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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Dating: Experten reden, und reden … und reden

Die „Daily Mail“ wusste es genau:

Experten sagen, dass die (Dating)-Apps „schwerwiegende“ Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben, da 70 Prozent der Singles sich nach ihrer Verwendung ängstlich oder depressiv fühlen.

Worauf beruhen diese Daten?

Auf einer Umfrage eines namhaften Konkurrenten, und zwar einer, die Daten von 1.000 nicht näher bezeichneten Briten verwendete. Und diese Firma hat natürlich auch die passenden „Experten“.

Dabei mag durchaus sein, dass viele „Benutzer“ von Apps nur ihre Popularität testen wollen, und ein anderer, ebenfalls hoher Prozentsatz „eine schnelle Nummer“ sucht.

Experten plärren uns die Ohren voll - Kenner halten sich oft zurück

Wie war das mit der „psychischen Gesundheit“? Sie ist immer dann gefährdet, wenn man am Blick aufs Handy hängt wie ein Junkie an der Nadel.

Wenn wir das Thema mal auf „jemanden kennenlernen“ zurückführen würden, wäre viel gewonnen. Dann würden wir auch keine „Experten“ benötigen, die uns die Ohren vollplärren.

Alle sind Experten ... wirklich?

NDR gestern. Mein Eindruck: beim Thema „Kennenlernen“ kann jeder und jede mal richtig mitreden.

„Experte“ für das Kennenlernen ist offenbar jeder, der einen ganzen Satz vollenden kann. Gestern präsentierte sich Natascha Ochsenknecht als „erfolgreiche Tinder-Ermittlerin für Fake-Profile“, während Moderator Hubertus Meyer-Burckhardt sein Altherrenwissen auskramte: „Man kann nur einen tollen Partner finden, wenn man nicht sucht.“ Barbara Schöneberger erwies sich als quirlige Fragerin, konnte aber offenkundig mit dem Thema nicht viel anfangen. Und auch der Schriftsteller Joachim Meyerhoff versuchte sich als „Datingexperte“.

Main Fazit: Jeder ist der beste Experte – ob ahnungslos, interessiert oder tatsächlich kundig. Denn das Kennenlernen ist ein Thema, dass nicht nur in Talkshows, sondern auch an Stammtischen oder bei Damenkränzchen trefflich behandelt werden kann.

Übrigens war Dr. Nasanin Kamani auch unter den Gästen, die wirklich etwas zu sage gehabt hätte. Doch den „Expertisen“ der übrigen Talk-Gäste und Moderatoren konnte sie wenig entgegensetzen.

Was ich daraus schließe? Ganz einfach. „Dating“ oder „Kennenlernen“ ist etwas, bei dem Meinungen mehr zählen als Fakten. Und wo jeder und jede „Experte“ ist, da sind wirkliche Kenner kaum gefragt.

Blödsinn und Wissenschaft - der Blickkontakt

Wie schnell wird jemand zum Körpersprachen-Experten? Wichtig ist, durch Medienpräsenz populär zu werden und dann vielleicht noch ein Buch zu schreiben, das einen „wissenschaftlichen“ Anstrich erhält. Der Bumerang-Effekt ist dem populistischen Schreiber / der Schreiberin gewiss: Wer populär ist, dessen Buch will man lesen, denn Popularität ist für viele Leser gleichbedeutend mit „Vertrauen“.

Die Früchte solcher „Arbeiten“ sind schnell geerntet, denn aus solchen Büchern wird zitiert. Ein Satz reicht, um die eine Behauptung zur Wahrheit zu erheben, so wie hier zitiert (1):

Sie schauen anderen Menschen immer in die Augen, egal ob sie sich gerade unterhalten oder einfach nur durchs Büro gehen.

Die Gurus frohlocken

Da freut sich die Branche der Gurus, die sich Personal -oder Kommunikationstrainer nennen. Jedenfalls ein Teil von ihnen. Denn „wissenschaftlich belegt“ ist keinesfalls, dass beständiger Augenkontakt positive Auswirkungen hat. Und wer genauer nachforscht, der merkt bald, dass es eine Zweckbehauptung ist.

Schwammig formuliert - und schon wird alles "wahr"

Die Protagonisten solcher Theorien geben vor, dass etwas „so ist“, indem sie ungenau formulieren. Denn „Augenkontakt“ heißt keinesfalls, ständig anderen „in die Augen zu schauen“.

Alle Fakten zum Blickkontakt sprechen gegen die Populisten

Und die Tatsachen? Zunächst ist der „Augenkontakt“ eigentlich ein Blickkontakt. Und kein vernünftiger Humanwissenschaftler oder gar Verhaltensforscher behauptet, er müsse ständig aufrechterhalten werden.

Bewiesen ist, dass der direkte Blickkontakt im allgemeinen Gespräch als angenehm empfunden wird, wenn der intensive Blick in die Augen zwei bis fünf Sekunden dauert, wobei man einen „PGD“ (2) von 3,3 Sekunden ermittelt haben will. Und die kleine Sensation zuletzt: Nicht alles, was Menschen als „Augenkontakt“ bezeichnen, ist auch direkter Blick in die Augen. (3)

Was bleibt? Möglicherweise fallen wir auf Gurus herein, die nicht einmal genau hingeschaut haben, als sie von „Blickkontakten“ sprachen. Mancher Satz ist schnell abgeschrieben und wird dann kritiklos in die eigene Werbung übernommen. Was wirklich gemeint ist? Im Grunde ist es die Aufmerksamkeit. Und sie entsteht automatisch dadurch, dass wir uns für eine Person interessieren. Und wohin wird dabei „genau“ schauen, wissen wir oft selbst nicht.

