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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Spontanbuchung zum Spitzenpreis in der Lüneburger Heide

Viele Hotels gehören heute großen Konzernen. Da ist es eigentlich ganz hübsch, mal in einem Familienbetrieb zu übernachten. Gerade noch so „in letzter Minute“ ergaben sich ein Hotel für die Hinreise. Ländlicher Betrieb, eher eine Gaststätte mit Übernachtungsmöglichkeiten. Und so war es auch. Ein kleines, eher ungemütliches Zimmer in einem Bau, der architektonisch einer Bauernkate ähnelte und der ähnlich spartanisch ausgestattet war.

Immerhin hatte ich überhaupt noch eine Zwischen-Übernachtungsmöglichkeit gefunden. Und dies einen Tag vor der mehrfach verschobenen Abreise. Der Preis? Gegen 120 Euro ohne Frühstück. Komfort-Zimmer im Vier-Sterne-Hotel laut Buchungsbestätigung. Offenbar dichterische Freiheit. Jedenfalls las ich ich, dass die Hotels in der Lüneburger Heide eine Spitzensaison hatten wie schon lange nicht mehr.

Spargelsaison: Qualität bedenklich, Preise enorm hoch

Letzte Woche lief die Spargelsaison aus. Die letzten, eingekauft als „erste Wahl“, erwiesen sich zu 20 Prozent als qualitativ bedenklich - ich vermeide das Wort "Ausschuss". Das ist mehr, als ich von den ohnehin schlampig sortierenden Spargelbauern hierzulande erwarte.

Stutzig machte mich jedoch ein Interview. Im Allgemeinen, so der Tenor, sei man mit der Ernte zufrieden. Und gelobt wurde nicht nur der anfängliche Einsatz freiwilliger Erntehelfer, sondern auch das Bemühen der Regierung, die „üblichen“ Spargelstecher doch noch einzufliegen.

Also alles in Butter, nur auf etwas niedrigerem Niveau?

Nein - am Ende kam noch heraus, dass am „Stand am Straßenrand“ etwas nicht stimmt: Die Bauern behaupteten, die Gastronomie als Kundschaft sei ihnen „nahezu komplett weggebrochen“.

Nun bekommt aber die Gastronomie in „normalen Zeiten“ oftmals die Sortierung „Extra“, weil man dem Gast nicht anbieten mag, was die Hausfrau noch auf den Tisch bringt.

Woran sich wieder einmal zeigt: Der Kundin oder dem Kunden am Straßen-Stand kann man jeden Blödsinn erzählen - man kann die holzigen Teile ja herausschneiden, die braunen Flecken abschälen, und den Kunden beschämen mit „die wachsen eben so krumm“.

Und man kann durchaus einen Preis dafür verlangen, der erklärt, warum der Spargelbauer in dieses Jahr kaum Verluste hatte: Eher durchschnittliche Qualitäten wurden zu Höchstpreisen verkauft.

Und der Kunde? Wieso Kunde? Der Bauer hat keine Kunden. Er versorgt die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Sagen jedenfalls die Interessenverbände.

In einer anderen Stadt – Kompetenz in Herrenmode

In dieser Stadt ist mir das Angebot örtlicher Herrenausstatter entweder zu klein oder so deutlich überteuert, dass mir das Einsehen fehlt, ihre Geschäfte zu besuchen. In der örtlichen Schickeria mag interessant sein, wo „Mann“ sich ausstattet, weil man’s hinterher sehen kann, wo’s herkommt. Doch ich kaufe mal hier, mal dort – da kommt es nur auf Aussehen und Stoffqualität an und nicht auf die Marke.

Nun gibt es in dieser Stadt aber auch noch ein Warenhaus (1) als Herrenausstatter. Oh ja, Irgendwann habe ich hier etwas gekauft, und es war vorzüglich. Diesmal scheint mir das Angebot deutlich ausgedünnt zu sein. Ich suche etwas Bestimmtes: eine blaue Jacke, leicht, aus feiner Wolle und mit dem typischen italienischen Aussehen. „Billig“ hat da keinen Sinn und „Teuer“ in Form von Schnickschnack-Kollektionen auch nicht.

Enttäuschung im Warenhaus - Herrenausstatter

Die erste Anprobe, erstes Fabrikat: Größe 50 passt nicht, also die Halbierung: Größe 25. Die passt auch nicht, schrecklich eng geschnitten. Dann Größe 26 – viel zu groß, die Ärmel schlackern. Anderes Fabrikat, Größe 25. Passt, sitzt aber beschissen. Der Verkäufer, im Grunde nicht sonderlich interessiert am kritischen Kunden, meint, dass es passt – und gibt kurz danach auf. Nach dem Motto: „Solche Kunden wie der wissen sowieso nicht, was sie wollen.“ Wird natürlich nie gesagt, aber deutlich gedacht.

