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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Gebhard Roese sagt die Wahrheit – über Experten

Experten genießen in Deutschland hohes Ansehen – doch kaum jemand weiß, was ein „Experte“ eigentlich ist. Nun, es handelt sich dabei um eine Person, von der man glaubt, dass sie sich auf einem bestimmten Fachgebiet besonders gut auskennt. Dabei kann es sich um rein theoretisches Wissen, aber auch um sorgfältig erarbeitete praktische Erkenntnisse handeln. Zudem gibt es Experten, die anderen Menschen das Rüstzeug anbieten, um den eigenen Erkenntnisstand selber auszuweiten.

Es ist also nicht nötig, ein Studium abgeschlossen zu haben oder auch nur eine fachgerechte Ausbildung genossen zu haben – Experte kann jeder durch die Anwendung seines Wissens oder seiner Fähigkeiten werden.

Warum Sie Experten nicht kritiklos trauen dürfen

Die Sache hat mehrere Haken – vor allem aber einen: „Experten“ haben zumeist einen „Tunnelblick“, und dies ist völlig unabhängig von ihrer Profession. Der nächst Haken liegt in der Frage, ob es für den „Fachbereich“ überhaupt verlässliche Daten und Fakten gibt. Daraus ergibt sich die nächste Frage, wie viel „Meinung“ in der Expertenmeinung liegt, das heißt, ob diese Meinung überhaupt jemals objektivierbar ist. Schließlich – und auch das ist eine Folge aus dem bereits Gesagten – ist die Frage, ob es sich beim Gegenstand, das der Experte beschreibt und bewertet, möglicherweise um einen reinen Mythos handelt.

Der Hi-Fi-Experte als Beispiel

Ein typisches Beispiel ist der „Hi-Fi-Experte“ der Vergangenheit – und noch mehr jener der Gegenwart. Es ist von immensem Vorteil dabei, von der Elektrokaustik möglichst wenig zu verstehen. Stattdessen ergießt sich der Experte meist in der tollen Verarbeitung der Geräte und in den wundervollen Klängen, die sie produzieren. Er interessiert sich nicht dafür, wie der Klang überhaupt auf den Tonträger kommt oder wie er sich akustisch in einen Wohnraum breitmacht. In der Regel geht er nach dem Motto vor: Viel Handarbeit kombiniert mit einer komplizierten und anfälligen Technik ergibt teure Geräte, und teuer ist immer gut.

Das Problem dabei ist: Viele Menschen vertrauen dieser Art von Experten. Sie geben sehr, sehr viel Geld für etwas aus, das der Endkunde wirklich nicht benötigt, und das ihm auch keinerlei Vorteile bringt.

Warum ich nicht als Experte gelten möchte

Vor einigen Jahren habe ich mich noch sehr um die Online-Dating-Branche gekümmert. Das Expertentum liegt dabei darin, die Partnersuchenden mit der besonderen Art der Begegnung vertraut zu machen. Das gelingt nur, wenn man genügend Distanz zu allerlei Glaubenssätze und vorgefassten Meinungen hat. Denn im Grunde ist das sogenannte „Dating“ nichts mehr als die Begegnung mit einer fremden Person, über die man gerne mehr erfahren würde, um viellicht einen gemeinsamen Weg zu gehen. So weit so gut – aber das will niemand hören. Und schon kommen Leute auf die Bühne, für die alles „eine Nummer größer“ sein muss. Dabei geht es dann um „perfekte Dates“, oder wie man Frauen dazu verführt, möglichst gleich vom Kaffeehaustisch ins Bett zu springen. Würde mich heute noch jemand einen Dating-Experten nennen, ich würde ihm antworten: „Ich möchte nicht mit diesen Leuten in einen Topf geworfen werden.“

Experten haben selten mehr als eine Perspektive

Bei fast allen Experten macht sich im Übrigen ein „Tunnelblick“ bemerkbar. Sie sehen das, was sie sehen wollen, und sie sehen es aus der Perspektive, die sie kennen. Gleich, ob es sich um Musik, Elektroakustik, Fotografie, Zusammenleben, Partnerschaften oder Liebe handelt.

Probleme lösen - ein Problem für Experten

Sehen Sie, ich beweise es Ihnen am Beispiel eines Problemlösers. Hat er einen Tunnelblick, so greift er nach der seiner Meinung nach am besten bewährte Lösung. Er vermutet: Dieses Problem passt auf das Schema dieser Lösung, also muss es funktionieren. Sie werden sich wundern, wie oft dies in der Praxis vorkommt.

