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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Die Wahlen nahen - die Fakten schwinden

Heute ist der Erste August 2024 – und die Wahlen in Thüringen und Sachsen stehen in einem Monat an. In beiden Ländern hat der Wahlkampf begonnen – und wie zu erwarten mit mehr Versprechungen als Fakten, mehr Ideologien als Realismus und mehr Populismus als jemals zuvor.

Der Populismus begeistert Thüringer und Sachsen

In beiden Ländern – Thüringen wie Sachsen – kommt der Populismus an. Der „Friede“, an sich kein Thema für Landtagswahlen, wird von einigen Parteien benutzt, um den Wähler zu ködern. Die Parteien, die das tun, haben etwas vergessen: Zum Frieden gehört die Freiheit, und beide sind untrennbar verbunden. Jeden für Menschen, die ihre festen Wurzeln in der westlichen Demokratie haben. Und ja: Wir können Freiheit und Gleichheit wählen, aber nicht den Frieden. Ob es uns gelingt, weiterhin in Frieden zu leben, hängt von zwei Komponenten ab: Ob wir im „Inneren“ Frieden finden und ob der Friede von außen bedroht wird.

Innerer Friede, innere Einheit und vor allem Freiheit

Beides ist gegenwärtig im Fluss. Die Bedrohung von außen nimmt zu und der Unfriede innerhalb Deutschlands wird von vielen Kräften geschürt. Von „Einigkeit und Recht und Freiheit“ entfernen wir uns immer mehr. Der Geist der Ideologen, Populisten und Extremisten ist ja schon im Grundsatz unfrei, und das Recht? In manchen Ländern wird versucht, dir richterliche Gewalt auszuhebeln und im Sinne der Regierenden zu nutzen – auch in einem Teil der EU, und als Forderung sogar aus manchen Kreisen in den USA.

Griffige Parolen und drohender Verlust der Demokratie

Uns es beginnt immer gleich: Mit „griffigen“ Parolen, die demokratisch nicht durchsetzbar sind, mit Selbstherrlichkeit und einem kaum verdeckten Nationalismus, den man oft mit „Heimatliebe“ überdeckt. Und die Schuld an allem wird stets den anderen zugewiesen, statt vor der eigenen Tür zu kehren.

Das alles klingt nicht gut, nicht wahr? Was helfen würde, wäre Realismus. Doch daran mangelt es allenthalben – auch bei den Wählerinnen und Wählern.

Herr Kretschmer, die WELT und die Verbreitung von Hoffnungslosigkeit

Der Chefkommentator der Welt, Herr Torsten Krauel, stellte sich voll hinter den Sächsischen Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer. Er schreibt:

Jetzt nimmt Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ... den Deutschen ... auch noch die Hoffnung auf Osterurlaub. Das ist mutig, aber richtig.

Man muss solche Sätze zwei Mal lesen, und zwar vor der Begründung: Den Menschen „die Hoffnung zu nehmen“, ist richtig.

Nicht nur die Hoffnung - auch die Aussicht auf Verlässlichkeit, denn der Kommentator orakelt weiter:

Anfang März könnte die Spitzenrunde der Ministerpräsidenten mit Merkel die Inzidenzzahl 35 weiter absenken, um mit einem längeren Lockdown Zeit für Klarheit zu gewinnen, Zeit für die Impflabore und Hersteller.

Das heißt im Klartext: Um den Lockdown auf unbestimmte Zeit aufrecht zu erhalten., reicht es, die Inzidenzzahl ständig herunterzusetzen.

Ich weiß nicht, wie man bei der „WELT“ tickt. Das Gesundheitswesen der Bundesrepublik Deutschland ist für die Menschen in diesem Land da - die Menschen sind nicht dazu da, das Gesundheitswesen zu schützen. Und schon gar nicht, um das Unvermögen der Politik zu decken. Zeitweilig kann dies der Fall sein - aber nicht auf unbestimmte Zeit mit immer neuen Fantasiezahlen. Und übrigens, Herr Krauel: Wir haben trotz Pandemie eine Demokratie. Schon vergessen?

Leipzig und die "Schuld"

Die Suche nach der Schuld ist eines der beliebtesten Spiele in Deutschland. Der Innenminister des Freistaats Sachsen hatte den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig für die Eskalationen während einer Demo der sogenannten „Querdenker“ verantwortlich gemacht. Der OB tat, was nötig war: Er wehrte sich dagegen.

Einige Zeitungen versuchten, den Leipziger OB an den Pranger zu stellen, um ihn mit fadenscheinigen Argumenten „vorführen“ zu können. Er habe ja selbst zugegeben, „zu spät“ gehandelt zu haben. Doch er konnte nicht früher handeln, wie aus dem ZEIT-Interview hervorgeht, das er dazu gab.

OB Jung und andere haben, wie ich meine, recht zurückhaltend auf die umstrittene Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts reagiert, die Veranstaltung mitten im Herzen der Stadt Leipzig zuzulassen. Zwar mag es hart sein, im Rechtsstaat Zweifel an der Kompetenz der Richter zu äußern. Aber haben die Ereignisse nicht eher für die Entscheidung der Vorinstanz (Verwaltungsgericht) gesprochen, die Veranstaltung außerhalb durchzuführen?

Eigenartig auch, wie die Deutsche Welle die Justiz lobte. Marcel Fürstenau schrieb (Zitat):

Wäre es nach ihm (Jung) gegangen, hätte die Demo - wenn überhaupt - am Stadtrand stattfinden sollen. Auf dem Messegelände, wo niemand vom Protest Notiz genommen hätte. Doch diesen Gefallen hat ihm das von politischen Weisungen unabhängige Oberverwaltungsgericht zum Glück nicht getan.

