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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Literatur über den Erfolg - und einige Worte der Kritik

Das Buch - ERFOLG - die Dimensionen von Erfolgsratgebern von 1890 bis 1933
Neulich habe ich die Ergebnisse eines Forschungsvorhabens gelobt, und davon beißt das Mäuschen bis heute keinen Faden ab. Inzwischen habe ich auch das dazugehörige Buch erworben (ja, physisch), und auch das ist wirklich fein recherchiert. Dennoch wirft es einige Fragen auf - vom Titel bis hin zu den Inhalten.

Hätte ich kein Interesse am Thema, so hätte mich bereits der Titel abgeschreckt:

„ERFOLG - Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1890-1933)“

Zuvor hieß es noch verzwickter:

„Poetik des Erfolgs. Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1900-1933)“

Kein Buch für alle?

Wendet sich dieses Buch an Wissenschaftler, die dieses Kauderwelsch entschlüsseln können? Nein, wirklich nicht. Der Text ist verständlich und flüssig geschrieben, und ich konnte daraus etwas entnehmen.

Was finden wir im Buch?

Im Grunde untersucht das Buch vier unterschiedliche Ansätze der Ratgeberliteratur, die sich mit dem Erfolg beschäftigen. Dabei werden einige der wichtigsten Bücher ausführlich beschrieben.

1. „Vorbildliche“ Wege zum Erfolg anhand von Personen, die Erfolg im Leben hatten.
2. Systematische Wege, also solche, die sich beschreiben und nachvollziehen lassen, also sozusagen „Rezepte“ für den Erfolg bieten.
3. Nervenstarke Wege - also Wege, wie man mit Hilfe von „stabilen Nerven“ die gewünschten Erfolge erzielen kann - und die Methoden, die dabei verwende werden.
4. Reformwege - das wären Wege, das eigene Leben zu „reformieren“ und auf den Erfolg auszurichten.

Historisch interessant - aber es fehlt der Bezug zur Jetztzeit

Interessant ist vor allem das Kapitel über systematische Wege, weil sie nachvollziehbar sind. Diese Wege werden auch bis heute angeboten, wobei mir (und sicher auch anderen Lesern) wenigstens der Hauch einer Verbindung zur Jetztzeit fehlt. Das wurde zwar nicht versprochen, aber die Welt der Erfolgsbücher war 1933 auf keinen Fall zu Ende.

Was wir bekommen, ist deshalb weitgehend historisch - und tatsächlich werden die Inhalte auch vor diesem Hintergrund beleuchtet.

Etwas mehr Struktur hätte sicher nicht geschadet

So weit - so gut. Dennoch hätte bei den „systematischen“ Wegen ein bisschen mehr Struktur nicht geschadet. Die reine Erzählweise der Autoren führt uns nicht zu einer klaren Übersicht über die Bausteine, die in den Systemen verwendet wurden.

Mir erschließt sich nicht, warum eine so umfassende Recherche nur „erzählerisch“ dargestellt wird, statt danach zu suchen, welches Bausteine die ursprünglichen Autoren anpriesen. Denn genau diese Bausteine wurden ständig wiederverwendet - unter anderen Namen und mit anderen Prioritäten - und dies nun wirklich bis heute. Wäre das geschehen, würden viele Passagen des Buches auch Leser interessieren, die nicht ausschließlich nach der Dokumentation suchen.

Das ändert nichts am Wert des Buches, aber es grenzt den Leserkreis eben doch etwas ein - und das hätte nicht sein müssen.

Das Buch: Michael Niehaus / Wim Peeters / Horst Gruner / Stephanie Wollmann
Erfolg - Institutionelle und narrative Dimensionen von Erfolgsratgebern (1890–1933), Transcript-Verlag 2021

Die banalen Sprüche der Ratgeber

Beflügelt die Liebe den Sex? Oder stärkt der Sex die Liebe? Ist es passender, sich rarzumachen oder jede Gelegenheit zur Kontaktaufnahme wahrzunehmen?

