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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Gendern allgemein, politisch und für die Bundestags-Wahl 2025

Gendern allgemein, politisch und für die Wahl 2025 - ich argumentiere aus der Sichtweise des Journalisten und Kommunikationslehrers. Dies ist der erste Teil von zwei Teilen zum Thema

Im ersten Teil dieses Artikels stellen wir im Blog "sehpferd" das „Gendern“ oder die „gendergerechte Sprache“ vor und geben Hinweise auf weiterführende Quellen.

Das Rind und wir

Beim Rind ist die Sache klar: Sie ist eine Kuh, er ist ein Bulle oder ein Stier. Wenn wir mit ihnen kommunizieren wollen, benutzen wir die Körpersprache – manche Landwirte verstehen sich hervorragend darauf.

Wollten wir hingegen mit ihnen reden und dabei alle meinen, dann könnten wir sagen, „liebe Rindviecher“ oder auch „Liebe Rinder“.

Und die Menschen? Nach meiner bescheidenen Meinung wird überhaupt nur in linkslastigen Kreisen, vorzugsweise an deutschen Universitäten eifrig “gegendert“. Im Alltag ist den Leuten völlig gleichgültig, außer bei der direkten Ansprache einer Gruppe. Da sagt man schon sinnvollerweise: „Sehr geehrte Damen und Herren“ – wobei die anwesenden Exzellenzen und Eminenzen meist ungegendert davonkommen. (Das ist Eminenzen sicher sinnvoll, bei Exzellenzen jedoch diskutierbar).

Gendern oder nicht Gendern – ein Ansatz zur Diskussion

Bei der Frage nach dem Gendern mit „Sternchen“, „Unterstrich“. Doppelpunkt oder Binnen-I entstehen zunächst ungewohnte Wortgebilde, die nur textlich existieren, aber nicht im gesprochenen Wort. Beispiele dafür wären:

Leser*innen, Leser_innen, Leser:innen, LeserInnen.

Diese Kombinationen würden in einer Rede immer als „Leserinnen“ herauskommen, also „weiblich“ verstanden werden.

Argumente gegen das Gendern

Das häufigste Argument dagegen heißt „Verhunzung der Verständlichkeit“ in deutschen Texten aber auch „Ungenauigkeit, wer eigentlich gemeint ist“. Wenn du diesen Text hier laut vorliest, kommt eben immer „Leserinnen“ heraus.

Ein anderes Argument wäre, dass die selbst ernannten Eliten sich vom allgemeinen Volk abheben wollen.

(Auf dieser Webseite findet ihr weitere Argumente dagegen und dafür (1) .)

Die Befürworter bringen diese Argumente vor

Das Hauptargument heißt: „Sprache schafft Wirklichkeit“. Jemand, der sich in der Sprache nicht wiederfindet, verliert an Bedeutung.

Oft liest man auch: Genderzeichen zu verwenden, bedeutet, sich politisch zu positionieren und sich mit Menschen solidarisch zu erklären, die eine andere Geschlechterordnung wünschen.

Beim Abwägen beide Standpunkte fällt auf, dass die Argumente der Befürworter oft radikaler sind als die Argumente der Gegner. Zudem gilt der Satz „Sprache schafft Wirklichkeit“ negativ wie positiv - und er beinhaltet einen seltsamen Begriff von „der Wirklichkeit“. Unterstellt man, dass die Wirklichkeit durch Kommunikation entsteht (2), dann kann es, je nach Anzahl und Art der an der Kommunikation beteiligten Menschen, viele „Wirklichkeiten“ geben.

Der zweite Teil ivom Wahlross:

Im zweiten Teil gehen wir dann wirklich zur Bundestagswahl 2025 über und fragen uns, welchen Parteien das "Gendern" wichtig ist - aber auch, ob es überhaupt eine Bedeutung für die Wahlentscheidung haben kann.

