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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Eine deutsche Untugend - Schuldige statt Ursachen suchen

Wenn etwas schief gegangen ist, versucht man in Deutschland bereits dann „Schuldige“ zu finden, wenn noch gar nicht klar ist, wie die genaue Faktenlage ist.

Mag sein, dass einige Journalisten sich schon ein genaues Bild machen konnten - ich bezweifle es. Mag sein, dass „man“ die Situation weitaus früher einschätzen konnte - nur wer konnte es? „Man“ ist hinterher immer wesentlich klüger. Die Journalistin Marietta Slomka verlor im ZDF sogar die übliche und erstrebenswerte journalistische Distanz, als sie versuchte, den Bundesaußenminister „fertigzumachen“. Das mag sie mit sich selbst ausmachen und ihr Publikum mag es vielleicht sogar goutieren. Aber der Sache diente es nicht.

Die Vorgänge in Afghanistan sind schrecklich. Das ist keine Frage. Und es gibt wirklich Fragen, die man sich stellen kann, muss und soll. Das hat allein Robert Habeck erkannt, der eine lückenlose Aufklärung der möglichen Fehler verlangte. Der Rheinischen Post soll er gesagt haben:

Die Aussagen der Bundesregierung, niemand habe vor der Situation gewarnt, wecken ernsthafte Zweifel.“
So redete ein Mann, der kritische Distanz wahrt.

Die anderen üben sich leider häufig in einer deutschen Untugend: Man sucht „Schuldige“, nicht Verursacher. Und diese werden sofort gesucht - unmittelbar und ohne nachzudenken. und wie so oft, trat vor allem Wolfgang Kubicki (FDP) in den Vordergrund. Große Sprüche, Rücktrittsforderungen - alles ist dabei. Und es ist Wahlkampf - zwar ein lahmer Wahlkampf, aber vielleicht bringen Rücktrittsforderungen zur Unzeit ja noch einen Prozentpunkt mehr. Klar - die Krise kommt auch anderen entgegen - und auch sie versuchen, noch einen Satz abzulassen, der in die Presse soll.

Als „schuldig“ werden inzwischen alle genannte, die in Deutschland in den letzten Jahren Verantwortung getragen haben. Neben der Kanzlerin am häufigsten der jetzige Außenminister und die Verteidigungsministerin.

Es ist so einfach, Schuldige zu suchen. Und es ist so schwer, Krisen zu meistern.

Doch eines wissen wir nun: Nachdem alle deutschen Bundestrainer waren und später zu Virologen wurden, sind sie nun alle zu Fachleuten für das Afghanistan-Desaster geworden.

Quellen: Deutschlandfunk, Fokus, BR24 und weitere.

Keine Lösungen für niemanden zum Frauentag?

Ada Augusta Lovelace, Mathematikerin, gilt als Erfinderin der Programmierung von "Computern"
Zum Frauentag gibt es von mir nur eines: Weniger über „Frauen als solche“ reden und mehr davon zu sprechen, was einzelne Frauen geleistet haben. Denn anders als bei dem Gendergeschwätz zählt in Wahrheit das, was eine Person auszeichnet - geistig, sozial und emotional. Und auch, gegen welche Widerstände sie sich durchsetzen konnte - Luxusmännlein und Luxusweiblein mit reichen Eltern zählen dabei aus meiner Sicht nicht so sehr wie jene, die um ihre Erfolge kämpfen mussten.

Die gegenwärtige Diskussion lebt davon, Vorurteile zu stärken und die Schuld herumzureichen. Mal an Frauen, mal an Männer, mal an den Kapitalismus ... jede(r) nach eigenem Geschmack.

Was hat nun Britney Spears damit zu tun?

Und manchmal, warum Feministinnen eigentlich nicht oder eigentlich doch Fans von Britney Spears sein dürfen. Ehrlich gesagt, war mir der Name längst entfallen, und ich musste bei Wikipedia nachlesen, wie toll diese Frau ist. Bisher hatte ich sie immer für eine Nachfolgerin von Florence Foster Jenkins gehalten, hörte aber jetzt, dass sie immense Erfolge feiert. Und wer Erfolg hat, der ist ohnehin außerhalb jeder Diskussion. Erfolg erschlägt Argumente.

