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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Heul doch endlich, Mann – oder wie PCD zum Begriff werden soll

Der deutsche Journalismus bringt ulkige Stilblüten hervor, zum Beispiel diese (1):

Wenn Männer nach dem Sex anfangen zu weinen.


Ja, was ist dann? Waren sie dann nicht zufrieden? Oder waren sie mit dem falschen Menschen im Bett? Haben sie jemanden versehentlich geschwängert?

Nach der Lust am Sex muss die Euphorie beim Mann abgebaut werden

Nichts davon. Die Euphorie, die nun einmal nötig ist, um höchsten Lustgenuss beim Sex zu erreichen, muss wieder abgebaut werden. Schließlich braucht der Mann Körper und Geist noch für etwas anderes. Das kann der Körper des Mannes optimal: Verschiedene Botenstoffe sorgen dafür, dass er wieder „runterkommt“. Wahrscheinlich konnten das schon seine Vorfahren vor vielen Millionen Jahren.

Grund für den Artikel in der WELT (1, 2) war ein Forschungsvorhaben, und mit ihm wollte jemand beweisen, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer „post coitum“ ermüden. Äh, „post coitum“? Da heißt es doch seit alters her:

post coitum omne animal triste est sive gallus et mulie“


Ja, auch für Nicht-Lateiner verständlich: „post“ heißt nach, aus dem „coitum“ kann man den Koitus, vulgär also den Geschlechtsakt ablesen, dass „animal“ die Lebewesen sind, wissen auch viele. Und die „Tristesse“ kennt der Bildungsbürger sowieso. Fehlt nur noch Gallus, der Hahn, der nach dem Koitus bekanntlich Lärm macht und die „Mulier“, dem Spanisch-Kundigen als „Frau“ bekannt. Also

Nach dem Geschlechtsakt sind die Lebewesen gewöhnlich traurig, außer dem Hahn und der Frau.


Nun ja – so isses. Doch irgendwann glaubten die Menschen, da habe der alte Grieche, der’s gesagt hat, Mist erzählt – und manchmal verdächtigten sie dann im Lauf der Geschichte die Frau, nach dem Geschlechtsverkehr ermattet zu sein. In die Presse hineingetragen wurde all dies in unserer Zeit wieder durch Dr. Robert Schweitzer, der in Australien forscht. Keine Frage, dass er ein anerkannter Wissenschaftler ist, aber das bedeutet nicht, dass seine Forschungen kritiklos hingenommen werden können.

Vom gewöhnlichen Phänomen zur Verwissenschaftlichung

Warum es eigentlich geht, ist ein Begriff, der als solcher höchst fragwürdig ist: Er wurde als „PCD“ etikettiert – Kürzel wirken ja immer so herrlich wissenschaftlich. Hinter der Abkürzung verbirgt sich etwas ausgesprochen Triviales: PCD heißt „Postkoitale Dysphorie“ (5) und ist kaum mehr als die medizinische Bezeichnung für einen ausgesprochen gewöhnlichen Zustand. Kurz: es ist die nach dem Geschlechtsakt „gewöhnlich“, aber nicht immer und bei jedem Menschen, schleichend auftretende Traurigkeit.

Nun kann man mit der „Traurigkeit nach dem Geschlechtsverkehr“ natürlich kaum Furore machen – sobald aber das Etikett „PCD“ draufklebt und man von einer „Dysphorie“ (5) spricht, schon. Und natürlich auch damit, dass auch Frauen dieser Zustand erleben können oder jedenfalls könnten – denn die Forschungen wurden nicht mit aussagefähigen Bluttests belegt, sondern durch Befragungen ermittelt. Und was kam heraus (1)?

Aber Menschen reagieren ganz unterschiedlich auf die ‚Auflösungs-Phase’ direkt nach dem konsensualen Sex.


Ach nee! Und um das festzustellen, muss man Forscher sein?


(1) Was die WELT jetzt so schrieb.
(2) Schon mal in der WELT gelesen.
(3) Die schönsten Männertränen auf Vice.
(4) Das recht magere Forschungsergebnis.
(5) Informieren hilft zumeist - Wikipedia.