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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Lautsprechertests, Realität und HiFi-Voodoo

Unter Hunderten von mehr oder weniger lächerlichen Stellungnahmen zu Lautsprechern fand ich eine, die ich Ihnen gerne zitieren und auch noch kommentieren will (Zitat):

Der Schallwandler sollte auf den Raum und auf die Musik bzw. auf die Aufnahme zugeschnitten sein. Dem Raum ist es, egal ob Papier- bzw. Metallkonus, die letztendliche messbare Qualität im Raum ist, entscheidend, und die ist leider nur schwer realisierbar.


Die Wahrheit über Lautsprecher im Hörraum in fünf Punkten

Was eigentlich alles sagt, und doch muss es wohl dem einen oder anderen Enthusiasten noch erläutert werden:

1. Lautsprecher wandeln die elektrischen Impulse in Schall um, das heißt, die Luftmoleküle werden angeregt, um den Schall in den Raum zu bringen. Der Lautsprecher ist also nur eine Schnittstelle.
2. Wie Lautsprecher „klingen“ entscheidet sich im Raum, in dem sie stehen – nirgendwo sonst. Nicht beim Händler und nicht in den Testräumen der sogenannten „Fachpresse".
3. Wohnräume sind per Definition Wohnräume, und sie sind sehr, sehr selten für die perfekte Musikwiedergabe geeignet.
4. Die Innenarchitektur der Musikwiedergabe anpassen, ist nicht nur kompliziert, sondern oftmals auch unerwünscht.
5. Die Qualitätsvorgaben an einen Lautsprecher hängen letztlich davon ab, was Sie damit vorhaben: Soll er „laut“ gut klingen oder auch „leise“? Was wollen Sie damit hauptsächlich wiedergeben? Jazz, Klaviermusik, Stimmen, Rock oder ein Sinfonieorchester?

Wenn Sie wirklich wissen wollen, was Sie mit Lautsprechern in Wohnräumen erreichen können, dann lesen Sie einen Artikel über Raumakustik oder Schallwiedergabe. Wahrscheinlich werden Sie hernach erschauern und bedauern, was sie für Ihre „Prachtstücke“ ausgegeben haben, die den „natürlichen Klang“ in „keiner Weise“ verfälschen.

Ganz kurz finden Sie so etwas bei Wikipedia – erstaunlich knapp und objektiv, und ein Satz daraus mag als Zitat genügen:

Der Schallwandler interagiert vielfältig mit dem Abhörraum, was eine unüberwindliche Ursache für Klangänderungen (Klangverfälschungen) ist.


Besonders interessant ist darin das Wort „unüberwindlich“, das Sie niemals aus dem Mund eines Hi-Fi-Verkäufers, Lautsprecherherstellers oder Boxentesters hören werden.

Gegen HiFi-Voodoo hilft nur eines: einen klaren Kopf zu behalten, sich nicht beeinflussen zu lassen – und mal mit kleinen, preiswerten Boxen anzufangen.

Hi-Fi: Doppelter Preis – doppelte Qualität?

Zu den Märchen der HiFi-Branche gehört, dass nur teure Boxen wirklich „natürlich“ klingen – vor allem für Leute, die nie „naturgetreue“ Musik gehört haben. Unabhängig von allen Technikdiskussionen gibt es allerdings eine zuverlässige Formel, nach der Sie abschätzen können, ob sich „Mehrausgaben“ lohnen, und damit ich nicht gleich die Hi-Fi-Branche mit ihren kleinen Mogeleien beanspruche – reden wir mal von einem Auto.