Warum Show-Geschäft? Warum nicht Ingenieurwesen?

Übrigens bin ich ein überzeugter „Fan“ von Ada Augusta Lovelace. Aber das nur nebenbei. Vielleicht könnten „Frauen“ auch mehr Programmiererinnen, Mathematikerinnen oder Ingenieurinnen in den Vordergrund stellen statt Pop-Stars.

Frauen gegen Frauen und noch die UNO ...

Und wie geht es nun wirklich, Frauen zu würdigen? Ich las dieser Tage einen Artikel, der sich mit Personen wie Britney Spears, Lindsay Lohan und Paris Hilton beschäftigt - zum Frauentag. Fehlte eigentlich nur noch Tila Tequila.

Das Interessante daran war, das der Artikel, der zum Frauentag überall herumgereicht wurde, die UNO-These „Fast 90 Prozent aller Menschen haben Vorurteile gegen Frauen“ stützt und interpretiert. Falls die Zahlen nicht unbewusst manipuliert wurden: Wie könnten wir da herauskommen, denn genau das wollen wir dich gemeinsam erreichen, nicht wahr?

Klischees aus der Soziologie - allzeit wohlfeil

Und genau an dieser Stelle, an der Lösungen gefragt sind, werden soziologisch eingefärbte Klischees bemüht, die ich nun zitieren will:

Dass Frauen auch sexistisch sind, ist keine Entschuldigung für den Sexismus der Männer. (...) Stattdessen zeigen internationalisierte Misogynie oder internationaler Sexismus, wie aufwendig es ist, sich aus diesen Strukturen zu lösen.
Gut - das kann jemand meinen, denken, aufschreiben und veröffentlichen. Aber es ist weder eine Erklärung noch ein Ausweg, sondern eine Art Versteinerung des Zustandes. „Internationale Misogynie“ und „internationaler Sexismus“ sind uns räumlich nicht nahe genug, und zudem entzweien solche Begriffe. „Misogynie“ beispielsweise ist ein Begriff, mit dem Frauen als „unwertig“ oder „minderwertig“ abgestempelt werden. Ich bin mir bewusst, dass es „Männerkreise“ gibt, die dies ernsthaft behaupten, insbesondere in den Hassnetzwerken, die sich selbst so gerne „soziale Netzwerke“ nennen.

Sich nicht den Soziologen beugen - und auch nicht dem Internet

Aber wir sollten nicht den Fehler machen, uns der Herrschaft der Soziologie unterzuordnen. Und wir sollten auch nicht glauben „das Internet sei die Realität“ - was offensichtlich nicht nur im „Tatort“ vorkommt, sondern auch in den Köpfen zahlloser Menschen.

Und insofern - ich kann es nur nochmals sagen - bewundere ich Ada Augusta Lovelace. Und belächele jene, die ihre Ideologien küchenfertig aus dem Internet beziehen. Also weder Frauen noch Männer noch „Diverse“, die das tun.

Zeit der selbstherrlichen Kommentatoren

Die deutschen Kommentatoren üben sich derzeit einerseits darin, den ohnehin längst appellmüden Lesern noch ein paar weitere Appelle hinzuzufügen - andererseits suchen sie nach „Schuldigen“ - und dies durchaus selbstherrlich. Und gelegentlich nutzen sie dazu harsche Sprüche: (FAZ)

... in dieser Stunde hat eine konsequente Bekämpfung der Pandemie Vorrang, denn nur dieser Ansatz verspricht, der Plage möglichst bald Herr zu werden.

An dieser Stelle muss ich mal an den Alten Fritz erinnern. Der konnte auch so hübsch rhetorisch argumentieren:

Morgen um diese Zeit haben wir den Feind geschlagen, oder wir sehen uns nie wieder.

