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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Wie Plots wirklich zu bewerten sind

Als Kritiker treffen Sie früher oder später auf das Wort „Plot“, das mir stets etwas befremdlich erscheint. Gemeint ist nicht mehr und nicht weniger als der „Ablauf der Handlung“, ein Begriff, der nicht weniger lapidar klingt als das Wort „Plot“

Der Wert der Plots wird überschätzt

Schreibschulen legen ausgesprochen viel Wert auf Plots, und manchmal wird dabei verkompliziert, vereinfacht oder einfach neu definiert. Wie in der Grundschule wird Ihnen verraten, dass sie ein „stimmiges Handlungsgerüst“ benötigen, das darüber hinaus noch „spannend“ oder „emotional“ sein soll. Ich kann dabei nur still in mich hineinlächeln, wenn ich von „emotionalen Handlungsgerüsten“ lese. Selbst das Wort „stimmig“ befremdet mich – was soll denn dabei eigentlich „stimmen“?

Übrigens sitzen manche Internet-Autoren einem groben Fehler auf: Sie glauben, dass der Plot genau so existierte, wie der Roman schließlich geschrieben wurde. In Wahrheit wurden die Beispiel-Plots zu den „großen“ Romanen nachträglich aus den Texten herausgezogen.

Nur sechs mögliche Plots?

Wer Schrifttum logisch betrachtet, kommt zu dem nüchternen Ergebnis, dass es eine sehr begrenze, Anzahl von Plots gibt. Wissenschaftler der Universität von Vermont haben vor Kurzem 1.700 englischsprachige Geschichten analysiert. Sie kamen nur auf sechs mögliche Plots.

Der neutrale Plot

Lassen Sie uns zunächst ansehen, wie ein neutraler Plot aufgebaut ist. Er besteht aus drei Teilen: (1) Einer Situation. (2) Einer Veränderung. (3) Einem Ergebnis der Veränderung.

Wir können dies auch anhand der Problemtheorie beschreiben:

Unsere Heldin steht vor einem Problem.
Sie versucht eine Lösung
Die Lösung erweist sich als Erfolg.


Die Lösung ist meist vielschichtig

Wenn Sie nicht so nüchtern denken und Fantasie haben, dann werden Sie sofort merken: Die Spannung wie auch die Lust, ja das System des Versagens und Gelingens liegt im Punkt zwei. Denn das, was ich hier mal flapsig als „die Lösung“ bezeichnet habe, ist eine von vielen möglichen Lösungen. „Lösungen“ außerhalb der Problemtheorie bestehen oft darin, irgendeine nahezu beliebige Maßnahme anzuwenden. Innerhalb der Problemtheorie kann die Maßnahme zwar durchdacht sein und zum Ziel führen, aber auch gar nichts bewirken oder das Gegenteil dessen, was sie bewirken sollte. Am Ende kann sich das Problem sogar als unlösbar erweisen.

Wie das gleiche Problem durch unterschiedliche Lösungen verändert wird

Nehmen wir an, Ihrer Heldin fehlt emotionale Zuneigung. Sie wünscht sich dann zumeist Liebe. Sie kann nun einige Verabredungen eingehen, feststellen, was für sie gut und richtig ist und schließlich vor dem Traualtar landen – oder eben auch nicht. Das wäre eine „beliebige Maßnahme“.

Sie kann aber auch ihre emotionalen Vorzüge entdecken, sie vielfältig einsetzen und darüber Liebe und Zuneigung zurückbekommen. Damit kann sie eine lang andauernde Periode der Lust empfinden und vielleicht auch heiraten.

Ebenso kann sie in suchtähnlicher Weise danach streben, sich ihre Wünsche zu erfüllen. Da sich dies als schwierig erweist, versucht sie, mehr und mehr Energie daraus einzusetzen und gerät dadurch immer mehr in einen „Teufelskreis“.

Eine weitere Möglichkeit wäre, die emotionale Zuneigung zu deckeln und stattdessen kühl zu kalkulieren, welche Verbindung ihr die meisten Vorteile bringen würde. Doch wie stillt sie dann ihre emotionale Bedürftigkeit?

