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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Eliten als soziales Problem?

Das Merkwürdige an der Berichterstattung über „Eliten“ ist, dass die schwammigsten aller Begriffe gerade gut genug sind. „Eliten“ sind, wie ich gerade las, Menschen, die bestimmten Einkommensgruppen angehören. Und weiter, so lese ich es, versuche man, durch „Gleichheit“ oder jedenfalls Ähnlichkeiten weitere „Eliten“ zu bilden, indem man einander heiratet.

Sind dies Eliten? Ansatzweise verwendet ein Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ einen anderen Begriff: Akademiker(innen).

Dazu zitiere ich mal:

Frauen gehen häufiger an die Universitäten als vor 50 Jahren und lernen dort Männer kennen, die später häufig gut verdienen werden.


Die Mär, dass alle männlichen Akademiker einmal gut verdienen werden, höre ich wohl. Ich weiß aber auch, dass Akademikerinnen immer mehr Probleme haben, „in den gleichen Kreisen“ zu heiraten, weil der Wunsch nach männlichen Akademikern mit einem noch höheren Bildungsgrad häufig vorhanden – und nahezu unerfüllbar – ist.

Und ach, ja, da war noch etwas: PARSHIP und ElitePartner werden als Haupt-Quellen (neben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) genannt. Die Diskrepanz: Wer sich bereits an der Uni kennenlernt, wie der Redakteur zuvor erwähnte, wird kaum später auf PARSHIP oder ElitePartner suchen.

Klar ist: In Wahrheit ist der Geldadel gemeint, oder besser gesagt, das Wohlstandsbürgertum. Fragt sich, wer darin die die „Eliten“ sieht - etwa die Partneragenturen?

Die Tatsache, dass Geld zu Geld kommt, bedeutet leider auch, dass Einseitigkeit zu Einseitigkeit kommt. Und indem wir das tun, züchten wir eine Gesellschaft, in der sich die Bildungsstände und Einkommensgruppen nicht mehr genügend abmischen. Das hat soziale und emotionale Folgen, möglicherweise aber auch böse intellektuelle Folgen, denn bisher war es guter Brauch, dass sich „praktisch“ veranlagte Menschen mit solchen paarten, die eher theoretischen oder künstlerischen Absichten folgten.

Eine Bemerkung am Rande: Mich amüsiert, dass die Paarungen bei Online-Dating-Agenturen so sehr vom Einkommen abhängen. Waren das nicht diese hochwissenschaftlichen psychologischen Persönlichkeitstests, die angeblich so große Bedeutung hatten?

(1) Eliten, Ehen, soziale Probleme in der FR.

Sind Blogger Narzissten?

Kürzlich wurde eine Diskussion angepfiffen, die mich sehr befremdet: Blogger, so hieß es, seien alle Narzissten. Warum? Weil Blogger angeblich ausschließlich über sich selbst schreiben. Weil sie sich sehr ernst nehmen. Oder weil sie ihr eigenes Leben goldrichtig finden, währen es andere anzweifeln.

Mit Sigmund Freud imponieren? Vergesst es!

In letzter Zeit ist es Mode geworden, mit pseudowissenschaftlichen Begriffen zu verschleiern. Und dafür ist „Narzissmus“ bestens geeignet. Er soll zeigen, dass man schon mal von einem gewissen Herrn Freud, Sigmund, gehört hat – und das allein sieht schwarz auf weiß schon imponierend aus.

In Wirklichkeit ist alles Wischiwaschi. Wer überleben will, braucht die Selbstliebe wie auch die Liebe anderer, und er sollte zumindest bereit sein, Überschüsse an Liebe anzusammeln, um sie mit anderen zu teilen.

Was Blogger sind

Blogger allerdings sind Journalisten, die Meinungsmagazine betreiben oder Schriftsteller, die keine Romane, sondern Episoden veröffentlichen wollen. Das ist alles völlig in Ordnung.

Ich zitiere dazu mal sinngemäß udn gekürzt, was eine Bloggerin (1) schreibt:

Unsere Blogs sind kostbare und wertvolle Lebensräume. Warum wir bloggen? Weil wir es für richtig halten, zu bloggen, gleich. Ob wir dozieren oder unsere intimen Gedanken freilegen. Ich bin auch überzeugt, dass sie sich niemals entschuldigen sollten, aus welchem Grund auch immer. Entschuldigt euch nicht dafür, etwas gesagt zu haben, was euerer Meinung nach gesagt werden musste.


Niemandem "nach dem Munde reden" - die Freiheit nutzen

Als es in den Gazetten des später 19. Jahrhunderts noch Fortsetzungsromane gab, beeinflussten die Leserinnen und Leser die Autorinnen und Autoren oft durch Kritik und Anregungen, wie sich die Geschichten entwickeln sollten. Den Schreibern jener Zeit konnte es gleichgültig sein: Sie schrieben Ihre Romane oftmals ohnehin mit offenem Ende und gaben die nächste Folge erst kurz vor Redaktionsschluss ab.