1. Landezentrale für politische Bildung BW über Gendern.
2. Paul Watzlawick, "Wie Wirklich ist die Wirklichkeit. ", München 1976.
3. Diskussion über den Einfluss von Gendern beispielsweise im NDR.
4. Schreibweisen "gegenderte Leser" aus scribbr

Kennt ihr Fritz Theodor Gallert?

Kennt ihr Fritz Theodor Gallert? Nie gehört? Macht nichts. Aber die Art, wie dieser Autor der 1920er Jahre plötzlich wieder aufgetaucht ist, gibt zu denken.

Fritz Theodor Gallert ist ohne Zweifel eine historische Person. Er wurde 1893 als Sohn des Dr. Fritz Otto Gallert und seiner Ehefrau Franziska, genannt Fanny, in München geboren und verstarb 1952. Zu Lebzeiten hat er offenbar nur eine „Spur“ hinterlassen: Seinen 1919 erschienener Erfolgsratgeber „Erfolgs-Methode“. Er war allerdings offenbar kein Verkaufserfolg – und ich las (1):

Jedenfalls hat es keine zweite Auflage erlebt, und von dem Autor Fritz Theodor Gallert fehlt so gut wie jede weitere Spur.

Im selben Beitrag wird dann die kühne Behauptung aufgestellt:

... "Erfolgs-Methode ist ... ein Beispiel dafür, wie man sich um und nach 1900 auch ohne besondere Autorisierung ... dazu veranlasst sehen kann, einen Ratgeber zu verfassen."

So weit die Meinung von ausgewiesenen Akademikern - und darüber müsste dringend gestritten werden - nämlich 2022.

Allerdings finden wir diesen unbekannten Autor, Fritz Theodor Gallert, nun plötzlich in ganz neuen Werken (Beispiel 2), wen es um „Hochstapelei“ oder „Falschinformationen“ geht.

Die einseitige Welt des akademischen Denkens

Wer sich darüber Gedanken macht, gerät sofort in eine Welt, in der ganz offensichtlich anders gedacht wird als in der Welt, in der „wir Übrigen“ leben.

Wenn ich dies in drei Sätzen sagen sollte, dann würden sie so aussehen:

1. Wissenschaftler spekulieren mit vagen Informationen, binden Meinungen ein ... und geben diese als Weisheit aus.

2. Wenn wir „popeligen Laienjournalisten“ (aka Blogger) so etwas tun, dann gelten wir als Menschen, die verdächtigt werden, Falschinformationen zu verbreiten.

3. Der gewöhnliche Mitmensch sucht keine akademischen Spielereien, sondern er versucht, etwas zu verstehen - und dazu benötigt er Journalisten, die mehr Weitblick haben als Wissenschaftler.

Und genau deswegen müssen wir auch Wissenschaftler bezweifeln.

(1) Zitat aus "Erfolg", Bielefeld 2021.
(2) Journalismus und Halbwahrheiten

Doktortitel und Deutsche

Na - das war mal eine Aussage, die ich der Frau Giffey gar nicht zugetraut hätte – und auch sonst kaum jemandem unserer angeblichen „Eliten“ (Zitat aus dem SPIEGEL:

Wer ich bin und was ich kann, ist nicht abhängig von diesem Titel. Was mich als Mensch ausmacht, liegt nicht in diesem akademischen Grad begründet.

Wir anderen – ja wir (!) sorgen doch für die Überbewertung der angeblichen akademischen „Eliten“ dafür, dass wir voller Ehrfurcht Kotau vor ihnen machen. Das heißt, wir sehen eben nicht, was sie als Menschen ausmacht, ja nicht, einmal ob sie klug oder kompetent sind. Wir erstarren gewissermaßen wie die Kaninchen vor der Schlange, wenn wir ihre Abschlüsse ansehen.

Klugheit kontra Selbstherrlichkeit

Nun kann es sehr erhellend sein, einem klugen, weitsichtigen Professor zuzuhören oder seine Bücher zu lese. Hingegen kann es extrem frustrierend sein, einem selbstherrlichen, einseitigen, starrköpfigen Professor zuzuhören. Wer beide Gelegenheiten hatte, wird wissen, was ich meine.

