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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Dienen und Knicksen

Mädchen machen einen Knicks, wenn sie Erwachsene begrüßen, Jungen machen einen Diener. So wusste es die vom Bürgertum durchseelte Großmutter, und sie bestand darauf, dass ihre Enkelin und ihr Enkel solche Rituale aufführten. Man sagte dazu „zeremonielle Höflichkeitsetikette“, und sie war erstaunlicherweise vor allem in jenem Teil des Bürgertums verbreitet, der sich vornehmer gab, als er war: Untere Mittelschicht, kleine Angestellte und Beamte.

Klammern an längst vergangene Bürgerherrlichkeit

Die sogenannte „Nachkriegszeit“ war eine Periode, die sich an die Gebräuche klammerte, die vor der Nazizeit galten, und denen man im Innersten von der Jugend bis ins Alter anhing. Daran hatte niemand etwas geändert, denn das Bürgertum versuchte nach wie vor, den Adel nachzuahmen. „Du musst nach oben schauen“, sagte die Großmutter, doch „oben“ herrschte eher die übliche Doppel- und Unmoral jener Jahre. Und die Menschen, zu denen ich aufblickte, waren eher Musiker, Kaufleute, Redakteure und derjenige Teil der jungen Generation der 1960er, die ganz bewusst „anders leben“ wollten.

Der "neue" Knigge

Dieser Tag liest man wieder von Menschen, die eine Art „Knigge“ zurückwollen, wobei der Herr Knigge mit dem Knigge nicht viel zu tun hatte. Das, was sie wirklich wollen, sind eigentlich: „Verlässliche Verhaltensweisen“. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch nicht: Im Verhältnis zwischen den Geschlechtern, aber auch in anderen Situationen des Alltags, wird das Verhalten heutzutage verhandelt - das sehen viele nicht ein.

Nostalgie der Sprache und des Seins - der Gentleman

Und so verlangen Frauen von Männern nach wie vor, sie sollten sich wie Gentlemen verhalten, ob wohl sie keine „Gentlemen“ kennen. Würden sie sagen, er solle sich „chevaleresk“ verhalten, würden alle loslachen, also nehmen sie ein gebräuchliches gleichwohl ebenso unsinniges Wort in den Mund. Allein dies zeugt davon, nicht in der Zeit zu leben, sondern weiterhin in einer Scheinwelt zu hausen.

Niemand verlangt von einer Frau, sich wie eine Lady zu verhalten, oder eben „ladylike“ wie man sonst auch sagt, und die „große Dame“ ist auch nicht mehr gefragt.

Was „geht und was nicht geht“ - heute sollte es verhandelt werden, sobald mehrere akzeptable Wege offenstehen, miteinander umzugehen.

Ja, und was ist aus den überzeugt dienernden und knicksenden Kindern der frühen 1960er geworden? Dienernde und knicksende Untertanen? Bewunderer von Stars und Prominenten? Speichellecker und Ja-Sager? Neider und Hasser? Moralisten und Erbsenzähler?

Jungen dienerten, Mädchen knicksten

Der "kleine" Knicks - CC von Wiki How, Hinweis im Text (Link)
Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts: Jungen dienerten, Mädchen knicksten - und lernten, wie man sich selbst erniedrigt, um zu gefallen.

Die Jungen haben einen „schönen Diener“ gemacht, wenn sie eine fremde Person, namentlich eine Dame, begrüßten, und die Mädchen einen „feinen Knicks“ – gleich, ob vor Frau oder Mann. Tendenziell erlebten sie dabei, wie sie dem Anderen „Untertan“ waren, denn nur der restlos unterlegene dienert und knickst vor der Hoheit. Merkwürdigerweise findet man beide Begriffe kaum in der Literatur, obgleich sie in bürgerlichen Familien an der Tagesordnung waren.

Lediglich Wikipedia weist darauf hin:

Knicks und „Diener“ gehören zum europaweit verbreiteten klassischen Repertoire der zeremoniellen Höflichkeitsetikette. Noch bis in die 1960er Jahre hinein waren sie in Deutschland und Österreich auch im Bürgertum verbreitet üblich. Während sich der „Diener“ in der abgeschwächten Form als Verbeugung erhalten hat, kommt gegenwärtig der Knicks in der Breite der westlichen Gesellschaft selten vor, etwa indem kleine Mädchen gegenüber Erwachsenen knicksen.


War es wirklich nur ein Akt der Höflichkeit? Oder sollten wir vor den angeblich „Höhergestellten“ einknicken? Und uns brav und fügsam, ja bisweilen ausgesprochen devot zeigen? Diejenigen, die damals als „höhergestellt“ galten oder jedenfalls glaubten, dies zu sein, erwarteten diese hündische Unterwürfigkeit von den Knaben, und Mädchen hatten ohnehin nur „süß“ und „ach wie reizend“ zu sein.

Wenn Sie trotz alledem wissen wollen, wie „frau“ korrekt einknickt, dann sehen sie die beiden gebräuchlichsten Ausführungen in wikihow.