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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Leipzig und die "Schuld"

Die Suche nach der Schuld ist eines der beliebtesten Spiele in Deutschland. Der Innenminister des Freistaats Sachsen hatte den Oberbürgermeister der Stadt Leipzig für die Eskalationen während einer Demo der sogenannten „Querdenker“ verantwortlich gemacht. Der OB tat, was nötig war: Er wehrte sich dagegen.

Einige Zeitungen versuchten, den Leipziger OB an den Pranger zu stellen, um ihn mit fadenscheinigen Argumenten „vorführen“ zu können. Er habe ja selbst zugegeben, „zu spät“ gehandelt zu haben. Doch er konnte nicht früher handeln, wie aus dem ZEIT-Interview hervorgeht, das er dazu gab.

OB Jung und andere haben, wie ich meine, recht zurückhaltend auf die umstrittene Eilentscheidung des Oberverwaltungsgerichts reagiert, die Veranstaltung mitten im Herzen der Stadt Leipzig zuzulassen. Zwar mag es hart sein, im Rechtsstaat Zweifel an der Kompetenz der Richter zu äußern. Aber haben die Ereignisse nicht eher für die Entscheidung der Vorinstanz (Verwaltungsgericht) gesprochen, die Veranstaltung außerhalb durchzuführen?

Eigenartig auch, wie die Deutsche Welle die Justiz lobte. Marcel Fürstenau schrieb (Zitat):

Wäre es nach ihm (Jung) gegangen, hätte die Demo - wenn überhaupt - am Stadtrand stattfinden sollen. Auf dem Messegelände, wo niemand vom Protest Notiz genommen hätte. Doch diesen Gefallen hat ihm das von politischen Weisungen unabhängige Oberverwaltungsgericht zum Glück nicht getan.

Zum Glück für wen "durfte" die Demo im Zentrum Leipzigs stattfinden?

Die Meinung in Ehren – aber der Nachsatz „zum Glück“ spricht Bände. Zum Glück für wen, Herr Fürstenau? Sicher nicht zum Glück der Bevölkerung Leipzigs, und wohl kaum zum Glück für die Menschen, die etwas verwirrt auf Leipzig schauen und sich nun fragen: Wie konnte das geschehen?

Der Redakteur der „Deutschen Welle“ argumentiert mit dem Rechtsstaat – aber ist nicht gerade der Rechtsstaat verpflichtet, Rechtsgüter abzuwägen? Und warum „muss“ eine Stadt der Protestbewegung unbedingt ihre besten Plätze zur Verfügung stellen? Hatte die Stadt Stuttgart die Demo nicht auch auf den Cannstatter Wasen ausgelagert?

Und was unsere betuliche Presse betrifft: Wäre es nicht an der Zeit, die „Schuld“ nicht bei den Kommunen, Regierungen, Behörden und Gerichten zu suchen – sondern bei den Initiatoren und Mitläufern?