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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Lebensepisode Berufswahl

Ich galt in meiner frühesten Jugend als genial, später allerdings nur noch als äußerst talentiert, aber leider zu vielseitig. Also gab man mir den freundschaftlichen Rat, ich möge doch zur Berufsberatung gehen.

Ich schwankte zwischen einem kreativen und einem technischen Beruf, doch bei der Berufsberatung entdeckte man, dass ich sehr talentiert im Bleistiftspitzen war, jedoch wenig geeignet für die Bedienung von Bleistiftspitzern. Als es nun an die persönliche Beratung ging, empfahl man mir, doch einen Beruf zu suchen, in dem ich denn Bleistift nutzen könne. Da sei der Beruf des Kaufmanns ganz hervorragend geeignet, und ich müsse auch keinesfalls meine technische Ader aufgeben, denn es gäbe doch den Beruf des Industriekaufmannes. Zudem – dies sei nur am Rade bemerkt und wurde nicht gesagt – herrschte in diesem Bereich ein Mangel an männlichem Personal unter 50.

Kreativ und Technik? Technik und Kaufmann? Kaufmann und kreativ? Oh, es verwies sich, dass man von Handlungsgehilfen, namentlich von Lehrlingen, alles andere als Kreativität erwartete. Ja, man sah jeden, der über die Grenzen des eigenen Schreibtisches hinausblicken wollte, als zerstörerisch für diesen Beruf an.

Wenn sie diese Arbeit schnell erledigen würden, könnten wir Ihnen interessantere Arbeiten geben“, sagte einmal einer dieser verknöcherten, selbstherrlichen Männer zu mir, die man im kaufmännischen Bereich Prokuristen nennt. Interessanter? Es gab nur öde Arbeiten und schrecklich öde Arbeiten. Und mich, der sich für alles andere interessierte als für die Ablage.

Und so kam es, das ich auf die große Karriere bei dem Nämlichen, hier besser ungenannten Unternehmen verzichten musste. Man schämte sich dort noch lange Zeit, mich jemals als Lehrling akzeptiert zu haben.