Wer sich solche Fragen stellt, fällt auf etwas herein: Die Hoffnung, alles richtig zu machen. Oder die Befürchtung, alles falsch zu machen. Oder beides.

Ich hab dies hier einer Zeitung gelesen, die in der Zeit des Wirtschaftswunders sehr beliebt war. Die Frage an die Briefkastentante der Zeitung lautete:

Wenn ich den Männern nachgebe und mit ihnen schlafe, dann kommen sie nicht wieder – und wen ich es nicht tue, kommen sie auch nicht wieder.


Ich weiß nicht mehr, was die Redakteurin damals geantwortet hat, aber das Beispiel ist typisch. Wenn du das eine oder das andere tun kannst mit dem gleichen Misserfolg, dann ist das, was du da als Problem schilderst, nicht die Schwierigkeit, mit der du kämpfst.

Wenn die Schwierigkeit nicht das Problem trifft

Was uns wieder einen Schritt voranbringt: Wer irgendein Problem hervorbringt und um eine Lösung bittet, der hat in Wahrheit ein anderes Problem, das er nicht geschildert hat.

Beratungsliteratur - Supermarkt der Banalitäten

Seht mal – die Schreiber von Beratungsliteratur leben vom Banalen. Sie verkaufen vorsichtshalber einfache Wahrheiten, damit sich möglichst viele Leser(innen) mit ihrem Unsinn identifizieren können. In Wahrheit sind es Glaubenssätze, die aus schriftstellerischem Ehrgeiz mit wackeligen Beweisen unterlegt werden.

Der Volksmund kann’s auch: „Willst du was gelten, mach dich selten.“ Das ist so dumm, dass es nicht einmal die Bonobos im Zoo glauben würden, wenn sie lesen könnten. Denn man muss den Satz nu ins Extrem führen, um zu sehen, wie blöd der Rat ist: „Am meisten gilt, wer nicht sichtbar ist.“

In Wahrheit ist es so: Du musst entscheiden, wie sichtbar du auf wessen Schirm sein willst und welche deiner Fähigkeiten dort zählen könnten.

Und da komme ich mal zu meinem Blog-Motto, das ich dir vorbehaltlos empfehlen kann:

Unterstelle nichts –
Glaube niemandem -
Überprüfe alles -
… und fürchte dich nicht vor dem Ergebnis.


Versager wollen alles richtig machen

Aha! Und was haben all die Versager getan, die „alles richtig machen“ wollten?

Denken wir noch einmal an unsere arme Beratungssuchende. Wenn sie wirklich so dumm ist, wie sie tut, dann wird sie sich entweder der Meinung anschließen „Halt dich zurück damit, die Männer gleich zu vögeln.“ Oder der konträren Meinung: „Es ist gut, dass du mit ihnen ins Bett hüpfst – da lernst du sie ja erst richtig kennen.“

Nun sind wir dabei, herauszufinden, warum Menschen versagen. Sie haben sich einer von zwei Glaubensrichtungen angeschlossen. Was die einen sagen, ist richtig, was die anderen sagen, ist falsch. Und je mehr sie von dieser Glaubensrichtung hören oder lesen, umso richtiger erscheint ihnen der eingeschlagene Weg.

Bestätigungsgfehler

Und du? Es kann nichts falsch oder richtig sein, solange du es nicht überprüft hast. Alles was dir die Leute über Partnersuche, Beziehungen, Ehe, Schlankheitskuren oder Karriereplanung erzählt haben, kann falsch sein. Oder richtig. Oder beides, aber nicht für jeden. Man nennt so etwas auch „Bestätigungsfehler“, und das ist dann die die Neigung, Informationen so zu ermitteln, auszuwählen und zu interpretieren, dass diese die eigenen Erwartungen (oder Vorstellungen) bestätigen.

Wenn du klug bist, denkst du nach. Ob deine Schwierigkeiten wirklich dein Problem darstellen, und ob du nicht mit dem falschen Wölfen heulst.

Viel Glück dabei.