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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Ostdeutschland: die unglaublich große Verbitterung?

Ausnahmsweise erst einmal ein Zitat der Historikerin Kristen Ghodsee. Sie versucht sich an Ostdeutschland und stellt fest (oder besser: Tut ihre Meinung kund): (Anmerkung 1)

Ich glaube, bei vielen Ostdeutschen herrscht eine unglaublich große Verbitterung darüber, wie sie von den Westdeutschen behandelt worden sind. Mein Eindruck ist, dass man in Westdeutschland bestrebt war, die Spuren ostdeutscher Sozialisation und Kultur aus dem öffentlichen Leben zu tilgen.


Ostdeutsche Kultur oder sozialistische Kultur?

Ach, liebe Frau Ghodsee, da sind Sie auf ihre sozialistischen Gesprächspartner hereingefallen, die so etwas seit vielen Jahren behaupten.

Kein Westdeutscher hat „die Ostdeutschen“ in irgendeiner Weise bewusst oder absichtlich „mies behandelt“ und niemand wollte „die Spuren ostdeutscher Sozialisation und Kultur“ auslöschen. Das ist auch tatsächlich nicht geschehen: Die Sozialisten feierten schon kurz nach der Wende Triumphe, zuerst als PDS, dann als „Die Linke“. Ist dies etwa kein Beweis für die „Bewahrung der (sozialistischen) Ostkultur?“ Ich habe noch bei einigen Veranstaltungen die Ohren gespitzt, bevor Herr Ramelow die „gemäßigte Linie“ nach Thüringen brachte. Zuvor wurde auf Veranstaltungen gezielt Hass gegen Westdeutsche, ja sogar gegen den Bundespräsidenten geschürt.

Deutsche Kultur ist umfassend und oft schwierig

Was nun die Kultur angeht: Wir haben eine lange Deutsche Kultur. Wir haben leider auch noch Rest-Unkulturbestände aus dem „Dritten Reich“. Und wir haben Fehler in den ersten Jahren nach Gründung der Bundesrepublik gemacht, indem wir die Nazi-Kultur nicht restlos tilgten. Nun würden wir gerne als Deutsche gesehen werden, die unsere Vergangenheit hinter uns gelassen haben. Und dies gilt auch, wenn hin und wieder Rechts- wie Linksextremismus sichtbar wird oder einzelne Menschen nicht zufrieden mit dem Erreichten sind.

Und: zumindest alle Menschen IHRES Jahrgangs (1970, wenn ich nicht irre) hatten die Möglichkeit, ihr Glück selber zu schmieden. Und sehr viele haben es auch getan.

(1) Die Zitatenquelle ist der FREITAG. Der Artikel erschien unter dem etwas reißerischen Titel: "Sex ist Konsum" - Teilweise handelt der Artikel von Frauenemanzipation aus sozialistischer Sicht.

Gedanken zur Wiedervereinigung

Es gibt etwas zu feiern - hier wird die Einheit im Ausland zelebriert
„Nichts ist geblieben“ – wir harmlos doch ein solcher Satz klingt. Muss ich jetzt Mitleid haben? Gut, da kam noch ein Nachsatz: „Und was einmal wahr, das hat sich, bei ehrlicher rückblickender Betrachtung, noch dazu als katastrophaler Irrweg erwiesen.“

„Der Westen“, so höre ich weiter, „habe Ostdeutschland okkupiert, den Menschen ihre Identität genommen.“

Das alles sagten Menschen, die es besser wissen sollten, zum Tag der „Deutschen Einheit“ – und ich höre es immer wieder, vor allem ohne den Nachsatz.

Ich verwies vor einigen Wochen einen ehemaligen Lehrer und SPD-Anhänger darauf, dass wir alle Deutsche seien und eine gemeinsame deutsche Geschichte (vor 1933) hatten. Leider auch nach 1933 bis zum Zusammenbruch des Nazi-Regimes. Und – man staune – sogar zwischen 1945 und der Wiedervereinigung. Bedauerlicherweise kann sich niemand im Osten vorstellen, dass es in Westdeutschland eine wirkliche, lebendige Geschichte gab, die jeden Einzelnen geprägt hat, und die nur sehr marginal eine „westdeutsche Geschichte“ war. Neulich wurde mir mal der „Marshallplan“ um die Ohren gehauen, der „die Westdeutschen“ reich gemacht hätte, und gelegentlich sind es die „alten Nazis“, die in der alten Bundesrepublik wohl mal im Parament saßen.

Und ich? Ich bin von der Abstammung her Thüringer, von Geburt Norddeutscher, war Fremder in Schwaben, Baden, einigen skandinavischen Ländern und Ungarn. Während meiner Auslandaufenthalte blieb mir gar nichts anderes übrig, als „Deutscher“ zu sein. Heute lebe ich wieder in Thüringen und bezeichne mich als Europäer.

Der größte Unfug besteht in der Behauptung, „Westdeutschland“ habe eine „gemeinsame Identität“. Ein Schwabe unterscheidet sich von einem Holsteiner deutlich mehr als ein Mecklenburger von einem Holsteiner. Aber auch sie sind alle Deutsche. Und was heißt es, Deutscher zu sein?

Zumindest eines: die Königreiche und Fürstentümer vereint zu haben in einem gemeinsamen Deutschland. Dazu gehörte auch, eine deutsche Identität zu finden, die es damals eigentlich gar nicht gab. Und dazu gehörte auch, zu akzeptieren, dass Deutschland nicht ausschließlich von Germanen bevölkert wurde. Ferner gehörte dazu, die römische, griechische, arabische, jüdische und französische Kultur (und schließlich die englische) zu integrieren und mit der eigenen so zu verschmelzen, dass der Kern erhalten blieb.

Und nun wollen einige Menschen mir sagen, sie hätten einst eine „Ostdeutsche Identität“ und „der Westen“ hätte sie ihnen geraubt?

Also denkt bitte noch mal darüber nach, Mitbürgerinnen und Mitbürger.