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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Keiner weiß, wer wirklich zu DIR passt

Dieses Matching sollte immer funktionieren ...
Der Schlüssel zu einer dauerhaften Beziehung ist: Komptabilität, das heißt „exakte persönliche Übereinstimmung“ und nicht „andere Leute mit ähnlichen Interessen oder politischen Ansichten zu treffen".


Das meint Fernando Ardenghi, der für seine „reine Lehre von der Übereinstimmung“ überzeugt ist. Ich will euch in einem etwas längeren Beitrag schreiben, warum ich das für Unsinn halte.

Primitiv-Matching

Nun reichen ähnliche Interessen, örtliche Nähe und möglicherweise auch politische Einstellungen zwar dazu, jemanden kennenzulernen, aber nicht dazu, eine Beziehung einzugehen. Es wäre ja auch völlig unsinnig, dies anzunehmen. Insofern sind die Matching-Algorithmen, die aus den sozialen Netzwerken gefischt werden, absoluter Unsinn.

Kein Beweis für den Erfolg „persönlicher Übereinstimmungen“

Doch halt - es gibt ebenso wenig einen Beweis dafür, dass eine „exakte persönliche Übereinstimmung“ zu stabilen Beziehungen führt. Zumal es keine Kriterien für das Vermessen der Persönlichkeit gibt, die wirklich tragfähig sind. Die Anhänger des Fünffaktorenmodells (Big Five) bekämpfen die Freunde von Myers-Briggs, deren Verfahren sie als unprofessionell bezeichnen. Und beide werden von den Erfindern neuer Modelle bezichtigt, zu ungenau zu sein.

Was ist nun wahr? Ist „die“ Psychologie überhaupt kompetent?

Die Theorien zur „Einordnung“ von Persönlichkeiten stammen tatsächlich aus der Psychologie – nämlich von Carl Gustav Jung. Aber nun bitte nicht gleich vor Ehrfurcht Strammstehen - das Ganze war ein Versuch, um Persönlichkeiten zu „klassifizieren“ – und nicht mehr. Ob die Psychologie überhaupt erstens befugt und zweitens in der Lage ist, die Persönlichkeit zu klassifizieren, ist fragwürdig. Die Kriterien sind mehr oder weniger aus der Luft gegriffen, genau genommen sind sie nichts als Annahmen. Selbst, wenn sie keine Annahmen wären, müsste die Hierarchie der Merkmale überprüft werden, weil sie – mindestens in der Denkweise der Psychologie - vermeintlich vorrangige und nachrangige Eigenschaften in ein Wertesystem setzt.

Die Psychologie gibt sich aber nicht mit der Klassifikation zufrieden – sie behautet, auch Kriterien dafür zu haben, wer zu wem passen könnte. Diese Behauptung ist noch um einiges dreister als die Grundannahme, Persönlichkeiten zutreffend klassifizieren zu können.

Die drei Lieblingsbehauptungen zu „Passungen“ (Matching)

Die „Passung“, auch „Matching“ genannt, kann auf unterschiedlichen annahmen beruhen, die allesamt niemals von irgendjemandem bewiesen wurden, die aber einen gewissen Grad von Wahrscheinlichkeit aufweisen:

1. Die gängigste Behauptung – Gleich und Gleich

Am gängigsten war lange Zeit die Behauptung, „Gleich und Gleich gesellt sich gerne“ – allerdings waren damit nicht überwiegend persönliche Eigenschaften gemeint, sondern zumeist soziale. Wenn das Thema wissenschaftlich exakt zu bewerten wäre, müsste die erste Frage sein: In was sollten die Eigenschaften gleich sein? Und vor allem: Was bringt das eigentlich?

2. Der Kompromiss - Ergänzungen

Ein gängiger Kompromiss könnet sein, dass gewisse Eigenschaften (auch durchaus psychologiefremde) gleich sein könnte, während sich ein Paar in anderen Eigenschaften ergänzen sollte. Das bringt Synergien für beide Partner und damit für das Paar.

3. Der Kompromiss (zweite Version) beziehungsrelevante Eigenschaften

Die Erfindung „beziehungsrelevanter Eigenschaften“ geht nach meinen Quellen auf Professor Manfred Hassebrauck zurück – es ist im Prinzip eine griffige Formulierung, denn fast jeder wird sich fragen: „ja, auf was denn sonst?“ Und doch bleiben Zweifel – denn es sind nicht allzu viele Kriterien, die der Professor isolierte. Zu den von ihm genannten Eigenschaften gehören etwa Grundbedürfnisse wie das Verhältnis von persönlicher Freiheit und Engagement für das, was ein „Paar sein“ bedeutet.

4. Die Anziehung durch unterschiedliche Eigenschaften

Im Bereich der Unternehmensgründer gilt: Die Eigenschaften eines Gründerpaares sollten möglich unterschiedlich sein. Gilt das auch für eine Beziehung? Auch hier behaupte die Psychologen schnell etwas, was dann in eine Verallgemeinerung übergeht: Die „fatale Attraktion“, im Volksmund auch „Gegensätze ziehen sich an.“ Sie soll gar nicht funktionieren. Hier soll nicht in Abrede gestellt werden, dass es so etwas gibt - aber wenn wir sagen: „Nö, also das geht nun gar nicht, wenn beide unterschiedlich sind“, müssen wir nachfragen: Ja, in was waren (oder sind) sie denn unterschiedlich?