Wie die Verdopplung des Preises die Qualität des Autos beeinflusst

Ein brauchbares Auto können Sie schon für ca. 10.000 Euro kaufen – dann ist nicht viel dran, aber es fährt. Verdoppeln Sie nun den Preis, dann haben Sie etwas Komfort, und den meisten von Ihnen würde dieses Auto völlig ausreichen. Noch einmal verdopplet, wären wir bei 40.000 Euro – und dann haben Sie schon echten Luxus und ein bisschen was zum Angeben. Die nächste Stufe wäre 80.000 Euro – das ist dann ein Prestige-Kauf, für die meisten von Ihnen wahrscheinlich unsinnig.

Erstaunliche Boxen für unter 200 Euro pro Box - lohnt es sich, doppelt so viel zu zahlen?

Nun nehmen wir mal eine Lautsprecherbox. Sie bekommen eine, die bereits recht große Wohnzimmer in bester Qualität beschallt, für unter 200 Euro (ja, wirklich). Sie können nun bis gegen 400 Euro bezahlen, und bekommen möglicherweise etwas mehr – nicht die doppelte Qualität, aber vielleicht etwas intensivere Bässe. Bei 800 Euro haben Sie bereits ein Möbel, dessen Technik und Ausführung sich kaum von dem Modell unterscheidet, dass die Hälfte kostet. Nun erwägen Sie, etwa 1.600 Euro zu bezahlen – und erkennen plötzlich, dass Sie dafür technisch fast nichts anderes bekommen als das, was Sie auch schon für 800 Euro bekommen hätten. Solche Boxen sind für Enthusiasten mit großen Wohnungen, die einen kleinen Salon oder ein Musikzimmer besitzen und hauptsächliche klassische Musik hören, die von großen Orchestern gespielt wird.

Und: Es gibt Boxen für 3.200 und 6.400 Euro das Stück, und damit sind wir noch nicht einmal an der Spitze der Preispyramide. Manche (längst nicht alle) verwenden innovative Lautsprecher, besitzen interne Verstärker oder haben einen ungewöhnlichen Gehäuseaufbau – alles Faktoren, die höhere Preise eventuell rechtfertigen würden. Vorausgesetzt, dass Sie wissen, wie „natürliche“ Musik klingt.

Die angebliche "Klangneutralität"

Apropos Boxen: Wahrscheinlich kennen Sie die zahllosen Forderungen, eine Box müsse „klangneutral“ sein. Und wenn Sie dann den Test der angeblich „klangneutralen“ Box in den „exklusiven“ Hi-Fi-Zeitschriften lesen, dann gibt es so gut wie immer einen Absatz darüber, „wie sie klingt“. Sie tut also, was sie angeblich gar nicht kann: Irgendwie anders klingen als eine andere Box, die ebenfalls „klangneutral“ sein soll.

Und falls Sie mir noch diesen Satz erlauben: Nur „unplugged“ gespielte Musik, an der wenig manipuliert wurde, kann überhaupt „neutral“ klingen. Und wesentlich natürlicher als jedes Symphonieorchester klingt aus der Box ein Trio, ein Quartett oder ein Quintett, weil man sich mindestens vorstellen kann, dass diese Musiker in einem Salon oder einer kleinen Bühne musizieren würden.

HiFi – der Voodoo-Zauber der Händler

Sehr preiswerte Lösung: Receiver einfacher Bauart mit völlig ausreichender Leistung
Lassen Sie mich HiFi auf eine einfache Formel aus der Praxis der Datenverarbeitung bringen: Shit in – Shit out oder etwas drastischer: Wenn vorne Scheiße rein kommt, kann hinten kein Gold rauskommen. Das heißt: Es kommt in erster Linie auf den Zugang zu den Schallquellen an, die ihrerseits wieder auf Produkten der Audio-Branche beruhen.

Die Herkunft der Töne - mehrfach durch digitale Mühlen gedreht

Ach, und da helfe ich doch mal ein bisschen nach: Bevor Sie die Töne irgendwo her beziehen, sind sie durch Mikrofone, Drähte, Funkverbindungen, analoge und digitale Mischpulte und etliche Korrekturprozesse gegangen. Und dann werden sie auf Bändern und Chips, CDs, DVD und auch auf Schallplatten (Vinyl) gespeichert. Wenn Sie diese Tonträger nicht direkt körperlich beziehen, werden sie erneut auf die Reise geschickt – und zwar durch mehr oder weniger qualifizierte Geräte über extrem lange Verbindungen.

