könntest.“ „Wir können schon“, sagte die Feuerlilie, „solange jemand da ist, mit dem es sich lohnt.


Beide Sätze können sowohl auf introvertierte Partnersuchende (Frauen wie Männer) angewandt werden als auch auf auf alle anderen Menschen, die sich gegenüber den „Mainstream“ der hektischen und geschwätzigen Gesellschaft verschließen.

Reden - nur, wenn es sich lohnt

Der oder die Introvertierte reagiert zumeist genau wie die „Feuerlilie“, das heißt, er oder sie muss das Gefühl haben, dass es sich lohnt, mit dem anderen zu sprechen. Wer introvertiert ist, achten auf Fakten und auf glaubwürdige Gefühle … das heißt, er lehnt jede Form von „Geschwätz“ ab, das zu nichts führt, als die Zeit totzuschlagen. Das übliche Gerede in seiner Umwelt nimmt er zunächst als Worte, dann als Geräusche und schließlich als Lärm wahr.

Wahres Interesse

Wenn jemand mit einem/einer Introvertierten spricht, muss er sich ehrlich und wahrhaftig interessieren. Wer introvertiert ist, wird sich dann ein Wort oder einen Satz hängen und nachfragen: „Wie geht es dir dabei?“ Oder „was meinst du damit?“ Daran merkt der Introvertierte, ob das Gesagte nur eine nachgeplapperte Phrase ist oder ob die Person sich etwas dabei gedacht hat.

Das bedeutet aber auch: Gespräche mit Introvertierten gehen bei ihnen selbst – und gegebenenfalls auch bei dir – ans „Eingemachte“. Wenn du deinen Geist und deine Psyche nicht bis in die Tiefen öffnen willst, sondern stattdessen an der Oberfläche herumfischt, wird ein introvertierter Mensch schnell die Freude am Gespräch verlieren.

Doch wenn du es ernst meinst und dein Gegenüber achtetest, werdet ihr beide dabei erheblich gewinnen, so wie es Sylvia Plath prophezeite.

Sich verändern – ein schwieriger Fall

Ich lese viele Blogs von Menschen, die in einer eher misslichen Lage sind. Ein Teil von ihnen versucht, nichts zu verändern, sondern nur darüber zu reden, dass „sich“ irgendetwas verändern müsste. Die Umstände, die Anderen – aber auf keinen Fall „man selbst“.

Eine mir bekannte Bloggerin „postet“ seit mehreren Monaten Weisheiten, die durchaus Bestand haben könnten – doch vergaß sie, ihrem eignen Leben eine verbindliche Richtung zu geben. Stattdessen vertraute sie sich diversen „Ratgebern“ an, die sie (ich sage es zurückhaltend) eher weiter an den Rand des Ruins trieben, statt ihr zu helfen. Ein Teil davon bestand zweifellos eher aus „Heilslehrern“ als aus Heiler. Diese Frau begriff nicht, dass sie eine Art „One Thing“ brauchte – ein Ziel, das durch Zuverlässigkeit und einem starken Willen in Etappen erreicht werden kann.

Falsche Gurus und kurze, schmerzfreie Wege

Sehr viele andere Menschen, deren Weg ich verfolgen konnte, griffen nach bereitwillig dargebotenen Strohhalmen und anderen Leerhülsen, nur, um ihr Leben nicht wirklich in Ordnung bringen zu müssen. Das sind dann die bevorzugten Opfer von geschäftstüchtigen falschen Gurus. Ihr Fehler: Sie suchen den kurzen, bequemen, schmerzfreien Weg, statt den langen, beschwerlichen Weg zu gehen, sich selbst zu verändern.

Heute las ich etwas Hilfreiches in einem anderen Blog, das ich sinngemäß wiedergebe. Es klingt zunächst enttäuschend – dafür ist es aber die Wahrheit.

Ein besonderer schwieriger Part im Leben ist zweifellos, das Bedürfnis zu haben, sich zu verändern. Zumal, wenn du glaubst, dass du es tun musst. Und das Problem dabei ist, dass es schrecklich lange dauert, bis du dabei irgendein Resultat feststellst, vor allem mental. Das kann dich wirklich mutlos machen.


Mögliche Hilfe: beobachte, wie du dich veränderst

Ich hoffe, es macht die Bloggerin nicht mutlos. Denn erhebliche Veränderungen in den Lebenszielen und der mentalen Befindlichkeit können lange dauern – manchmal so viel Monate, wie du Lebensjahre zählst. (1)

Ob es sich „lohnt“?

Bitte frag niemals, ob „es“ sich lohnt. Schau, wie du dich veränderst, während du es versuchst. Setze Meilensteine, um deine Ziele zu überprüfen. Und wenn dir die Meilensteine zu weit auseinanderstehen, versuche es mit Babyschritten. Niemand sagt, dass Veränderungen leicht sein werden.