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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Dark Traits – neuer Modebegriff aus der Psychologie?

Die „Traits“ der Persönlichkeit sind ihre „Merkmale“. Und sie sind normalerweise weder „dunkel“ noch „hell“, weder negativ noch positiv, sondern sie existieren eben.

Brauchen wir Begriffe wie "Dunkle Triaden"?

Wer mal schauen will, was Psychologen „an sich“ meinen, der sollte sich mit den „Big Five“ beschäftigen. Etwas angestaubt sind sie auch, die „Großen Fünf“, die sich auf Deutsch „Fünf-Faktoren-Modell“ nennen. Ein kurzer Blick darauf lässt uns ahnen, dass damit unsere Persönlichkeit vermessen wird. Dabei wird nicht zwischen „Gut und Böse“ unterschieden, sondern versucht, die Persönlichkeit hinreichend zu beschreiben. Nun aber kommen „moderne“ Psychologen daher und versuchen, mit ihren „Dark Traits“ oder „dunklen Triaden“ bekannt zu werden.

Warum das „Dunkel“ nun ans Licht gezerrt werden soll? Ich kenne die Ziele der „modernen“ Forscher nicht und kann nicht hoffen, dass sie halbwegs wissen, was sie tun.

Worum ich mich eher kümmere, ist die Frage: „Kann man in einfachen Worten erklären, worum es geht?“

Einfache Worte gesucht - was bedeutet der Fremdwörtersalat?

Die Psychologie hat zu meinem Leidwesen die Eigenschaft, unverständliche Begriffe mit anderen, ebenso seltsamen Wörtern zu beschreiben. In diesem Fall mit „Narzissmus, Machiavellismus sowie subklinischer Psychopathie.“ Ich müsste also drei Wörter erklären, deren Bedeutung höchst unscharf ist. Über „Narzissmus“ fabuliert heute jeder – man müsste also zum Kern zurück. „Psychopathie“ klingt im Volksmund so wie „dem fehlen ein paar Tassen im Schrank“. Der Herr Machiavelli mag ja Namensgeber des Machiavellismus gewesen sein, aber selbst die Psychologie liefert nur diese dürftige Erklärung: (Quelle: Dorsch)

... relativ geringe affektive Beteiligung bei interpersonellen Beziehungen, geringe Bindung an konventionelle Moralvorstellungen (Moral), Realitätsangepasstheit, geringe ideologische Bindung.

Frei erfundene Neuschöpfung - Machiavellismus?

Wenn das alles wäre, könnten wir den Begriff durchaus als „frei erfunden“ abhaken. Ich frage mich wirklich, warum die Anpassung an die Realität negativ sein soll – sie ist mithin ein Naturgesetz. Übrigens lohnt es sich, die Gegenprobe zu machen:

Was hältst du von einem Menschen, der sehr mitfühlend ist, aber eine konservative Moralvorstellung hat, realitätsfremd ist und Ideologen anhängt? Möchtest du ihm begegnen?

Wenn ich diesen Begriff wirklich verwenden wollte, würde ich einen solchen Menschen als „Individualisten“ bezeichnen, die nicht so gut in „zwischenmenschlichen Beziehungen“ sind. Klar, dass dies manche ganz anders sehen.

Dunkle Eigenschaft Narzissmus - und was bedeutet sie?

Bleiben die beiden anderen „negativen“ Eigenschaften. „Narzissmus“ hat viele Bedeutungen – einmal im Volk, dann aber auch im Bereich der Psychologie. Der „Dorsch“ nennt:

Selbstüberschätzung, Überempfindlichkeit gegen Kritik, Suche nach Bewunderung und dominantes Interaktionsverhalten.

Also haben wir Selbstüberschätzung – damit kann man etwas anfangen. Was wir sonst noch wissen, ist profan: Viele Narzissten (Narzisstinnen) haben wegen oder trotz dieser Eigenschaften Erfolg. Und ein bisschen Selbstliebe schadet auch nicht. Und: „Krankhafter Narzissmus“ bedeutet etwas anderes als die „gewöhnliche“ Selbstbewunderung im Alltag.

Kling ganz schrecklich: Psychopathie

Die dritte „böse“ Eigenschaft ist die Psychopathie. Das Wort „Psychopath“ zu sein, klingt schon böse. Da vermutet der Volksmund schon deutlich mehr als ein paar „Fehlende Tassen“ im Schrank. Wir lesen dazu mal kurz (diesmal aus einer anderen Quelle):

„Psychopathie ist eine Persönlichkeitsstörung, bei der Betroffene sich äußerst manipulativ und skrupellos ihrem Umfeld gegenüber verhalten.“

Wir erkennen: Mit denen ist nicht „gut kirschenessen“. Nur dass „äußerst manipulativ und skrupellos“ im Grunde auch unscharf definiert ist. Und wir erfahren durchaus, dass die meisten Beobachtungen innerhalb der „Kriminalpsychologie“ gemacht wurden - also ziemlich abseits dessen, was uns normalerweise betrifft.

Das "Dunkle" wohnt in uns alle - mal mehr, mal weniger

Was müssen wir also unbedingt von den „dunklen Seiten“ unseres Wesens wissen?