Ohne Tunnelblick wird der Problemlöser sich das Problem ausführlich beschreiben lassen, wird Fragen stellen und Antworten bekommen, wird seinen Klienten puzzeln und ordnen lassen. Und wird froh über das ganze Gesicht strahlen, wenn er am Ende sagt: „ja, die Lösung war doch ganz einfach.“

Sie dürfen gerne bezweifeln, was ich hier schreibe. Aber die Frage ist: Wird es Ihnen auch gut tun? Sagen Sie mir doch einfach, was Sie denken.

Sinnloses Wort: der Lebensentwurf

Um Himmels willen, wer hat uns nur diesen Begriff beschert? Ja, ich meine den „Lebensentwurf“, den mittlerweile Journalisten wie auch Sozialwissenschaftler und Persönlichkeitsentwickler ständig vor sich herbabbeln.

Der Begriff ist neueren Datums. Bis 1975 kam er so gut wie niemals vor, bevor ein kometenhafter Boom einsetzte. Warum das Leben plötzlich als „planbar“ erschien, und wozu es dazu eines „Entwurfes“ bedurfte, ist völlig unklar. Zuvor gab es das „Lebensziel“, das man besser in den Plural setzten sollte: "Die Lebensziele." Lebensziele kann man jederzeit festlegen, verwerfen, verfehlen oder auch ändern und neu festlegen. Ob es überhaupt günstig ist, „Lebensziele festzulegen“ mag jeder selbst wissen – man vermeidet dadurch andere oder alternative Erfahrungen, seinen sie positiv oder negativ.

Betrachtet man die Anwendung des Begriffs „Lebensentwurf“ , so wird deutlich: Damit ist ein vorgefertigtes Schema gemeint, und keinesfalls ein individueller Lebensplan. Leben nach einem Schema? Einem „bürgerlichen, sozialistischen, konservativen, maskulinen oder femininen Lebensentwurf folgen?“

Schnell wird deutlich: Das Wort dient dazu, die eigentlichen Absichten, Ziele und Vorstellungen zu vernebeln und einen Begriff dafür zu schaffen, der schließlich gar nichts mehr aussagt. Und so ist der „Lebensentwurf“ ein absoluter Bluff: Er betrifft nicht das Leben als solches, und er ist kein Entwurf.

Wer sein Leben liebt, der entwirft es jeden Tag neu, breitet es vor sich aus, findet Gefallen daran und vielleicht auch Lust. Aber das ist kein Lebensentwurf, sondern der Fluss des Lebens.

Verdi blockiert das Leben einer Stadt

Ach, das Streikrecht – wir schön. Und je leichter es sich einsetzen lässt, umso besser. Man bestreikt Kommunen. Die haben die Eigenschaft, sich kaum wehren zu können und stets nur knappe Mittel zu besitzen. Lohnforderungen der Gewerkschaften sind Gift für den Haushalt, der von vornherein begrenzt ist.

Aber man hat ja recht. Und recht hat, wer das Streikrecht hat – und also kann Verdi einfach loslegen, um das Leben von Städten zu blockieren. Wie jetzt in Leipzig geschehen - und anderwärts.

Die Folgen für Verdi sind minimal, die Folgen für die Bewohner von Leipzig eklatant. Wahrscheinlich wird Verdi siegen, und die jeweiligen Kommunen werden unter dem Druck der Gewerkschaftsmacht einknicken. Die Beschäftigten, manche von ihnen am Limit arbeitend, andere im komfortablen beamtenähnlichen Status, werden sich freuen. Und doch: Ihre Bezüge werden ja nicht „erwirtschaftet“, sondern am Ende allen wieder aus den Taschen gezogen: Das Geld, das in die Lohntüte der Verdi-Mitglieder fließt, wird den Kunden der Kommunen früher oder später wieder aus der Tasche gezogen. Und Kunde der kommunalen Dienste ist nahezu jeder. Wen es trifft? Hauptsächlich den ärmeren Teil der Bevölkerung.

Ob’s Verdi interessieren wird? Nein, dort wird man müde lächeln – und auf das gute Recht verweisen, eine Stadt lahmlegen zu können.