Also bitte: Macht euch davon frei, Menschen anhand ihrer vorhandenen oder fehlenden Titel zu beurteilen oder zu verurteilen.

CDU als Hüter der Eliten?

Und die CDU? Sie erweist sich mal wieder als das, was sie schon früher einmal war: als eine Truppe elitärer Rechthaber. Und die soll ich demnächst oder irgendwann wählen?

Eliten als soziales Problem?

Das Merkwürdige an der Berichterstattung über „Eliten“ ist, dass die schwammigsten aller Begriffe gerade gut genug sind. „Eliten“ sind, wie ich gerade las, Menschen, die bestimmten Einkommensgruppen angehören. Und weiter, so lese ich es, versuche man, durch „Gleichheit“ oder jedenfalls Ähnlichkeiten weitere „Eliten“ zu bilden, indem man einander heiratet.

Sind dies Eliten? Ansatzweise verwendet ein Redakteur der „Frankfurter Rundschau“ einen anderen Begriff: Akademiker(innen).

Dazu zitiere ich mal:

Frauen gehen häufiger an die Universitäten als vor 50 Jahren und lernen dort Männer kennen, die später häufig gut verdienen werden.


Die Mär, dass alle männlichen Akademiker einmal gut verdienen werden, höre ich wohl. Ich weiß aber auch, dass Akademikerinnen immer mehr Probleme haben, „in den gleichen Kreisen“ zu heiraten, weil der Wunsch nach männlichen Akademikern mit einem noch höheren Bildungsgrad häufig vorhanden – und nahezu unerfüllbar – ist.

Und ach, ja, da war noch etwas: PARSHIP und ElitePartner werden als Haupt-Quellen (neben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) genannt. Die Diskrepanz: Wer sich bereits an der Uni kennenlernt, wie der Redakteur zuvor erwähnte, wird kaum später auf PARSHIP oder ElitePartner suchen.

Klar ist: In Wahrheit ist der Geldadel gemeint, oder besser gesagt, das Wohlstandsbürgertum. Fragt sich, wer darin die die „Eliten“ sieht - etwa die Partneragenturen?

Die Tatsache, dass Geld zu Geld kommt, bedeutet leider auch, dass Einseitigkeit zu Einseitigkeit kommt. Und indem wir das tun, züchten wir eine Gesellschaft, in der sich die Bildungsstände und Einkommensgruppen nicht mehr genügend abmischen. Das hat soziale und emotionale Folgen, möglicherweise aber auch böse intellektuelle Folgen, denn bisher war es guter Brauch, dass sich „praktisch“ veranlagte Menschen mit solchen paarten, die eher theoretischen oder künstlerischen Absichten folgten.

Eine Bemerkung am Rande: Mich amüsiert, dass die Paarungen bei Online-Dating-Agenturen so sehr vom Einkommen abhängen. Waren das nicht diese hochwissenschaftlichen psychologischen Persönlichkeitstests, die angeblich so große Bedeutung hatten?

(1) Eliten, Ehen, soziale Probleme in der FR.

Unsinn über Dating-Apps, „bessere Ehen“ und Prozente

Immer wieder höre ich den Unsinn, dass Paare, die sich über Online-Dating-Portale kennenlernen, glücklichere Ehen führen. Zwar haben dies „Wissenschaftler“ angeblich festgestellt, aber die meistzitierte Studie wurde von einem Online-Dating-Unternehmen gesponsert. Die Studie wurde später weder verifiziert noch falsifiziert – und wird allein dadurch fragwürdig. Auch die Behauptung, dass mittlerweile die Hälfte aller Ehen aus Online-Dating hervorgeht, kann nicht bestätigt werden. Die letzten bekannten Zahlen liegen bei 20, bestenfalls 25 Prozent – und sie stagnieren nach dem bislang bekannten Zahlenmaterial. Es mag allerdings sein, dass sie inzwischen auf „gegen 30 Prozent“ gestiegen ist, oder wir ein Technologiemagazin behauptet, sogar auf „mehr als ein Drittel“. Die Herkunft solcher Zahlen ist allerdings zweifelhaft. Neuerdings wird – wie durch einen Zauber – immer das Wort „TINDER“ hervorgehoben, wenn von Online-Dating die Rede ist.