Das Fazit: Sinnvoll ist, was uns voranbringt

Etwas sehr Einfaches: Extreme sind selten hilfreich, und fremde Definitionen noch weniger. Kaum jemand wird wirklich seinen „geistigen Zwilling“ heiraten –also fällt Nummer EINS schon mal aus. Und Nummer VIER auch – denn wenn die Eigenschaften zu unterschiedlich sind, gibt es nicht nur Ärger, sondern die Unterschiede öffnen auch Tür und Tor für die geistige, emotionale, sexuelle, soziale oder finanzielle Ausbeutung. Die Theorie Nummer DREI ist mittlerweile in Vergessenheit geraten – nur die Online-Partnervermitter waren zeitweilig ihrer Faszination erlegen, weil sie sehr eingängig war und sie sich leicht vermitteln ließ. Also werden wir uns wohl auf Theorie ZWEI festlegen müssen – sie ist die ökonomisch sinnvollste, weil sie Synergien produzieren kann – nicht nur im Wirtschaftlichen, sondern auch im sozialen und emotionalen Bereich. Das Prinzip heißt hier: Aneinander wachsen und für beide etwas zum Positiven verändern.

Na schön, ihr habt meine Meinung gelesen. Was sagt ihr dazu?

Das Mittelalter und warum #MeToo einfach nicht dahinpasst.

Auch dies waren Frauen im Mittelalter: Bademägde, ein Paar im Zuber bedienend
Ich musste mir heute die Augen reiben. Da war die Rede von Alexander Graf von Schönburg-Glauchau in einem Gespräch mit der „Westfälischen Rundschau“. Der weiß, warum wir „warum wir eine neue sexuelle Revolution brauchen“ und er schrieb auch ein Buch darüber. Darüber? Nun, es heißt „Die Kunst des lässigen Anstands“ und handelt nicht nur davon, ob der Mann im Büro eine Krawatte tragen muss oder nicht.

Und das hat wahrscheinlich auch etwas damit zu tun, dass man ja bei der Suche nach dem Guten und Edlen unwillkürlich bei den „Rittern, den Gründungsvätern der europäischen Zivilisation“ lande. So jedenfalls will es Herr von Schönburg.

Kultur und Zivilisation - alles Ritter oder was?

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Na ja, geht vielleicht so gerade noch. Die Kultur hat ja schon viele Väter, von den Arabern über die Griechen bis zu den Römern – von Moses und Christus mal ganz zu schweigen. Und nun kommt die Zivilisation, die noch etwas weiter zurückreicht. Nö, es waren nicht die eher namenlose Frauen und Männer der Jungsteinzeit, die sie schufen, sondern – die Ritter.

Wer genau nachliest, wird schnell fündig: Die Ritter waren ein niedriger Adelsstand, der sich wegen fehlender Einkünfte nicht lange halten konnte. Ein Aufguss der angeblichen oder tatsächlichen Geisteshaltung war der „Tugendadel“, und da kommen wir der Sache schon viel näher. Man schuf Tugenden, und sie konnte jeder erwerben, der guten Willens war – nicht nur der Adel. Ob das etwas mit Zivilisation zu tun hat? Ansichtssachen, denke ich.

Die einflussreichen Frauen - wie heute bei #MeToo?

Ja und nun? Wie war das mit den Frauen? Dazu sagt der Buch-Autor (1):

Im Hochmittelalter gewannen die Frauen immer mehr an Einfluss und veränderten die Regeln. Das war eine Zäsur, genauso wie die #MeToo-Bewegung heute eine Zäsur unseres Zusammenlebens markiert.


Interessanter Vergleich. Und ein bisschen an der Grenze von Fake News. Denn anderwärts können wir durchaus lesen, dass dieser Zustand nicht wirklich akzeptiert wurde (2):

Frauen wurden im Laufe der Zeit immer selbstständiger, was den Männern zur damaligen Zeit überhaupt nicht gefiel. ….Mit der wachsenden Selbstständigkeit wurde der Hass auf die weibliche Bevölkerung immer größer. Man argumentierte mit in erster Linie mit christlichen Themen. Dies nutzte man zur Generalausrede, um Gewalt gegen das weibliche Geschlecht auszuüben.


Oh, sollte der Herr Graf die falschen Bücher gelesen haben? Eine mögliche Erklärung finden wir mal wieder auf einer Pädagogenseite. Dort wird glaubwürdig beschrieben, worin die tatsächlich oder vorgebliche Macht der Frauen im Mittelalter bestand, und wie sie zustande kam.

Demnach konnten sie nur ein sehr begrenztes selbstständiges Frauenleben führen, und es hatte nicht mit den edlen Rittern zu tun, sondern mit der Erwerbstätigkeit (3):

Im Früh- und frühen Hochmittelalter konnten unverheiratete Frauen sich durchaus als Händlerin oder Handwerkerin den Lebensunterhalt selbst verdienen und Mitglied in den Gilden und Zünften werden. Davon wurden sie jedoch ab dem 16. Jahrhundert nach und nach ausgeschlossen.


Wobei wir mal wieder bei der schwierigen Suche nach der Wahrheit wären, die mit dem Vergleich von #MeToo und dem Hochmittelalter offenbar nicht so ganz präzis gelungen ist. Doch es gibt Hoffnung: Der Mensch ist lernfähig, denn der Buchautor sagte im Interview auch (1):

Zur Klugheit gehört auch, sich belehren zu lassen und nicht immer alles besser wissen zu wollen.


Guter Vorsatz, nicht wahr?

(1) Interview "Westfälische Rundschau".
(2) Leben der Frauen im Mittelalter.
(3) Planet Schule