Ich denke, nun können Sie mit den Varianten arbeiten, auch ohne jemals etwas von der Problemlösungstheorie gehört zu haben.

Die Theorie der Lösungen und ihre literarische Verwendung

Es gibt natürlich viele, viele andere Themen – aber die Idee, sich an der Problemlösungstheorie entlangzuhangeln, ist nie falsch.

Sehr vereinfacht geht das so:

Problem und Lösung passen überhaupt nicht zueinander. Das kann dennoch etwas Positives bewirken, gar nicht bewirken oder etwas Negatives bewirken.

1, Das Problem passt zwar zur Lösung, der Weg ist aber dornig. Kurz: Zum Ziel führt ein weiter Weg mit Hürden.
2. Das Problem passt zwar wieder zur Lösung, doch die Anstrengungen werden übertrieben und führen ständig in neue Sackgassen. Das heißt: Die Person wird nicht zum Ziel kommen, obgleich sie sich immer mehr anstrengt.
3. Die Umkehrung von (2): Das Problem wird verkompliziert, es gäbe eine einfache Lösung, gegen die aber meist Bedenken bestehen.
4. Das Problem löst sich durch eine ungewöhnliche Maßnahme, beispielsweise durch eine merkwürdige Begegnung oder durch eine an sich paradoxe Maßnahme.
5. Das Problem existiert in dieser Form gar nicht, und alle Lösungen führen in die Irre.

Nun noch mal zurück zu den Leuten von der Uni. Sie haben zwei lineare und vier komplexere Plots festgestellt

Zielerfüllung: aus der Misere zu Wohlstand und Ansehen.
Zielversagen: aus einer guten Ausgangslage in die Misere.
Ikarus: Hoch hinaus wollen und dabei abstürzen.
Ödipus: aus dem Tief auf die Höhen, dann ein neues Tief.
Aschenbrödel: Aufsteigen, wieder absteigen und erneut aufsteigen.
Gefangen: Tief fallen, dann wieder aufsteigen.


Hinweis: Die Übersetzungen sind frei gestaltet.

Wenn Sie mehr wissen wollen, schreibe ich Ihnen geren mehr darüber. Sie können auch bei der BBC darüber nachlesen.

Emotionskapital

Das Wort gilt als Unwort – so wie „Naturkapital“, „Humankapital“ oder „Sozialkapital“. Die moderne Ausrichtung vieler Wissenschaftler auf „Antikapitalismus“ lässt nicht zu, sinnvolle neue Begriffe für „Ressourcen“ zu finden. Dabei sind „Ressourcen“ nichts als „Quellen“, aus denen wir schöpfen können, deren Fluss wir aber auch bewahren müssen.

Wahrscheinlich hat in der Entwicklung der Menschheit kein Kapital so viel Rendite gebracht wie das Emotionskapital. Jeder Mensch verfügt darüber, und jeder kann damit handeln. Wir können es aufhäufeln, es vorsichtig ausgeben, andere damit überschütten oder es sinnlos verprassen.

Die nachwachsende Ressource, auf die wir Sorgfalt verwenden sollten

Das Emotionskapital ist eine nachwachsende Ressource – jedenfalls bei den meisten von uns. Falls dies nicht zutrifft, leben wir in einem Dilemma. Macher hat schon erlebt, dass er zu viel in einen Menschen, eine Gruppe oder ein emotionales Projekt investiert hat, viel mehr als ihm selbst nachwächst. Frauen sagen dann manchmal, sie hätten „so viele Emotionen investiert“ – und das stimmt selten. Sie meinen in Wahrheit, dass ihre Emotionen keine Rendite getragen haben, sie aber solches erwarteten. Zwar hat jeder die Hoffnung, etwas zurückzubekommen, wenn er investiert – aber oftmals sind die Investitionen eben verloren. Wir lernen dies von frühester Kindheit an. Dabei spielt es keine Rolle, ob wir Hilfe gaben oder Liebe schenkten. Manchmal bekommen wir mehr zurück, als wir erwarteten, manchmal das, was wir erwartet hatten und manchmal eben – gar nichts.

Emotionskapital ist wichtig. Deshalb sollten wir es so nennen. Und wir sollten es klug einsetzten, um nicht enttäuscht zu werden.