Zum Glück für wen "durfte" die Demo im Zentrum Leipzigs stattfinden?

Die Meinung in Ehren – aber der Nachsatz „zum Glück“ spricht Bände. Zum Glück für wen, Herr Fürstenau? Sicher nicht zum Glück der Bevölkerung Leipzigs, und wohl kaum zum Glück für die Menschen, die etwas verwirrt auf Leipzig schauen und sich nun fragen: Wie konnte das geschehen?

Der Redakteur der „Deutschen Welle“ argumentiert mit dem Rechtsstaat – aber ist nicht gerade der Rechtsstaat verpflichtet, Rechtsgüter abzuwägen? Und warum „muss“ eine Stadt der Protestbewegung unbedingt ihre besten Plätze zur Verfügung stellen? Hatte die Stadt Stuttgart die Demo nicht auch auf den Cannstatter Wasen ausgelagert?

Und was unsere betuliche Presse betrifft: Wäre es nicht an der Zeit, die „Schuld“ nicht bei den Kommunen, Regierungen, Behörden und Gerichten zu suchen – sondern bei den Initiatoren und Mitläufern?

Buß- und Bettag

Wirkliches Gedenken
Ich habe eine teils vage, teils lebhafte Erinnerung an den Buß- und Bettag. Zunächst einmal, dass ich mit dem Tag nie etwas anfangen konnte. Man musste vorher zwei Tage zur Schule, hinterher auch, und am Tag selbst gab es keine Vergnügungen. Am vorausgegangen Sonntag auch nicht, da war Volkstrauertag, und am nächsten Sonntag war Totensonntag. Warum diese Zeit, in der man sowieso wenig unternehmen konnte, noch kulturell so trostlos war – als junger Mann begriff ich es nicht.

Immerhin habe ich am Totensonntag im Jahr 2008 einmal an einer offiziellen Gedenkveranstaltung teilgenommen. Sie war sehr bewegend, vor allem wenn man dabei als Deutscher auf ausländischem Boden steht.

Heute habe ich beim Aufstehen gar nicht dran gedacht, dass Bußtag ist. Das wäre auch so geblieben, wenn ich nicht die Zeitung vermisst hätte. Die aber erscheint in Leipzig, und weil heute in Sachsen Feiertag ist, erscheint eben auch die Ausgabe für Thüringen nicht.

Also war ich heute ohne Zeitung. Die Marktbeschicker und Händler am Ort dürften sich gefreut haben: Die Sachsen fielen heute in Massen ein und kauften, als ob es morgen nichts mehr gäbe.

Nach der Wahl in Sachsen

Nach Sachsen kann ich von hier aus theoretisch zu Fuß gehen. Gestern bin ich aber durchgefahren, und habe die zahllosen Wahlplakate der AfD am Straßenrand hängen sehen. Die Themen, die sie ansprachen, waren nahezu alle weder auf die Landespolitik bezogen, noch waren sie wirklich relevant.

Wenn Opa nicht mehr Diesel fahren darf ...

Ob Opa den Diesel noch fahren kann, bis er irgendwo auf einem sächsischen Feldweg stehen bleibt? Ob der Jäger den Wolf holen darf? Ob sich diese bösen Ausländer (aka Brüssel) in die die angestrebte deutsch-nationalistische Politik einmischen dürfen? Oder: wann endlich Gleichheit zwischen Ost und West hergestellt wird? Nein, nicht zwischen Nord und Süd – bei der AfD geht es zurzeit um die „Ostdeutsche Nationalität“, und nicht um das Grundgesetz. Das wird immer nur erwähnt, wenn irgendein Herr Studienrat (der muss nicht einmal der AfD angehören) dem blöden Wessi zeigen will, dass der Osten alles könnte, wenn ihn nur der Westen, die EU und der Einfluss der „Amerikaner“ dauernd hindern würden. Und, wenn endlich alle gleich werden würden. Wie das aussehen soll? Ach so. Frag nie einen überzeugten Ostdeutschen, was er selbst dafür tun will, dass es dem gesamten Deutschland besser geht.

Nach der Wahl - Themen, zu denen der AfD nichts einfällt?

Kein Zweifel: Seit gestern Abend weiß ich: Noch haben die Bürger Sachsens Vernunft gezeigt und die CDU etwas nach vorne gebracht. Das ist das Positive. Nun müssen Sachsens Einwohner nur noch zeigen, dass sie es wirklich ernst meinen mit der Demokratie: Es gilt, die Pressefreiheit, den Geist des Liberalismus und die Freiheit von Kunst und Kultur tapfer zu verteidigen. Wenn der Herr Gauland sagt, „Wir bestimmen die Themen im Lande“, dann muss die Presse, aber auch jeder einzelne Bürger dafür sorgen, dass die Themen nicht von der AfD, sondern von der Vernunft bestimmt werden. Das ist möglich, wenn man andere Themen in den Vordergrund bringt – solche, die wirklich über Generationen hinweg zählen.

Oh – es gibt sie, die Mängel in Ostdeutschland. In der Infrastruktur, in Schulen, bei den Arztpraxen. Wo die Patienten wie die Hühner gepfercht sitzen, mehrerer Stunden warten müssen und wo es zugeht wie einst in Lambarene. Das muss nicht sein.

Oh, es gibt keinen Bäcker vor Ort mehr? In den meisten Fällen wird es daran liegen, dass keiner der jungen Leute mehr Bäcker werden will.

Wer eher eine Analyse als eine Meinung sucht, findet sie im Handelsblatt.