Tinder wurde erst ab 2013 relevant

Tatsächlich haben Tinder und andere Apps mit alldem nichts zu tun, wenn die Forschungen vor 2012 abgeschlossen wurden, denn Tinder wurde erst im Herbst 2012 gegründet. Der Siegeszug der App begann also erst gegen 2013.

Durch Online-Dating entstehen neue Konstellationen

Es gibt Vermutungen (auch glaubwürdige) dass diejenigen Menschen, die vor Ort keine passenden Partner finden, durch Online-Parteragenturen zusammengeführt werden können. Dadurch kommen auch Menschen zusammen, die sich (man staune) deutlich unterscheiden, zum Beispiel in ihren Ethnien.
Statistik der Ehen zwischen unterschiedlichen Ethnien, USA 2017. Die farbigen Abschnitte markieren die Jahre, in der verschiedene Online-Dating-Unternehmen gegründet wurden
Dies ist auch das Hauptergebnis der Studie von Josue Ortega und Philipp Hergovich, die jetzt neuerlich zitiert wird. In ihr wird die App Tinder tatsächlich erwähnt, wobei die Vermutung angestellt wird, sie könne etwas mit der Zunahme der Heiraten unter verschiedenen Ethnien zu tun haben. Die Annahme ist allerdings etwas abenteuerlich, weil es ohnehin die statistische Tendenz gibt, dass Menschen unterschiedlicher Ethnien heiraten. Man kann lediglich sagen, dass die Tendenz zwischen 1994 und 2004 etwas stärker zunahm als prognostiziert, und dass diese Tendenz mit „zugänglicheren“ Online-Dating Modellen, wie OK Cupid und Tinder nochmals zunahm. Die ist aber auch der einzige Zusammenhang, der zwischen der Studie und Tinder hergestellt werden kann, wobei „Tinder“ auch generell für App-basiertes Dating stehen könnte.

Die Meldung, die ich jetzt las, lautet:

Ob du es nun glaubst oder nicht: Sooooo schlecht schneidet die einstige Schmuddel-App als Verkuppler dann gar nicht ab. Tatsächlich finden mittlerweile fast 50 Prozent (!!!) der heterosexuellen Pärchen über Online Dating Apps zusammen.

Diese Meldung wurde ganz offensichtlich von interessierten Kreisen an die Presse lanciert. So schrieb die Gründerszene in ähnlicher Weise:

Online-Dating – vor allem die App Tinder – hat einen schlechten Ruf. Es heißt, dass daraus hauptsächlich kurzfristige Affären hervorgehen würden. Doch wie haben sich Beziehungen seit dem Start von Tinder und Co. tatsächlich verändert?


Genau diese Frage kann nicht wirklich beantwortet werden – und das hat nun wieder gar nichts mit Tinder zu tun. Sicher ist: Die Methoden des Kennenlernens haben sich verändert, und Online-Dating spielte dabei eine wesentliche Rolle. Doch während die Einen darin eine soziale Katastrophe sehen (Elitenbildung durch Online-Partervermittler), finden andere (wie Ortega und Hergovich) darin sogar eine Quelle der sozialen Integration.

Interessant wäre, was sich tatsächlich verändert hat – vor allem im Bewusstsein der Suchenden und weniger in den Medien, die sie nutzen. Wenn die Kühlschränke eine Revolution in der Vorratshaltung waren, fragte ja auch niemand, auf welches Fabrikat dies zurückzuführen war. Und so sollte es auch bei den sozialen Veränderungen durch Online-Dating sein.

Quellen: Technolgy Revue für die Aufbereitung der Fakten. Ferner: Business Insider. Zitate: (erstes) KleineZeitung . Zweites: Gründerszene . Original der Studie (Pdf): Arxiv.org. Daraus wurde auch die Grafik entnommen.