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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Begegnung mit Nummer

„Wo ist denn hier die 14?“

Ich blickte auf, sah eine etwas angejahrte Blondine, offenbar recht aufgeputzt, und schon setzte sie nach:

„Sie sind doch ein Einheimischer?“

Ich bejahte, obgleich ich hier zwar zuhause und genetisch verwurzelt bin, bin aber keinesfalls „einheimisch“. Zugleich begriff ich, dass an dem Haus, vor dem wir nun beide standen, eine Nummer 12 angebracht war. Sie musste also wohl die Nummer 14 in derselben Straße suchen.

Ich bedauerte, es nicht zu wissen. Das nächste Haus kann in dieser Gegend Nummer 12a, 13 oder gar 14 sein – inklusive der Ruine am Ende der Straße.

Die Dame murmelte verächtlich: „Ein Einheimischer, der nichts weiß“, und schüttelte ihr graues Haupt. Ich denke, sie fand die Nummer 14 noch irgendwo – falls es sie gab.

Das Emotionale, das Sentimentale

Dieser Tage fragte man mich, ob ich den Unterschied zwischen „Sentiment“ und „Emotion“ erklären könne. Für einen Schriftsteller sollte dies leicht sein, nicht wahr?

Und es ist wirklich ganz einfach: Die Emotion ist die Gefühlregung, die nicht näher definiert sein muss. Das „Sentiment“ hingegen ist die Auswirkung, die sich der eigenen Erkenntnis oder dem Blick der Anderen öffnet. Übrigens ist das Wort „Emotion“ ziemlich neu. Es fristete noch im späten 19. Jahrhundert ein kümmerliches Dasein, und erst im Rausch des aufkommenden Interesses für die Psychoanalyse wurde es populär. Auf Deutsch hieße es: „Gefühle“, das ursprüngliche „Sentimentale“ nennt man „Empfindungen“.

Wenn sich die Bedeutung eines Worts wandelt

Nun ist die Sprache allerdings wandelbar, und schon im 18. Jahrhundert wurde aus dem, was aus den Gefühlen heraus zu den Sinnen gelangt, als „übermäßig“ oder gar „unecht“ beschrieben. Das hat etwas mit der Einstellung jener Zeit zu tun, die der Gefühlswelt im Alltag wenig Raum gab – wenn man einmal von Dichtung und Musik absieht. Im 19. Jahrhundert trat dann ein, was viele Denker schon zuvor befürchtet hatten. Die Romantik verkleisterte mit ihrer Rührseligkeit die echten Gefühle – und dies führte endgültig dazu, das „Sentimentale“ abzuwerten und in die Abteilung „Kitsch“ zu verfrachten.

Die moderne Sprache ist wesentlich klarer: für Emotionen sagen wir „Gefühle haben“ und für das Sentimentale „Gefühle zeigen“.