Skip to content
Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Züchtig – unzüchtig

Die Bedeutung nahezu ausgestorbener Worte - ein Service von sehpferd.

Züchtig sein

„Züchtig zu sein“ – ach, was mag wohl dies bedeuten? Am besten in Erinnerung haben wir es wohl, wenn wir daran denken, wie ein junges Mädchen züchtig die Augen niederschlägt. Es muss ein „wohlerzogenes“ Mädchen sein, denn nur sie weiß, was es bedeutet „züchtig“ zu handeln. Manchmal wird das Wort mit „Schamhaft“ assoziiert, dann wieder mit „keusch“. Der „züchtige Blick“ sagt aber eigentlich aus, dass die Person, die nun die Augen niederschlägt, nicht auf einer Ebene mit ihrem Gegenüber kommuniziert, also nicht „auf Augenhöhe“.

Die Zucht - die Erziehung

Die Wörter „Unzüchtig“ und „züchtigen“ stehen in engem Zusammenhang mit dem „züchtig“ sein. Denn wenn man „züchtig“ mit „wohlerzogen“ übersetzt, kommt der Zusammenhang zutage: "Erziehen", "die Zucht", „die Unzucht“ und "das Züchtigen" stehen in einem unverbrüchlichen Zusammenhang.

Die Unzucht - biblisch begründet und in die Köpfe einbetoniert

Die Unzucht ist dabei jede Art der unsittlichen Berührung, nach alten Lexika (Büchner) zum Beispiel

der geschlechtliche fleischliche Umgang außer der Ehe; dann überhaupt alle der göttlichen Ordnung widerstreitende Befriedigung des Geschlechtstriebes.


Nach dem Brockhaus (dort ausführlicher) ist es

die Gesamtbezeichnung für diejenigen strafbaren Handlungen …, durch welche die nach der ethischen Volksanschauung dem Geschlechtsverkehr gesetzten Schranken gröblich verletzt werden.


Meyers Lexikon spricht nicht von der Unzucht, sondern nur von „Unzuchtverbrechen“ und argumentiert, dies seien strafbare Handlungen, welche in einer gesetzwidrigen Befriedigung des Geschlechtstriebs bestünde.

Der Geschlechtstrieb, die Unzucht und die Begriffsverwirrung

Es ist sicher auffällig, wie der „Geschlechtstrieb“ in den Mittelpunkt gestellt wird. Der Mensch ist nicht einfach „ungezogen“ (schlecht erzogen), wenn er sich „unzüchtig“ verhält, sondern er schleckt an der Sünde wie an einem Schokoladeneis. Und er muss gar nicht selbst Unzucht treiben, denn es reicht schon, wenn er unzüchtige Schriften liest. Ob da noch die Auffassung des Katholizismus durchschimmert? Beinahe könnte man meinen, in der Volksseele sei das Geschlechtliche an die Sünde gekoppelt – und nichts ist so interessant wie die Sünden, die andere begehen. Soweit also zu unzüchtigen Schriften.

Im Grunde trifft es das Grammatisch-kritische Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart recht gut, wenngleich der Stil etwas altväterlich klingt: Demnach ist die Unzucht „der Mangel, oder die Abwesenheit der Zucht, und eine darin gegründete Handlung.“

Ergänzt wird hier die Mehrfachdeutung des Wortes:

Eigentlich, in welchem Verstande dieses Wort ehedem sehr häufig war, eine jede sowohl der gesellschaftlichen Wohlanständigkeit, als auch der bürgerlichen Ordnung, und den Gesetzen zuwider laufende Handlung zu bezeichnen; da es denn theils mit Ungesittetheit, Unanständigkeit, theils mit Frevel, Unfug, Ausschweifung, theils auch mit Verbrechen und andern ähnlichen Ausdrücken gleich bedeutend war.


Womit wir etwas klüger wären, denn nun wissen wir, dass der Begriff der Zucht wie auch der Unzucht etwas mit der „Wohlanständigkeit“ (oder dem „wohlerzogen sein“) zu tun hat. Und das „züchtige“ Mädchen ist also eine junge Frau, die wohlanständig oder wohlerzogen ist.