Ein typischer Appell kommt aus Bayern.

Nun haben wir alle – also wirklich alle Bürger in unserem Land – es in der Hand, Solidarität und Disziplin zu üben. Wir müssen die nächsten Wochen, an Weihnachten und über den Jahreswechsel, mit bitteren Einschränkungen leben.
(Mittelbayerische Zeitung, 1)

Und warum der Appell an „alle“ Bürger?

Wieder schauen wir nach Bayern, zur Süddeutschen Zeitung (1):

Wer nicht hören will, muss fühlen – so altmodisch und abstoßend dieser Spruch klingt, so treffend beschreibt er doch, was passiert ist.

Solche Sprüche abzusetzen, erfordert schon eine gehörige Portion Sarkasmus. Und das wird noch getoppt von der Augsburger Allgemeinen::

Dass nun die Freiheit eines jeden rigide beschnitten wird, müssen sich hierzulande Millionen selbst vorwerfen.

Wie schön, liebe Kommentatoren, dass die Menschen in unserem Land und unserer Gesellschaftsordnung „selbst schuld“ sind. Natürlich deckt die Meinungsfreiheit solche ebenso wütenden wie arroganten Ausbrüche - aber wie wäre es damit, verantwortlicher zu schreiben?

Die „Ludwigsburger Kreiszeitung“ (1) versuchte es zumindest:

Suggerierte Müller damit doch: Die Bevölkerung ist schuld, dass es so weit gekommen ist. Dabei haben sich die allermeisten an die verordneten Restriktionen gehalten. Und wohl auch geahnt, dass sie nicht ausreichen werden.

Die Ministerpräsidenten, die zunächst nicht willig der Kanzlerin gefolgt sind, wird gleich von mehreren Kommentatoren der Marsch geblasen: Irgend jemand muss ja die „Schuld“ haben, nicht wahr? Das lässt sich von einem Redaktionssessel aus natürlich trefflich behaupten. Auch die Kommentatorin der ARD wusste es ja. Der Spiegel klapperte zusätzlich mit dem Sargdeckel:

SIe (... Entscheidung für den Lockdown ...) hätte viel früher fallen können und müssen. Viele Menschen mussten sterben, damit die Regierungschefs endlich den Mut fassen konnten ...


Ich finde solche Aussagen nicht nur fragwürdig, sondern auch geschmacklos.

Wie können Journalisten nur so unkritisch sein? Fällt ihnen nichts anderes mehr ein, als sinnlos auf das Volk oder die Ministerpräsidenten einzuschlagen?

Merkwürdig, dass kaum jemand die Kanzlerin erwähnte, die in der Krise zuletzt keinen guten Eindruck machte. Der Kommentator der Wirtschaftswoche (1) tat es.

Es fehlt immer noch eine Strategie, man fährt auf Sicht und rettet sich in die bekannte 'hart-aber-notwendig-Rhetorik'. Merkels Eingeständnis, sie wisse auch nicht wie es nach dem 10. Januar weitergehe, spricht ebenso Bände wie ihr emotionaler Auftritt vergangene Woche im Bundestag.


Niemand weiß wirklich etwas - aber jeder hofft auf etwas

Das ist der eigentliche Punkt: Niemand weiß etwas. Jeder hofft auf etwas, und ich natürlich auch. Aber „Hoffen“ und „Wünschen“ als Aufhänger für die unqualifizierten Angriffe auf alle anderen außer dem Hof zu Berlin zu benutzen, ist verdammt unfair. Und das ist sehr mild formuliert. Im Grund ist es unverschämt, sich als Herrgott auszuspielen, nur weil man Redakteur ist.

das ZDF (1) wusste immerhin:

Außer Kontakte runter, gibt es keine Erklärungen. (...) In vielen Maßnahmen in dieser Pandemie hat sich diese Regierung schon geirrt. Der Wellenbrecher war kein Wellenbrecher, die Weihnachts-Aussicht war trügerisch.

