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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Das Fühlen an sich - und die Liebe

Nahezu jeder Mensch hat eine Idee davon, wie er sich fühlt. Doch das Interessante daran ist, dass er von seinen „Gefühlen“ normalerweise ganz wenig bemerkt. Das liegt daran, dass uns die meisten Gefühle nicht einmal erreichen. Sie werden aufgenommen, verwehen wieder und hinterlassen nichts. Nur diejenigen Gefühle, die uns bewegen, die uns also beschäftigen, beflügeln oder beunruhigen kommen „bei uns an“. Wir nennen sie deshalb auch „Emotionen“.

Wir wissen kaum, was wir fühlen - aber was wir denken

Fragte man eine Person, was sie in einer aktuellen Situation „gefühlt“ hat, dann ist sehr wahrscheinlich, dass er mit einem Gedanken antwortet, aber weder mit einem Gefühl noch mit dem, was ihn emotional bewegt hat. Der Grund liegt darin, dass dies nicht zum Repertoire des gewöhnlichen Mitmenschen gehört.

Fragt man beispielsweise: „Wie hast du dich gefühlt, als deine Frau dich verlassen hat?“ Dann ist die Antwort meist weder ein Gefühl noch eine Gemütsbewegung, sondern vielleicht: „Ich wusste gar nicht was, ich dazu sagen sollte ... ich habe mich nur hingesetzt und die Wand angestarrt.“

Sehr gebildete, gefühlsbetonte Menschen können solche Gefühle zwar in Worte fassen - doch wirken ihre Sätze seltsam blass. Zum Beispiel: „Ich fühlte eine unendliche Leere, als sie mich verließ.“ Auch diese Person sagt uns nicht, was sie fühlt - sie sagt nur, dass sie die Leere als Gefühl wahrnimmt. Beginnt man einen Satz mit „ich fühlte ...“, dann beschreibt man ja nicht das Gefühl, sondern einen Zustand, in dem man sich befindet. „Ich wurde sehr traurig, als sie mich verließ“ ist authentisch, „ich fühlte eine große Traurigkeit, als sie ging“ ist bildungssprachlicher Unsinn. Man kann „Gefühle nicht fühlen“.

Die Liebe rational erfühlen?

Kürzlich fragte mich jemand, ob das Fühlen nicht doch etwas rational Erklärbares sei. Genauer gesagt ging es dabei um einen ganzen Gefühlskomplex, nämlich „die Liebe“ und die Frage lautete: Ist Lieben eine rationale gedankliche Tätigkeit? Obwohl es mindestens 100 verschiedenartige Antworten darauf gibt, was Liebe ist oder jedenfalls sein könnte, habe ich nie gehört oder gelesen, dass Liebe eine „rationale Tätigkeit“ ist.

Gefühle sind teil eines Prozesses - nicht nur ein Impuls

Das Beispiel mag zeigen, wie unscharf die Definitionen von Gefühlen, Empfindungen und Beweggründen tatsächlich sind. Nimmt man dann noch den ganzen Prozess dazu, vom eingehenden Reiz über die Botenstoffe bis zu zärtlichen oder gar heftigen Handlungen, so kommen wir mit einer einzigen Wissenschaft überhaupt nicht weiter.

Und insofern - seid kritisch, wenn euch jemand „wissenschaftliche“ Erkenntnisse über „Gefühle“ anbietet. Zumeist ist die „Wissenschaft“ dann nur vorgeschoben, um zu verschleiern, dass man zu einseitig geforscht hat.

Denken statt Querdenken

keine querdenker
Erst denken lernen - dann denken überprüfen ...

Auch heute ist wieder denken erlaubt - und wer denken erlernt hat, wird kaum als "Querdenker" auf die Straße gehen oder sich Informationen aus fragwürdigen Internet-Quellen beschaffen.

Gar nichts Tun

Seitenblicke
Ich versuche heute etwas sehr schwieriges: Gar nichts zu tun. Und bevor jemand fragt: Es muss sein. Fünf Tage benötigen die Damen und Herren, die sich um mich bemühen, um etwas an mir zu reparieren und das Ergebnis zu beobachten.

Es ist für mich unglaublich schwierig, gar nichts zu tun. Vor allem, weil ich sonst mindestens sechs bis acht Stunden über etwas nachdenke, sei es, dass ich recherchiere, lese, einordne, nachdenke oder schreibe.

Eben bot man mir Kaffee an – die Kaffeezeit und die anderen Mahlzeiten scheinen die einzigen Abwechslungen zu sein, die man mir gönnt – oder zumutet.

Dann und wann gehe ich ein paar Schritte, und vielleicht werde ich morgen auch mal mit jemandem reden. Richtig reden, meine ich. Es fällt mir schwer, weil ich genau zuhören muss, um den hiesigen Dialekt zu verstehen.

Es mag sein, dass ich mich einige Tage nicht melde, weil es mir gefällt, gar nichts zu tun.

Gedanken

Im Sommer werden die Gedanken leichter, aber auch jetzt fliegen sie schon wie die Vögel hinaus
Wahrscheinlich (na, nicht sehr wahrscheinlich) kennen Sie das Gedicht von Manfred Hausin „Schulfreund“. Es ist kurz, und es hinterlässt nachdenkliche Menschen ebenso wie solche, die widersprechen.

Ich muss es aus der Erinnerung nehmen, weil es im Internet versteckt wurde. Jedenfalls heißt es dort

Er hat Karriere gemacht
Und ich mir Gedanken.


Der Widerspruch kommt von jenen, die Karriere gemacht haben, niemals von jenen, die sich Gedanken machten. Mit Karrieren lässt sich fast immer herumprahlen, und auch die Frauen sind beeindruckt davon. Gedanken hingegen sind höchst verdächtig. Warum soll ein Mensch überhaupt denken? Manche lassen bei der Konservativen denken, andere bei den Sozialisten, und manche gar bei den Rechtsextremisten und Kommunisten. Aber eigene Gedanken? Eigenbrötler? Sonderling? Vielleicht gar Matsch im Hirn?

Es ist sehr unwahrscheinlich, dass sich jemand Gedanken macht und diese gar noch veröffentlicht, die sich nicht an den „Mainstream“ oder irgendeinen Extremismus anhängt.

Ich hatte das Glück, mir erst Gedanken zu machen, sie dann zu strukturieren, und sie schließlich wirtschaftlich zu verwenden. Und dann gab es noch eine nette kleine Karriere. Nicht der Rede wert, aber ein interessanter Teil des eigenen Lebens.

Und jetzt? Jetzt kann ich denken, was ich will, wann ich will und wo ich will.