Skip to content
Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Elektro-Mobilität und andere vorschnelle Urteile

Als einst Gottlieb Daimler das Benzin in der Apotheke kaufte, hätte kaum jemand für möglich gehalten, dass es einstmals ein unglaublich großes Netz von Tankstellen weltweit geben würde. Ja, niemand hätte für möglich gehalten, dass jemals so viel Mineralöl gefördert werden könnte, wie Kraftfahrzeugen verbrauchen, wenn sie in Massen produziert werden.

Nun glauben ein CICERO-Kolumnist, dass Elektromobilität keine Zukunft hätte. Das wird zunächst einmal überpointiert dargebracht:

Elektroautos sollen Mobilität und Umwelt elegant versöhnen. Dazu werden sie idealisiert, der Diesel dagegen verdammt und deutsche Hersteller bestraft.


Das ist an sich schon Unsinn. Der Diesel wird nicht verdammt, sondern die Hersteller von Diesel-PKWS. Und das hat ganz andere Gründe als die, die im Kraftstoff liegen – und da Herr Bok, der’s schreibt, einmal in Stuttgart Redakteur war, dürfte er wissen, dass man sich dort an gewissen Tagen nicht auf die Straße trauen darf. Wegen der Luftverschmutzung, die auf viele Faktoren zurückzuführen ist, aber eben auch auf Diesel-Automobile.

Argumente sind billig. Eines, oft als Totschlagargument benutzt, heißt: „Aber die Batterien …“ und dann lesen wir, dass selbst ein renommiertes Institut davon ausginge, dass dafür

383 Prozent des weltweit gewonnenen Lithiums und 43 Prozent allen Nickels benötigt (würde).


Da fehlt: auf der Basis der heutigen Technologie und der heutigen Möglichkeiten.

Beispiel einer Fehlprognose

Lassen Sie mich es mal so sagen: Gegen 1970 wurde einmal behauptet, dass die gesamte überhaupt verfügbare Menge ans Silber ganz sinnlos in der Fotografie verpulvert würde. Und dass Filme deswegen schon gegen 1990 (vor allem aber gewisse Schwarz-Weiß-Filme, die einen höheren Silberanteil haben) dann nicht mehr herstellbar wären.

Diese Meinung ergab sich aus einer Horchrechnung, die berücksichtigte, wie weit die Fotografie zunehmen würde und wann das Silber dieser Erde restlos abgebaut worden wäre. Wir wissen inzwischen, was für ein Blödsinn diese Prognose war. Und wir werden in Zukunft feststellen, dass ähnliche Prognosen ebenfalls Blödsinn waren.

Sinnvoller Einsatz vorausgesetzt, punktet das Elektro-Automobil

Dabei ist gar nicht die Frage, ob E-Automobile alle anderen Automobile ersetzen werden, sondern welche Automobile sinnvoll mit Strom betrieben werden könnten. Zum Beispiel solche, die ohnehin nur für Einkaufs- oder Botenfahrten benutz werden. Selbst die Deutsch Post – an glaubt es kaum – baut eigene Automobile über die Tochtergesellschaft „Streetscooter“.

Ein Argument, das immer wieder gehört wird: E-Autos folgen einer wesentlich einfacheren, unkomplizierteren Technologie. Und sie könnten, in Massen produziert, absolute Preisknüller werden. Das ist doch gut? Nein, ganz schlecht, fürchten manche Wirtschaftsredakteure, Lokalpolitiker und Gewerkschaftler.

Die Furcht vor dem Verlust von Arbeitsplätzen dominiert

Wer fürchtet sich vorm bösen Wolf? Alle, die das Wort „Arbeitsplätze“ in den Mund nehmen – davon würden nämlich etliche wegfallen, wenn sich die Technologie durchsetzen würde. Und das weißt natürlich auch der Wirtschaftsredakteur und schreibt:

Vor allem die finanziellen Kraftzentren Bayern und Baden-Württemberg werden leiden und damit weniger Geld in andere Bundesländer überweisen können. Das hat Folgen nicht nur für die Autos produzierenden Bundesländer, sondern für die gesamte Bundesrepublik.


Das Geschwätz über "Kraftzentren" stimmt so nicht

Ja, ja, die „Kraftzentren“. Darf ich daran erinnern, dass Bayern nicht immer ein „Kraftzentrum“, sondern eher ein ziemlich unterentwickeltes Agrarland war, dem andere unter den Arm greifen mussten? Und sollte man nicht darauf hinweisen, dass „Baden-Württemberg“ aus dem reichen und manchmal arroganten Württemberg und dem eher armen Baden besteht, das aber deutlich mehr Charme hat?

Die Chance liegt im Wandel, nicht im Bestand

Und zuletzt: Wenn sich etwas wandelt, sind die Gewinner immer die, die frühzeitig die Chancen erkennen, was sich wandeln wird. Es gab in Deutschland einmal sehr erfolgreiche Marken im Elektronik- und Fotobereich, die an ihrer Arroganz erstickt sind. Ich habe es noch erlebt, mit welchen Argumenten man damals um sich warf – bis zum bitteren Ende. Und ich erkenne absolut die Ähnlichkeiten mit der heutigen Diskussion.

Zitate aus CICERO.