Die Rhein-Neckar-Zeitung (1) sagt, was wirklich nachvollziehbar ist:

Diesen relativen Erfolg (Mitte November,2 ) sollte man mitdenken, bevor angesichts des bevorstehenden harten Lockdowns wahlweise auf Politiker oder uneinsichtige Zeitgenossen verbal eingehauen wird.

Außer ganz wenigen Beispielen von kritischem Journalismus finden wir also überwiegend Hofberichterstattung, Besserwisserei und Beschimpfungen. Und das ist die eigentliche Schande.

Wir werden bald wissen, was daraus wird. Vermutlich sehen wir uns wieder ... denn es wird einen 10. Januar 2021 geben. Ich bin schon heute gespannt, wie die Zeitungen dann kommentieren.

Anmerkung: (1) Einig der Zitate wurden anhand es Originals überprüft, der Rest stammt aus Zusammenfassungen verschiedener Presseorgane, z.B. dem STERN.
(2) Zwischen dem 15.11.2020 und dem 2.12.2020 ging die Anzahl der Neuinfektionen, vergleichen mit denen der Vorwoche, an mehren Stichtagen vorübergehend zurück.

Leipzig und die "Schuld"

Die Suche nach der Schuld ist eines der beliebtesten Spiele in Deutschland. Der Innenminister des Freistaats Sachsen hatte den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig für die Eskalationen während einer Demo der sogenannten „Querdenker“ verantwortlich gemacht. Der OB tat, was nötig war: Er wehrte sich dagegen.

Einige Zeitungen versuchten, den Leipziger OB an den Pranger zu stellen, um ihn mit fadenscheinigen Argumenten „vorführen“ zu können. Er habe ja selbst zugegeben, „zu spät“ gehandelt zu haben. Doch er konnte nicht früher handeln, wie aus dem ZEIT-Interview hervorgeht, das er dazu gab.

OB Jung und andere haben, wie ich meine, recht zurückhaltend auf die umstrittene Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts reagiert, die Veranstaltung mitten im Herzen der Stadt Leipzig zuzulassen. Zwar mag es hart sein, im Rechtsstaat Zweifel an der Kompetenz der Richter zu äußern. Aber haben die Ereignisse nicht eher für die Entscheidung der Vorinstanz (Verwaltungsgericht) gesprochen, die Veranstaltung außerhalb durchzuführen?

Eigenartig auch, wie die Deutsche Welle die Justiz lobte. Marcel Fürstenau schrieb (Zitat):

Wäre es nach ihm (Jung) gegangen, hätte die Demo - wenn überhaupt - am Stadtrand stattfinden sollen. Auf dem Messegelände, wo niemand vom Protest Notiz genommen hätte. Doch diesen Gefallen hat ihm das von politischen Weisungen unabhängige Oberverwaltungsgericht zum Glück nicht getan.

Zum Glück für wen "durfte" die Demo im Zentrum Leipzigs stattfinden?

Die Meinung in Ehren – aber der Nachsatz „zum Glück“ spricht Bände. Zum Glück für wen, Herr Fürstenau? Sicher nicht zum Glück der Bevölkerung Leipzigs, und wohl kaum zum Glück für die Menschen, die etwas verwirrt auf Leipzig schauen und sich nun fragen: Wie konnte das geschehen?

Der Redakteur der „Deutschen Welle“ argumentiert mit dem Rechtsstaat – aber ist nicht gerade der Rechtsstaat verpflichtet, Rechtsgüter abzuwägen? Und warum „muss“ eine Stadt der Protestbewegung unbedingt ihre besten Plätze zur Verfügung stellen? Hatte die Stadt Stuttgart die Demo nicht auch auf den Cannstatter Wasen ausgelagert?

Und was unsere betuliche Presse betrifft: Wäre es nicht an der Zeit, die „Schuld“ nicht bei den Kommunen, Regierungen, Behörden und Gerichten zu suchen – sondern bei den Initiatoren und Mitläufern?