Der Leistungswahn - in Wahrheit reichen meist wenige Watt

So, und nun stehen Sie vor der Frage: Wie viel Leistung muss der Verstärker abgeben, wie gut müssen die Lautsprecher sein? Und genau ab diesem Moment beginnt Hi-Fi-Voodoo. Ihnen wird nämlich suggeriert, dass diese Geräte die Standards übertreffen müssen, die angewendet wurden, bevor der Sound bei Ihnen zu Hause ankam. Dann wird gesagt, dass ihr Kabel ganz besonders wertvoll sein muss, extrem abgeschirmt, die Kontakte vergoldet. Die Verstärker müssen über ganz besondere Technologien und Bauweisen verfügen, die nur absoluten Könnern bekannt sind … und mehr Blabla. Und sie brauchen „Leistung“, um ihre Lautsprecher anzutreiben – enorme Leistungen. Mehr als 20 Watt pro Kanal? Mehr als 50 oder gar 100 Watt? Sie werden jede beliebige Aussage im Handel finden, aber unter 20 Watt wird in der Regel alles als „popelig“ angesehen. Und dazu natürlich alle Arten von Wunderleitungen zwischen Verstärker und Lautsprecher, die den Preis gewöhnlicher Lautsprecherkabel um Längen übersteigen.

Nun muss man wissen, dass die benötigte Verstärkerleistung in der Regel von der Raumgröße und Raumakustik in Verbindung mit dem Wirkungsgrad der Lautsprecher abhängt – und von nichts sonst. Ei, ei … und wer da ein klein wenig Durchblick hat, der findet schnell heraus, das für einen Schalldruck von 100 dB (das ist ein Riesenkrach) bei einigen Boxen nur ein paar Watt benötigt werden – ungefähr 4 Watt, hat neulich jemand gemessen.

Die Box ist heute der letzte "Knackpunkt" der Übertragungskette

Das geht natürlich nicht nur mit einer Box des riesigen Angebots, und nun kommt der Gag – die muss nicht einmal teuer sein. Eine kleine Bassreflex- oder Kompaktbox kann’s zumeist hervorragend.

Und so bleibt dies zu sagen: Der Lautsprecher ist die „letzte Instanz“, wenn es um den Hörgenuss geht, denn „Verstärker“ kann heute jeder. Und vor allem für Verstärker gilt: Es kommt nie etwas Besseres heraus, als hereingekommen ist. Nun schließt sich der Kreis: Was hereinkommt, erreicht uns gegebenenfalls über ein paar popelige Telefonleitungen und eine durchschnittliche Soundkarte – oder vielleicht auch nur über das Sound-Chip eines Mobiltelefons.

Und was dabei herauskommt? Klingt ganz hervorragend. Natürlich geht das alles auch noch eine Spur besser. Aber solange „Spuren“ mit mehreren Tausendern aus der Brieftasche bezahlt werden müssen, sage ich Ihnen: Kaufen Sie ein preiswertes Equipment, und wählen Sie einen Lautsprecher, der Ihren durchschnittlichen Hörgewohnheiten am besten entspricht. Damit machen Sie nichts falsch. Und ich garantiere Ihnen: Da ist unter 1000 Euro Gesamtkosten ganz viel zu machen.

Und bevor ich vergesse, Ihnen dies zu sagen: Röhrenverstärker, angeblich die Königslösung für „analoge Verstärker“ sind ein Treppenwitz, wenn Sie aktuelle Aufnahmen klassischer Musik kauf CD kaufen. Das Einzige, was da noch „analog“ ist, sind die Musikinstrumente.