Erstaunliches im Kaufhaus

Nächster Versuch: Kaufhaus, eigentlich nicht mein bevorzugter Schneider, aber man kann es ja mal versuchen. Kein Verkäufer zu sehen, aber ein Teilchen aus einem feinen italienischen Stoff. Passt, sitzt perfekt. Irgendwann sehe ich auch einen Verkäufer, und der staunt: wie für Sie gemacht – perfekt. Natürlich kaufe ich es wenig später. Ich ziehe mein normales Jackett wieder an. Der Verkäufer erkennt den Stoff, fragt „Ist dass echter Harris-Tweed?“ Oh ja, ist es. Wir unterhielten uns noch eine Weile über die Vorteile von Harris-Tweed und diskutierten über Passformen, wobei sich der Verkäufer als ausgesprochen kompetent erwies.

Es gibt also noch Menschen, die Freude an ihrer Arbeit haben und die etwas wissen über die Waren, die sie anbieten. Das beruhigt mich nun wieder.

(1) Ich hoffe, ihr wisst, was ein Warenhaus von einem Kaufhaus unterscheidet.

Spargel 2018

Mit wachem Auge, Charme und Geduld habe ich in diesem Jahr tatsächlich mehrere Male die „beste Sorte“ bekommen, in Thüringen leider oft nur „HK1“. Immerhin ein Fortschritt, aber der Kauf erfordert Geduld und frühes Aufstehen. Was ich weiterhin als Positiv berichten kann: Der frische Spargel ist auch tatsächlich frisch gestochen und wird von den Händlern vielfach sogar perfekt gelagert.

Was manchem Spargelhändler nicht klar ist: Wer in einem typischen Spargeltopf gart, braucht unbedingt Stangen gleichen Umfangs – die Länge ist nicht ganz so kritisch.

Oh - ich vergaß etwas: Spargel sollten Sie immer nur regional kaufen.

Gedanken über Qualität und Gleichmacherei

Wo ehemals die Ladenbesitzer ihre Waren aus feinstem Tuch und edelstem Porzellan präsentierten, liegt heute Klamottenladen neben Schnelleinkleider, Kneipe neben Bistro und Irgendwas-Boutique neben Sonst was-Boutique.

Ja, die Mieten in den „High Streets“ sind viel zu hoch, die Konkurrenz der Billigheimer ist riesig - und doch fragt man sich – ey, will denn niemand mehr Qualität kaufen, qualitativ hochwertig essen oder sich gepflegt amüsieren?

Oh ja, die Armen. Sie würden dort nicht kaufen. Sie würden dort nicht essen. Sie würde sich dort nicht amüsieren können. Denn diese Geschäfte, Gaststätten und Amüsiertempel müssten Preise nehmen, die etwas über dem Billig-Standard lägen.

Was unterscheidet heute von gestern? Heute geht schlecht und billig, passabel und billig und – sehr selten – gut und billig. Und es geht noch schlecht und teuer, passabel und teuer und – auch immer seltener – hochwertig und teuer.

Der Durchschnitt verkommt zu "billig"

Heute strebt alles zu einer Mitte, in der für den Durchschnitt alles Durchschnitt sein muss, mit geringen Abweichungen. Qualitäten „über dem Durchschnitt“ werden durch Werbung erzeugt, wenig beworbene Qualitäten an der Grenze zu „Billigkram“ werden zu Standards.

Die Trennung von „Arm und Reich“ hat sich nicht verstärkt, wie viele meinen, sondern seit den 1950er Jahren deutlich egalisiert. Und ja, ich kenne sie, die Zeiten, als das bei den angeblich „kleinen Leute“ mal gerade bis zum 20. eines Monats reichte, wenn überhaupt. Zeiten mit deutlich höheren Frischnahrungsmittel- und Genussmittelpreisen.

Was wäre wohl, wenn wieder allenthalben bessere Qualitäten angeboten würden? Ich fürchte, man würde mir das Argument der Gemüse-Erdbeerkäufer entgegengeworfen würde: „Aber die Kinder wollen im März frische Erdbeeren unter zwei Euro dass Pfund essen.“

Es wäre schön, wenn Kinder lernen würden, wie gute, reife Früchte schmecken – nicht, dass man sie auch im März manchmal schon in Sonderangeboten „billig“ kaufen kann.