Was daraus wurde, war ein elendiglicher, moralisierender Kitsch.

Wer könnte das heute noch wollen?

Blogger sind die letzten völlig unabhängigen Journalisten und Schriftsteller. Sie sollen sagen, was sie erleben und meinen – mit einer kleinen Einschränkung: Das eigene Leben soll dadurch nicht verkitscht, romantisiert oder eingetrübt werden.

(1) Nach Floss, aus dem Englischen, gekürzt.

Der Anspruch auf die Gefühle anderer - ein neuer Trend?

Gefühle? Nun ja ...
Wissenschaftler glauben, einen Trend an Geschiedenen entdeckt zu haben und behaupten:

Die Ergebnisse untermauern weltweite Trends, die auf eine zunehmende Bedeutung von gefühlsmäßigen und psychologischen Aspekten in Beziehungen hindeuten.


Damit fallen diese dänischen Psychologen in den Tenor einer ganzen Gruppe von Psychologen, Soziologen und Philosophen ein, die den Verlust von Liebe, Nähe, Gefühlen und dergleichen als „psychologisch“ definierbare Werte beklagen. Messen lassen sich diese Werte allerdings nicht, und schon gar nicht in der Reinform, nämlich als „Gefühle“.

Man kann auch sagen: die konkreten Probleme, die Paare im 19. Und 20. Jahrhundert hatten, haben sich zu einem einzigen Problem verdichtet: einem Mangel an dargebrachten Gefühlen.

Wie kommt das?

Ansprüche auf Gefühle - ein Trend?

Man kann viel forschen, doch eines steht fest: Die Ansprüche an den „psychischen Teil“ der Beziehungen sind gestiegen, und der „Anspruch auf Gefühle“ spielt dabei eine entscheidende Rolle. Je höher aber die Erwartungshaltung ist, umso schwerer sind Ansprüche erfüllbar. Das ist ungefähr so wie beim Kauf eines Eigenheims: Letztlich streckt sich das Paar nach der Decke, also der Wirtschaftskraft. Wenn die frei stehende Villa in der Nähe des Seeufers nicht erschwinglich ist, tut es auch das Reihenhaus mit kleinem Gärtchen. Merkwürdigerweise glauben viele aber, die Emotionskonten des Partners seien immer prall gefüllt, und man könne dort jederzeit Abbuchungen vornehmen.

Die Psychobranche: allzeit Rat und Tat

Wer nicht an die Erfüllbarkeit der Emotionsansprüche glaubt, wird an die Psychobranche verwiesen: Dort gibt es Seminare, Kurse, DVDs und Bücher zum Thema „Gefühle erlernen“, also dazu, die Emotionen in bestimmte Bahnen zu lenken. Was letztlich heißt: "Du emotionsarmer Mensch, du weißt gar nicht, was dir gut tut: Wir aber wissen es und können dich auf ganze neue Ebenen hieven." Wobei ich immer wieder amüsant finde, dass die Kunden der Esoteriker dazu gedrängt werden „Gefühle zuzulassen“.

Den Ansprüchen der anderen gerecht werden?

Und dann? Dann werden wir den „Ansprüchen gerecht werden“ oder nach „absolvierter Beziehungsarbeit“ wieder mit unseren Partnern glücklich?

Mich erstaunt daran, welchen Ansprüchen wir dauernd gerecht werden „müssen“, und was wir sonst noch alles tun sollten, um perfekte Menschen zu sein.

Gefühl abnuckeln - ein Menschenrecht?

Könnten wir uns nicht einfach fragen, welche Rechte andere haben, an unseren Gefühlen zu nuckeln oder ungefragt Taler von unseren Emotionskonten abzubuchen? Oder welches Recht sie haben, an unsere Gefühle „Ansprüche“ zu stellen?

Ich als dazu gerade einen Artikel über offenkundig emotionsstarke Tiere, die ansonsten eher als Rossnaturen gelten: Pferde. Sie lesen Emotionen aus unserer (und ihrer) Körpersprache, handeln dann sofort danach und vergessen das Ganze hinterher wieder. Ob es uns Menschen nutzt?

Bestimmt mehr als Psychologie, Esoterik und Hokuspokus.

Ein Oberhemd anprobieren

Dieser Tage wurde ich an eine deutsche Untugend erinnert. In Deutschland liegen Hemden säuberlich verpackt in Regalen, und viele Verkäufer/Verkäuferinnen zieren sich, wenn man als Kunde ein Oberhemd oder Freizeithemd anprobieren will.

Klar: Man müsste es ja entpacken, etliche Papp- und Kunststoffstücke entfernen, pieksende Nadeln herausnehmen und einige Klammern entfernen. Und am Ende – ach, was ist, wenn der Kunde das Oberhemd verweigert?

