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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Der Weg nach oben … Erfolgsratgeber

Mein Großvater mütterlicherseits war angeblich Handelsvertreter. Ich habe ihn nie kennengelernt, aber er soll ein Buch mit dem Titel „Der Weg nach oben“ geschrieben haben (1). Da ist er nie hingekommen - was besonders deutlich wurde, als seine klägliche Hinterlassenschaft bekannt wurde.

Blütezeit der Erfolgsratgeber in den 1920er und 1930er-Jahre

Solche Bücher waren zu Beginn von Mitte der 1920er-Jahre bis in die 1930er-Jahre groß in Mode. Ein gewisser Gustav Großmann war (zumindest in Deutschland) der Erste, der eine „Erfolgsmethode“ anbot. Sie ist sozusagen der Ursprung der einschlägigen Literatur, und die Methoden wurden recht bald kopiert, abgewandelt und neu vermarktet. Immerhin wandte sich Großmann überwiegend an Menschen in der Wirtschaft, die schon mal am Erfolg geschnuppert hatten und nun danach strebten, größere Erfolge einzuheimsen. Andere wandten sich eher an das „Fußvolk“, das davon träumte, auch einmal erfolgreich zu sein.

Erfolge und Misserfolge

Manchem erging es wie meinem Großvater - sie verdienten fast nichts damit. Andere, die geschickter im Vermarkten waren, hatten den gewünschten Erfolg. Meist boten sie Kurse an - und zusätzlich ihre Schriften, die als „geheim“ galten, weil sie nicht öffentlich zugänglich waren. Die Erfolge zogen sich bis in die 1960er-Jahre hin, und es gab ständig „Wiederbelebungsversuche“ mit leicht veränderten Neuauflagen und pseudo-psychologischen Attributen. Als es für einfache Angestellte üblich wurde, ins „Mittlere Management“ aufsteigen zu können, erlebten sie vorübergehend sogar eine neue Blüte. Ob die Teilnehmer an Erfolgsseminaren“ wirklich Erfolge hatten, ist umstritten, da nicht objektiv festgestellt werden kann, ob der Methode den Ausschlag gab oder der Wille, unbedingt den Erfolg zu suchen.

Schwemme von Erfolgsplänen in der heutigen Zeit

Heute gibt es im Internet etliche Erfolgstrainer, Erfolgsseminare und Erfolgsbücher. Die Versprechungen sind unterschiedlich, die Zutaten ähnlich – und auch ähnlich simpel. Die Vorgehensweise wurde vor einiger Zeit wissenschaftlich untersucht, sodass inzwischen jeder nachlesen kann, worauf er sich möglicherweise einlässt.

Eigentlich ist längst eine Satire über Erfolgsliteratur fällig ...

Gerade las ich eine Satire zum Thema Erfolgsversprechen - und die war schon lange fällig. Wäre „Der Weg nach oben“ ein Erfolg gewesen, hätte der Großvater sicher auch noch ein Buch „Der Weg geradeaus“ schreiben können. Und ich würde endlich mein Lieblingsbuch schreiben: „Der Weg nach unten - wie du sicher zum Misserfolg kommst.“ Ich bin überzeugt, dass es zum Nachdenken anregen würde.

Eine kleine Anmerkung noch: Es gibt verschiedene Medienerzeugnisse, die den gleichen Namen tragen: „Der Weg nach oben“. Mir ist nicht bekannt, in welchem Verlag (möglicherweise sogar im Selbstverlag) der Ratgeber des Großvaters erschien.

(1) Ich verschweige hier seinen Namen. Die entsprechenden Informationen stammen von meiner Mutter.

Dating-Konfusion – was ist Erfolg? Und wer hat ihn?

Nachdem ich eine Interpretation der Bitkom-Studie zum Online-Dating gelesen habe, dachte ich, das Original würde mehr hergeben und ich erfuhr unter dem Datum vom 11.02.2019 (Zitat):

Gut die Hälfte (52 Prozent) hat über Online-Dating-Dienste schon einmal einen festen Partner kennengelernt.


Das war nun schon mal geringfügig anders als die Aussage, die ich zuvor las:

Schließlich findet über die Hälfte (52 Prozent) der Nutzer von Online-Dating-Portalen einen festen Partner über eine Online-Dating-App.


Zuerst waren es also alle Online-Dating-Dienste, dann waren es Apps. Und während es zuerst um Benutzer ging, die „schon einmal“ einen festen Partner per Online-Dating kennengelernt hatten, „findet“ nun mehr als die Hälfte einen festen Partner per App. Beides Aussagen wirken auf den ersten Blick gleich - auf den zweiten Blick sind sie aber sehr unterschiedlich. Vor einiger Zeit wurden diese Aussage leichtfertig falsch interpretiert - sehpferd bemerkte den Fehler.

Das alles hat mich maßlos neugierig gemacht, und ich habe mir zu der Pressemitteilung von 2019 noch einmal die von 2018 und 2017 angesehen. Auffällig ist, dass manche Zahlen nahezu konstant blieben oder sogar abfielen. Demnach scheint sich die Anzahl der Singles, die „online“ auf Partnersuche gehen, bei etwa 30 Prozent zu stabilisieren, während die „langfristigen Erfolge“ in Form von mehr oder weniger „festen Partnerschaften“ in den letzten drei Jahren sogar leicht abfielen.

Die Zahlen halbieren sich, wenn man "feste Partnerschaften" neu interpretiert

In Wahrheit können Singles von den „52 Prozent“ nur träumen. Etwas weniger als die Hälfte wäre korrekt: zwischen 24 und 26 Prozent. Das Megawort „große Liebe“, auf das 2017 noch 50 Prozent hofften, fiel bereits 2018 auf 42 Prozent und taucht 2019 gar nicht mehr auf, was auch daran liegen mag, dass der Ausdruck einer glaubwürdigen statistischen Bewertung entzieht.

Die Branche - nach dem Abwärtstrend in der Warteschleife

Das Fazit all dieser Daten und Statistiken: Die Veränderungen zwischen 2017 und 2019 waren nicht sonderlich groß. Überhaupt tendiert der Markt des Online-Dating seit 2012 für einige Segmente eher nach unten, während andere nach einer Phase der Stagnation 2018 wieder hofften – allerdings in erster Linie auf mehr Umsatz, nicht auf mehr Interessenten.

Überhaupt Umsatz: Wäre er das einzige Kriterium, dann hätten Online-Partnervermittlungen sich während der Krise des Dating-Markts zwischen 2012 und 2015 noch „so gerade“ über Wasser halten können. Während die sogenannten „Anzeigenseiten“ (das wäre dann das klassische Online-Dating) dramatisch an Umsatz verloren.

Aber das Kriterium für Erfolg und Zufriedenheit ist nicht Umsatz. Es ist der Erfolg der Partnersuche und die Zufriedenheit mit den Diensten, die sie anbieten.

Und auf diesem Gebiet gibt es nichts schönzureden. Er liegt nun einmal bei den Online-Partnervermittlern am höchsten – und er ist bei vielen „sozialen“ Apps verschwindend gering.

Mein Fazit

Kritisch lesen hilft. Nicht alle Zahlen, die im Umlauf sind, stammen aus Original-Quellen, und manche Sätze werden nachträglich „bearbeitet“, um besser zu klingen, obgleich sie auf denselben Zahlen beruhen.

Trends nach aktuellen Unterlagen des Singlebörsen-Vergleichs.

Hinweis: Außer der Bitkom-Studie 2019 wurden die Studien von 2018 und 2017 zu Vergleichen herangezogen.