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Dem liberalen Geist eine Stimme geben - das ist sehpferd

Eine Diseuse statt eines Wahlkrimis

Als die Menschen am Wahlsonntag um 18 Uhr in Deutschland vor ihren Mobiltelefonen, Fernseher und Tablets saßen, lauschte ich fasziniert einer Diseuse und einem Herrn, der sie am Piano begleitete. Die Dame hörte auf den Namen Michaela Dazian und sie bot ganz vorzügliche Interpretationen bekannter und unbekannter Lieder aus einer etwa hundertjährigen Tradition: die Kunst der Diseusen.

Sie singen Humorvolles und Nachdenkliches, und dann und wann auch etwas „schrecklich Frivoles“ wie etwa den „Novak“, der seine Geliebte bekanntlich „nicht verkommen lässt.“

Warum sie Diseusen heißen? Weil viele von ihnen nicht eigentlich „sangen“ wie eine Operndiva, sondern eine Art Sprechgesang pflegten. Mal intrepretierten sie eigene Lieder, mal solcher ihrer Pianisten, dann auch wieder solche von Kurt Tucholsky oder dem unvergessenen Friedrich Hollaender.

Diese Art des Vortrags galt einige Zeit als ausgestorben - und viele Künstlerinnen wurden bereits als die „letzten Diseusen“ bezeichnet. Erstaunlicherweise aber leben sie und die Lieder immer weiter - manche, weil sie so zeitlos sind, und andere, weil sie so viel über die Zeit erzählen, in der sie entstanden sind.

Dann und wann bricht ein anderer Gedanken in mir auf. Die Strenge, akademische Art, mit der Emanzipation umzugehen, das Herumnörgeln an jedem Wort, das nicht „sozial korrekt“ ist - wer will das eigentlich?

Wie auch immer - die Diseusen und Kabarettistinnen mögen noch lange dafür sorgen, dass die Sinneslust nicht ganz vergessen wird.

Und übrigens, bevor ich es vergesse - die Ergebnisse einer Wahl erst gegen 19.30 zu bekommen, ist keinesfalls ein Schaden.

Wenn ein Theater zeltet …

Seltsamer Anblick: ein Theaterzelt
Das hiesige Theater ist geschlossen, um die Bühnentechnik auf den Stand der Zeit zu bringen. Damit die Menschen aber weiterhin ins Theater gehen können, hat man ein Zelt aufgespannt.

Ich war bei der Premiere etwas skeptisch: Was erwartete mich? Nein, sicher keine Zirkusuniformen. Aber vielleicht Matsch oder übel riechende Toiletten?
Noch ist die Bühne leer ...
Oh, nein, alles war wundervoll. Man gab „Cabaret“ – wunderschön, sinnlich und absolut gruselig. Vor allem, weil manches Wort, das dort aus dem Mund der Nazi-Sympathisanten der frühen 1930er anklang, auch heute wieder zu hören ist.