Ja, was ist dann? Das ist, verdammt, euer Risiko.

In vielen Ländern wird man vor dem Kauf gefragt: „Möchten Sie das Hemd nicht lieber probieren?“ Und ich muss sagen: Bei den Unterschieden im Schnitt und in der Passform (slim fit, modern fit, regular fit, comfort fit) kann man ohnehin kaum noch sagen, was so richtig „passt“. Zudem sind Hemden noch nach „Kragenweiten“ sortiert, was wieder verwirrt: Ein Hemd mit Kragengröße 42 trägt sich möglicherweise wie ein Sack – wenn die Konfektionsgröße eher „M“ ist.

Jedenfalls wurde ich dieser Tage wieder gefragt – auf einer kleinen Insel im Ausland. „M“ passte vorzüglich, der Kragen natürlich nicht: Aber ich trage zum Freizeithemd ja keine Krawatte – was soll’s also?

Ich wäre wirklich froh, wenn sich auch in deutschen Warenhäusern und bei Herrenausstattern herumsprechen würde, dass Hemden anprobiert werden sollten.

Intimität

Über Gefühle zu schreiben ist schwer – nicht nur in Kurzgeschichten und Romanen, sonder sogar in Zeitungsartikeln und Internetbeiträgen.

Wenn ich euch fragen würde: „Wie lange dauert es, eine gedankliche oder gefühlsmäßige Intimität aufzubauen?“, dann würde ich von den Vorlauten unter euch Antworten bekommen, die einen Zeitrahmen bieten. Vielleicht von ein paar Wochen bis zu mehreren Jahren. Die Nachdenklichen hingegen würden fragen: „Welchem Zweck soll die Intimität denn dienen?“ Und die Klugen würden sagen: „Zunächst müsste ich meine Intimität ja abbauen, um sie zu teilen – und dafür müsste ich einen Grund haben.“

Da haben wir es, das Wischiwaschi: Die „Intimität“ ist ohne Zweifel das „Innere“, das „Eigene“, das normalerweise nicht geteilt wird: Dabei ist es zunächst völlig gleich, ob wir von Geist, Emotion oder Körper sprechen.

Intimität teilen - nicht ohne Absicht

Und nun sehen wir klarer: Menschen benötigen einen Grund, um das Privateste, Verborgenste und Eigenste zu teilen.

Handelt es sich um Gedanken, so sind sie immer dann intim, wenn sie sich nicht teilen lassen. Wenn wir einem anderen Menschen einen solchen Gedanken mitteilen, dann haben wir einen Grund. Wir wollen beispielsweise wissen, ob es Menschen gibt, die ähnlich denken. Das ist ein Risiko, aus dem der Ruin oder der Ruhm erwachsen kann. Haben wir Glück damit, unsere Gedanken zu teilen, so haben wir „Gleichgesinnte“ gefunden.

Das intime Gefühl ist analog dazu ein Gefühl, das der Inhaber niemandem offenbart, es sei denn, um es zu klären. Das tut er aber nur, wenn ein Anlass dazu besteht. Im Grunde gibt es nur drei Anlässe: Wenn das Gefühl ihn so sehr bedrückt, dass er es „teilen“ will: dann geht er zum Psychoanalytiker. Ist er hingegen nur neugierig, dann sucht er bedächtig nach Menschen, die ähnlich fühlen. Hegt er nun aber legale intime Gefühle zu einer Person, beispielsweise, weil er sich in sie verliebt hat, dann muss er sich dieser Person offenbaren.

Ich denke, ich muss nicht erläutern, wieso dies alles für körperliche Gefühle ebenso zutrifft, insbesondere, wenn diese sexueller Natur sind.

Halten wir fest: Intimität ist das Eigene – der Teil von Geist, Psyche und Körper, den wir nicht mit jedem anderen teilen. Sollten wir es dennoch tun, so benötigen wir einen Anlass.

Wenn alle Regungen zu Gefühlen werden

Kürzlich las ich in einem esoterisch angehauchten Beitrag:

Unter emotionaler Intimität versteht man ein Gefühl der Nähe zu einer anderen Person.


Das „Gefühl der Nähe“? Nähe und Distanz, etwas zuzulassen oder zu verweigern sind sehr ursprüngliche Säugetiereigenschaften- und sie bestimmen weitgehend unsere sozialen Kontakte. Das „Gefühl der Nähe“ zählt also zum Repertoire unseres Verhaltens. So gesehen, ist es werde positiv noch negativ – es existiert einfach.

Wenn wir das Wort „Gefühl“ sehr weit dehnen, kann es unser gesamtes Verhalten umfassen – aber dann sind eben alle menschlichen Regungen „irgendwie Gefühle“. Und das Intime? Das teilen wir nur dann, wenn wir dazu bereit sind.