Nun sind die Zeiten, in denen junge Frauen den Blick zu senken hatten, wenn sie eine Dame von Stand besuchten, glücklicherweise vorbei. Und insofern hat sich der Begriff des „züchtigen Verhaltens“ nun wohl endgültig verabschiedet.

Quellen in der Reihgenfolge der Zitate:

(1) Gottfried Büchner,1890
(2) Brockhaus, 1894
(3) Meyers, 1885
(4) Adelung, 1793.

Warum ich fröhlich verantwortungslos sein darf

Es waren ernste Menschen – Redakteure, Politiker und sogar ein Bundespräsident. Und sie alle warnten Deutschland, die Deutschen und Ihresgleichen, auf keinen Fall „fröhlich verantwortungslos“ zu sein“.

Ich kann, und ich darf verantwortlich sein, und zwar genau dann, wenn ich dies erwähle oder mich wählen lasse, um es zu tun.

Und ich darf eben auch verantwortungslos sein, weil ich nicht für das Wohl und Wehe des gesamten Volkes oder einer großen, mir aber weitgehend unbekannten Gruppe zuständig bin.

Und dabei denke ich: Was diese beckmesserischen Autoren stört, ist ja gar nicht das Wort „verantwortungslos“. Sondern das Wort „fröhlich“. Um Himmels willen, Brüder und Schwestern, seid bloß nicht fröhlich! Wie könnt ihr nur fröhlich sein?

Niemand darf in diesem Land fröhlich sein. Kein Einheimischer, kein Asylsuchender, keine Frau und klein Mann. Und natürlich erst recht kein Politiker, kein Experte und kein Redakteur. Die sogenannten Gutmenschen sorgen dafür, dass wir alle mit ernsten, ja gar besorgten Gesichtern herumlaufen müssen.

Vor Jahrzehnten (ja, Jahrzehnten) habe ich mal ins Gespräch gebracht, dass wir keine besorgten, engstirnigen und besserwisserischen Experten benötigen, sondern fröhliche, freizügige denkende und - so weit es möglich ist - optimistische Kenner.

Doch damit bin ich gescheitert. Wer heute als Experte etwas gelten will, muss ein sehr, sehr ernstes Gesicht machen. Das reicht. Ein klein wenig Wissen aus einem Studium, um Himmels willen kein Erfahrungswissen, eine gewisse Einseitigkeit – das genügt. Und dann Bücher schreiben, Interviews geben und viel Blech reden – das wirkt..

Nein, nein … der fröhliche Kenner schadet euch nicht. Und wer fröhlich ohne Verantwortung dasteht, schadet euch auch nicht. Euch schaden jene, die mit ernster Mine Unwahrheiten verkünden.

Zeitgeschehen vom Rand aus betrachtet

Urlaub, so lerne ich gerade, ist die Erlaubnis, sich zeitweilig vom Arbeitsplatz zu entfernen.

Das habe ich mir nunmehr erlaubt. Und sehe die Dinge gelassener, aber nicht unkritischer.

Fußball? Ach, du liebes bisschen – das ist etwas, bei dem alle mitreden wollen. Und die meisten bilden dann Sätze mit „wenn … dann“. Ich bekenne offen: Keine Ahnung – am Ende wird irgendjemand gewinnen und sich „Weltmeister“ nennen. Na und?

Ach, dann war da noch der NSU-Prozess – Kommentarfutter für Spitznasen, die Recht mit Gerechtigkeit verwechseln. Hoffentlich werden wenigstens die Opfer angemessen entschädigt, wenngleich mir allein das Wort „Entschädigung“ gar nicht leicht über die Lippen kommt.

Die Eiseskälte, mit der manche Amateur-Kommentatoren jetzt über das nach ihrer Meinung richtige oder unrichtige Urteil reden, ist eine Schande. Menschen sind zu Tode gekommen – aus blindem Hass. Das ist der zentrale Punkt. Sie werden nicht wieder lebendig – aber man kann sie wenigstens Ehren.