Ich erinnere mich noch recht gut an den Affenzirkus, den ich kurz nach dem Brexit mit einem schottischen Herrenausstatter erlebte.
Nun wird es ja offensichtlich bald wieder Winter - und das wollte ich einen dieser tollen Pullover, die wirklich warm halten und die nicht per Modelabel fast das doppelte von dem kosten, was sie wert sind.
Keine Waren mehr in die EU?
Also habe ich mich über die Stammkunden-Funktion bei meinem schottischen Herrenausstatter eingeloggt, und festgestellt, der lässt mich zwar noch rein, aber nicht wieder heraus. Ja, nach Norwegen würde man wohl liefern und wohl auch in die Schweiz, aber nicht nach Deutschland - ohne Begründung.
Die Objekte der Begierde - warum nicht gleich Irland?
Nun, das Produkt meiner Begierde war zwar in einem schottischen Katalog verzeichnet, wurde aber ganz offensichtlich in der Republik Irland produziert. Und wenn es denn ein irisches Produkt ist - dann müsste es doch auch in Irland verfügbar sein, nicht wahr?
Gesagt - getan. Und wirklich brachte der Paketbote innerhalb einer Woche zwei herrliche Wollpullover - „Made in Ireland“ und natürlich aus der Republik Irland. Keine Umrechnungsprozeduren, keine unverschämten Frachtzuschläge, alles perfekt.
Die Odyssee zweier Pullover aus dem Vereinigten Königreich hat ein gutes Ende gefunden: Heute brachte ein Paketdienst die Sendung. Sie wurde zuvor durch verschiedene Unzulänglichkeiten (unter anderem auch durch den Brexit) verzögert.
Was war alles passiert?
- Eine Retoure wurde, obgleich angekündigt, nicht vereinnahmt.
- Die Hotline des Unternehmens (ausgesourct) erwies sich als völlig überfordert.
- Das Unternehmen selber musste mehrfach eingreifen, nachdem ich mich massiv beschwert hatte.
- Es gab einen zwar beschämenden, aber plausiblen Grund, der tatsächlich mit dem Brexit zu tun hatte.
Und jetzt sind sie da, die beiden Pullover.
Das alles mag für die Öffentlichkeit restlos uninteressant sein. Aber die britische Wirtschaft basiert nicht darauf, zwei Pullover zu verschicken. Und wann andere Dinge auch so holprig abgewickelt werden, sind schwere Schäden für die britische Wirtschaft zu befürchten.
Update auf mein Brexit-Dilemma - offenbar sind die Briten mit dem Brexit völlig überfordert.
Die Sache mit dem britischen Herrenausstatter ist immer noch nicht abgeschlossen.
Wusstet ihr, dass viele Hotlines absolut Kommunikationsresistent sind? Was sie wissen, lesen sie aus Datenbanken ab. Wenn sie nichts wissen, labern die Hotliner Blödsinn. Und falls ein Kunde zu aufdringlich wird, beantworten sie gar nichts mehr.
Aber ich brauchte gar keine Hotline, weil ich ohnehin keine Informationen des britischen Herrenausstatters erhielt, wie es nun weitergehen sollte. Denn – wie durch ein Wunder – bekam ich in den ersten Tagen des neuen Jahrs die Nachricht, mein Paket sei nun ausgeliefert worden, und ich würde es in der darauffolgenden Woche am Montag erhalten. Das wäre diese Woche Montag gewesen.
Aus den miesen Erfahrungen klug geworden, verfolgte ich die Sendung nach – diesmal bei DPD. Und siehe, es war wieder schief gegangen.
4. Jan. 2021 – Ihr Paket ist auf dem Weg.
6. Jan. 2021 – Hub 4 Ihr Paket wird einsortiert.
6. Jan. 2021 – Warenausgang International - Ihr Paket wird einsortiert.
11. Jan. 2021 - Ihr Paket geht zurück an den Absender.
Mein Herrenausstatter im Vereinigten Königreich sah sich bis gestern nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben. Ob der Brexit für ihn so verwirrend ist, oder ob andere Gründe dafür verantwortlich sind – warum sollte das den Kunden interessieren?
Update zum Update: Es gab tatsächlich heute eine Antwort. Die britischen Parcel-Services sind ganz offensichtlich mit dem Brexit überfordert. Verantwortlich soll ein neues System sein, dass offenkundig nicht problemlos funktioniert: The "Government New Computerised Transit System" (NCTS) Warum es die Briten nicht beherrschen? Vielleicht weiß es ja der schlaue Premier-Minister?
Irgendwann im November dachte ich: Ach, du könntest doch noch etwas im Vereinigten Königreich bestellen. Der Brexit, wenn er denn „hart“ kommt, ist ja noch eine Weile hin.
Habe ich dann auch getan - bei einem Herrenausstatter, der immer hübsche Kleidungsstücke hat. Die Ware kam, wie gewohnt, pünktlich gegen Ende November. Nur leider, und dafür konnte der Herrenausstatter nun wirklich nichts, passten zwei der bestellten Pullover nicht. Also Rücksendung angekündigt, am nächsten möglichen Tag (23. 11.) die beiden Pullover zurückgesandt. Kosten übrigens 17,99 Euro. Die DHL lässt sich den Versand fürstlich bezahlen, wenn man die Sendung versichern will und sie selbst in einer Postfiliale einliefert.
Inzwischen hatte ich die Bestätigung bekommen, dass man die Pullover gerne zurücknehmen würde, nur könne man gerade keine Neuen senden, da einer der Pullover in der entsprechenden Größe erst am 16. Dezember wieder am Lager sein würde.
Eigentlich sind Briten recht zuverlässig, aber ich wollte mich dennoch vergewissern. Also habe ich vor einigen Tagen eine E-Mail an den Herrenausstatter geschickt und höflich um Lieferung gebeten.
Das Ergebnis war verblüffend: ja, die Pullover seien nun da, aber man müsse noch meine Kreditkarte belasten. Ausgesprochen erstaunlich, weil die Ware ja bezahlt war. Nach einem längeren Telefongespräch mit einer etwas unterbelichteten Hotline-Dame dämmerte mir: „Die haben die Rücksendung nicht erhalten.“
Also flugs DHL nachverfolgt und festgestellt: Klar war die Sendung angekommen, noch Ende November, aber dann vom Herrenausstatter verschusselt worden. Dafür entschuldigte man sich, aber liefern könne man in absehbarer Zeit dennoch nicht - „gegenwärtig könne man nicht in die EU liefern.“ Nicht wegen des Brexits, sondern weil die Briten quasi „coronabedingt“ von der Außenwelt abgeschlossen waren.
Ja, liebe Briten - ich mag euch wirklich. Und die Hotlines in Deutschland sind auch meistens Murks. Aber irgendwie finde ich doch, dass ihr gegenwärtig so gut wie alles falsch macht, was man überhaupt falsch machen kann.
Wer die Berichterstattung der BBC kennt, der weiß, dass man dort großen Wert auf Hintergrundinformationen legt. Doch das hindert die inzwischen immer mehr nach rechtsaußen driftenden Konservativen nicht, die BBC zu diffamieren.
Nähere Informationen und eine Übersicht darüber, welche Rolle private Verleger und der britische Prime Minister dabei spielen, könnt ihr beim NDR lesen.