(1) Zitiert nach "Businessinsider".
(2) PGD englisch: Preferred Gaze Duration, (Bevorzugte Blickdauer)
(3) Informationen (ausführlich) in: Psylex.

Kompetenzen in Zeiten des Virus

Dieser Tage machen viel von sich reden ... vom allgegenwärtigen SPD-Mitglied mit Virologenvergangenheit bis zum Professor mit Immunologenvergangenheit.

Da ich irgendwie eben doch auf „twitter“ bin, bekomme ich von dort auch immer wieder „Larifari-Informationen“, die andere ohne Zweifel als "fake news" identifizieren würden. Wie sagte doch einst der Radio-Bremen Redakteur Jochen Grabler? (liegt schon etwas zurück, ist aber gleichwohl gültig):

16 Jahre sind im Wissenschaftsbereich Jahrhunderte.

Oh, ich bin seit ziemlich genau 15 Jahren (welch Zufall) nicht mehr aktiv in der Welt der professionellen, industriell genutzten Software unterwegs - doch ich sitze immer noch auf dem Hochsitz, um zu beobachten, was heute möglich ist.

Sollte mich das als „ausgemachten IT-Spezialisten“ auszeichnen? Auf keinen Fall würde ich wagen, mich heute als solchen zu bezeichnen. Dann müsste ich ja wenigstens wissen, wo sich das Modul befindet, in das ich eingreifen wollte. Weiß ich aber nicht. Und insofern halte ich die Klappe, wenn von derartiger Software die Rede ist.

Sollten vielleicht einige Leute auch tun, wenn von aktuellen medizinischen Entwicklungen die Rede ist, oder?

Was können eigentlich Spezialisten?

Die Welt zu erklären, ist im Grunde genommen zwei Gruppen vorbehalten:

Jenen, die von ganz viel ganz wenig wissen.

Man nennt sie auch „Generalisten“.

Denen, die von ganz wenig ganz viel wissen.

Dies nennt man auch „Spezialisten“.

Spezialisten und Generalisten

Das Können und Wissen der Generalisten ist begrenzt, aber es beruht auf einer breiten Wissens- und Ernährungsbasis. Das hat den Vorteil, viele Aspekte eines Problems zu sehen und sie in die Beurteilung einfließen zu lassen.

Spezialisten hingegen haben ein sehr spezifisches, teils tief gründendes Wissen. Und wenn sie wirklich gut sind, dann haben sie auch noch reichlich Erfahrungen mit den Auswirkungen.

Fast nichts von sehr wenig wissen?

Erstaunlich viele Menschen wissen von fast gar nichts sehr wenig. Sie verbreiten Meinungen, was sehr gefährlich sein kann. Ihnen gegenüber steht ein enorm kleiner Anteil der Menschheit, dessen Wissen und Können sowohl in die Breite wie auch in die Tiefe geht. Man nennt sie auch Genies.

Auch Spezialisten benötigen Hilfe

Als Ex-IT-Organisator habe ich oft erlebt, dass Spezialisten die Hilfe anderer benötigen, um ihr Wissen und Können erfolgreich anzuwenden. Ebenso benötigten Generalisten wie ich selbst die Hilfe von Spezialisten, wenn sie in Erklärungsnot gerieten.

Die Sichtweise der Spezialisten

In der heutigen Zeit hören wir ständig auf Spezialisten. Das ist nicht generell verwerflich, aber die Frage ist oft nicht, wie tief Spezialisten schauen können, sondern wie weit. Und wir müssen uns auch darüber klar werden, dass auch Spezialisten Meinungen haben und diese teilweise auch äußern, wenn sie dazu von Journalisten aufgefordert werden.

Vielleicht sollten wie alle mal eine Notiz im Hirn hinterlassen: Echte Könner reden nur, wenn sie etwas zu sagen haben.

Nicht alle Experten sind glaubwürdig

Was wäre, wenn wir allen Experten glauben würden? Gegenwärtig passiert genau das, was jedem Wissenschaftsbeobachter geläufig ist: Jedes Uni würde gerne noch ein bisschen mit ihren Forschungen prahlen, gleich, ob sie relevant sind oder nicht.

Und was sage ich euch? Im Moment seid ihr noch gut aufgehoben, wenn ihr einerseits auf eure lokalen Politiker hört, andererseits auf die Virologen, Ärzte und Mathematiker, und schließlich auch auf die Ökonomen. Letztere sind ja nicht einfach „seelenlose Profitgeier“, sondern sie sind mit Recht besorgt um unser Wohl. Denn wenn wir weder geistige noch industrielle Güter produzieren und verkaufen, dann fallen längerfristig eben auch Arbeitsplätze weg - und wesentlich mehr, als wir verkraften können.

Klar ist das ein Drahtseilakt. Aber das wissen eigentlich alle, auch wenn sie es (noch) nicht sagen.