Die Antwort finden wir in einem wenig spektakulären Absatz bei Hogrefe:

Entgegen einer klinischen Persönlichkeitsstörung sind sogenannte „dunkle Persönlichkeitseigenschaften“ dimensional verteilt. Das heißt, dass alle Menschen eine bestimmte Ausprägung der Dunkle Triade-Eigenschaften haben. Ob dies letztlich problematisch ist, hängt davon ab, wie stark die Eigenschaften ausgeprägt sind und das Verhalten bestimmen.

Das Fazit - ziemlich viel Lärm um fast nichts

Womit ich am Ende meiner Ausführungen bin. Die „dunklen“ Eigenschaften sind also weder dunkel noch schlecht, weder negativ noch problematisch. Sie liegen auf einer Skala und bestimmen unser Leben und das Leben anderer manchmal mehr und mal weniger.

Und was dich betrifft, liebe Leserin / lieber Leser: Lass dich nicht von Medien manipulieren, auch wenn darüber steht, dass sie „psychologisch gesicherte“ Erkenntnisse verbreiten. Und eine Bitte hätte ich auch noch: Nenn deinen Mitmenschen nicht grundlos einen Narzissten, Machiavellisten oder einen Psychopathen.

Hinweis: Im "Dorsch" wurde für die meisten Zitate und Hinweis gefunden Aus technischen Gründen wurde er nur einmal verlinkt.

Der Vorwurf des Narzissmus – ein Mythos?

Egoistisch, egomanisch, ich-bezogen … es gibt mehr Wörter für angeblich verantwortungslose, in sich selbst verliebte Menschen. Und natürlich das Modewort der Psychofetischisten: den Narzissmus.

Wir Menschen neigen dazu, einerseits uns selbst zu retten, wenn Gefahr droht, andererseits aber auch, andere retten zu wollen. Außerhalb einer akuten Gefahr wägen wir mit Recht ab, was derzeit nötig ist und welche Maßnahmen einen Sinn haben. Manchmal ist es dabei nötig, mit anderen zu verhandeln, also „Geben und Nehmen“ in Einklang zu bringen, sodass beide Teile zufrieden sind. All dies ist absolut normal und wird zudem immer wichtiger. Zum Beispiel für Ehepaare. Die bürgerliche Braut um 1900 wusste noch genau, welche Aufgaben sie als Ehefrau haben würde, und verhandelt wurde bestenfalls zwischen Brautvater und späterem Ehemann. 50 Jahre später mussten nur wenige Details verhandelt werden, zum Beispiel, ob die Ehefrau „mitarbeiten“ solle oder nicht. Weitere 50 Jahre später war klar, dass nahezu alles zwischen den Partnern verhandelt werden muss – mit dem Einverständnis beider Parteien.

Sich durchsetzen wollen und nichts zulassen wollen

Wer nicht verhandeln will, wer sich nicht einlässt, wer nicht nachgibt oder wer überhaupt keine Kompromisse schließen will, wird häufig abgelehnt. Andererseits gilt als Schwäche, etwas zu verhandeln, sich einzulassen, nachzugeben oder zu Kompromissen bereit zu sein. Genau diese Situation aber schafft den Begriff: „Du bist ein Narzisst, weil du dich durchsetzen willst.“ Ganz falsch, denn ein Narzisst ist auch, wer nichts zulassen will.

Offenbar geht es gar nicht um „Narzissmus“, sondern darum, nichts anzubieten, was verhandelbar ist. Oder gar anzunehmen, man müsse gar nicht verhandeln, weil es feste Regeln gäben, wie etwas „zu tun sei“.

Wer andere "Narzissten" nennt, beleidigt sie

Wir wissen recht genau, dass Narzissten nicht einfach Menschen sind, die sich selbst retten wollen, bevor sie andere retten. Jemand hatte den Ausdruck „Narzisst“ jüngst als die „letzte salonfähige Beleidigung“ (1) bezeichnet, und genau das ist sie: Eine gezielte Beleidigung, hinter der ebenfalls ein verkappter Narzisst steckt. Der Gedanke dahinter würde lauten: „Oh, ich bin gut und ehrenhaft, und du bist nicht ganz richtig im Kopf“.

Sagen wir es mal direkt und ungeschminkt: Wer andere als „Narzissten“ bezeichnet, ohne Psychiater zu sein, der ist mit großer Wahrscheinlichkeit selber einer – oder eine. Denn dazu, Menschen zu etikettieren, gehört bereits eine erhebliche Selbstherrlichkeit. Ein Mensch, der über etwas Vernunft verfügt, wird hingegen sagen: „Er (oder sie) hat sich dieser oder jener Situation mit Gewalt oder Winkelzügen durchgesetzt und damit anderen geschadet.“

Die billige Masche, andere zu etikettieren

Wer beschreiben soll, wie sich ein angeblicher Narzisst“ oder eine „Narzisstin“ verhält, wird bald herausfinden, wie schwer das ist. Ein bisschen den eigenen Vorteil im Auge zu haben, reicht dabei keinesfalls, und etwas Überheblichkeit alleine auch nicht. Und mal salopp gesagt: An andere Etiketten zu verteilen, ist eine ganz billige Masche, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.

(1) Viel mehr lest ihr zum Thema bei Quarks